1833 kam der damals 15-jährige Wilhelm Herchenbach nach Düsseldorf und wurde Hilfslehrer in Pempelfort. Bekannt wurde er vor allem als Kinder- und Jugendschrifsteller. Weil er aber – ganz im Sinne des Zeitalters der Romantik – gern wanderte und reiste, hat er auch entsprechende Berichte verfasst und veröffentlicht. Drei davon berühren das Düsseldorf in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Im Archiv des Heinrich-Heine-Instituts findet sich ein Bestand seiner Werke. Sein Ur-Ur-Neffe Michael Herchenbach hat es sich dankenswerterweise zur Aufgabe gemacht, die Werke seines Vorfahren vor dem Absturz ins Vergessen zu retten und hat eine Auswahl in Form von PDF-Dokumenten auf seiner Website veröffentlicht. Seine wunderschönen Berichte präsentieren wir an dieser Stelle. Heute geht es um die Tour von Düsseldorf nach Oberhausen mit der Eisenbahn (PDF-Link) aus dem Bericht „Von der holländischen Grenze bis Cöln“. Die Abbildungen stammen aus dem Originalbericht.

Die Postkutsche anno 1877Zunächst wollen wir uns mit der Linie Düsseldorf-Oberhausen befassen. Man benutzt die Cöln-Mindener-Bahn (Eingang zum Bahnhofe auf der Friedrichsstraße). Bei der Abfahrt durchschneidet man das Häusergewirr von Düsseldorf, Oberbilk, Geisten und Pempelfort, ein Terrain, welches mit jedem Jahre stärker bebaut und in nicht allzulanger Zeit ganz von der Stadt eingenommen sein wird. Hier ist ein weiter Kranz von Fabriken angelegt, die zum Theile bedeutende Ausdehnung haben. Nachdem man die Düsseldorf-Elberfelder Landstraße überschritten hat, sieht man in einer Entfernung von etwa einer halben Stunde rechts die bewaldeten Hügel des Grafenberges, wohin an schönen Tagen die Düsseldorfer schaarenweise wandern, um in den prächtigen Laub- und Nadelholzwäldern bei Kaffee, Wein und Bier einen angenehmen Nachmittag zu verbringen. Jeden Augenblick rollen Equipagen dorthin. Der Wald und die dahinter liegenden Höhen verdienen in der That einen Besuch. Hinter demselben auf der Höhe liegt das Wasserreservoir der Düsseldorfer Wasserleitung, ganz in der Nähe die neue, gebäudereiche Provinzial-Irrenanstalt, dahinter die alte Stadt Gerresheim, von der wir später sprechen werden. Nur der erste Punkt ist von der Bahn aus sichtbar, die beiden andern sind durch die Hardt und die Bäume verdeckt.

Die KieferRechts im Felde liegt der neu angelegte zoologische Garten, der sich eines regen Besuches erfreut; dahinter die Rettungsanstalt Düsselthal. Früher bestand hier ein Trappistenkloster, welches vom Hofe zum Speck hieher übergesiedelt war, weßhalb die Bewohner des Klosters im Munde des Volkes Speckermönche genannt wurden. Der Orden war außerordentlich strenge, ihre Zeit vom frühen Morgen bis in die Nacht der Arbeit und dem Gebete gewidmet. Hier hatte sich eine eigenthümliche Industrie entwickelt. Die Mönche verfertigten nämlich aus Papiermaché Schnupftabaksdosen, die mit Silber und Perlmutter eingelegt waren und die wegen der schönen, saubern Arbeit weit und breit einen großen Ruf erlangten. Bei der Aufhebung der geistlichen Genossenschaften ging das Kloster mit seinen bedeutenden Liegenschaften in den Besitz des Staates über. Später gründete hier der Graf Adalbert von der Recke-Volmarstein eine Erziehungsanstalt für verwaiste und verwahrloste Kinder, die noch besteht und mit der jetzt auch an der Zoppenbrücke ein Schullehrer-Vorbereitungsseminar verbunden ist.

Dahinter, auf den Höhen des Grafenberges, liegt die Fahnenburg, wo der Schriftsteller Fahne sein Tusculum aufgeschlagen hat. Höher im Walde das romantisch gelegene Haus Roland, welches aber dem Auge durch den Baumschlag verborgen ist.

Links fahren wir an dem Dorfe Derendorf mit seiner dreithürmigen Kirche vorüber. Die Bewohner nähren sich von Ackerbau und Gartenzucht. Ihre Blumen und Gemüse setzen sie täglich auf dem Markte zu Düsseldorf ab. Oestlich liegt das Dorf Mörsenbroich, hinter welchem die Fortsetzung des Grafenberges der Aaperwald heißt. Früher war der ganze Bergrücken kahl, aber durch die Fürsorge der Regierung ist er jetzt mit Kiefern bestanden.

Die erste Station ist Rath, ein Kirchdorf, welches ein hohes Alter für sich in Anspruch nehmen darf, und wo sich ein fränkischer Königshof befand. Es hatte früher ein Frauenkloster von der dritten Regel des heiligen Franziskus und in der neuesten Zeit eine Erziehungsanstalt unter der Leitung der Schwestern vom heiligen Kreuz, welche aber jüngst den Kirchengesetzen hat weichen müssen.

In der Nähe, im Walde das Haus Hain, wo vor wenigen Jahren durch den Architekten Rinklake ein Karthäuserkloster begonnen wurde, welches aber nicht vollendet wird Die Bahn führt jetzt durch einen schönen Wald, rechts Lintorf und Ratingen liegen lassend, zur Station Calcum.

Von der Station bis zum Dorfe Calcum hat man noch etwa eine halbe Stunde zu wandern. Das Dorf ist alt, noch älter aber das Schloß, jetzt Eigenthum des Fürsten Hatzfeld. Die Edelen von Calcum kommen schon im dreizehnten Jahrhundert vor u. haben sich in ritterlichen Kämpfen häufig rühmlich hervorgethan. In geringer Entfernung, etwa eine Viertelstunde, fließt der Rhein, woran das früher genannte Kaiserswerth liegt.

Zwischen den Stationen Calcum und Großenbaum zeigt sich rechts in einiger Entfernung von der Bahn Angermund an dem Flüßchen Anger, welches sich bei Angerorth in den Rhein ergießt. In frühern Zeiten ging bei Angermund ein Arm des Rheines vorüber, in welchen sich dort die Anger ergoß, woher der Name des Städtchens. Es war eine Freiheit mit Landrecht und besaß ein Schloß, dessen Ueberbleibsel die Kellnerei heißen, und wo jetzt die Oberförsterei ist.

Die RosskastanieDie Churfürsten besaßen hier eine Wildbahn und in den benachbarten Forsten gab es eine Menge wild herumlaufender Pferde, die beim Fange auf den Hof der Kellnerei getrieben wurden. Das Städtchen, welches sich jetzt fast ausschließlich vom Ackerbau ernährt, wird in der Landesgeschichte viel genannt, und hier wurde die Dienerschaft der unglücklichen Herzogin Jacobe von Baden eingesperrt, als man in Düsseldorf den Prozeß gegen sie einleitete. In Angermund wurde Tobias Magirus, Professor der Physik zu Frankfurt a. d. O., † 1652, geboren.

Links im Walde liegt das dem Reichsgrafen von Spee zugehörige und von ihm bewohnte Schloß Heltorf, von dem noch lebenden Maler, Professor Mücke zu Düsseldorf, mit schönen Fresken ausgeschm ückt. Etwas weiter Großwinkelhausen, dessen Adelsgeschlecht schon 1288 vorkommt. In der Umgegend findet man mehrere Bauernhöfe, die einst Rittergüter waren und sich wahrscheinlich wegen der alten Königshöfe zu Rath und Kaiserswerth hier angesiedelt hatten.

Die Station Großenbaum bringt nicht viel Bemerkenswerthes, aber wir erreichen jetzt die weitgedehnten Aecker, auf denen sich einst der große Duisburger Wald ausdehnte. Der Wald ist jetzt zum größten Theile verschwunden, nur hier und dort zeigt sich noch ein kleiner Rest, in welchem die weißen Blüthen der Roßkastanie wie schimmernde Kronleuchter himmelan streben. In einer Entfernung von fünfundzwanzig Kilometern haben wir links Duisburg.

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