Bericht · Gerade in den Landschaften rund um Düsseldorf, also zwischen Leverkusen und Emmerich, kann man sehr schön sehen und erleben, wie breit der Rhein früher war. Wobei sich zunächst die Frage stellt: Wann ist der große Strom überhaupt entstanden? Tatsächlich kann ein früher Wasserlauf, der vor rund 30 Millionen Jahren ungefähr beim Eifeldorf Brohl entsprang und bei Bonn ins Meer mündete, als Keimzelle des Rhein wie wir ihn kennen, betrachtet werden. Mit dem tektonischen Einbruch des rheinischen Schiefergebirges in dieser Region entstand ein tiefer und breiter Graben, der das Gebirge in nordwestlicher Richtung teilte und sich auch im Meer fortsetzte. Dies war die erste Version des Rheintals. [Lesezeit ca. 4 min]

Je mehr sich die See nach Nordwesten zurückzog desto länger wurde der Rhein, weil er im beschriebenen tektonischen Graben sein natürliches Bett fand. Auch wenn der große Fluss nach den Eiszeiten für den Abfluss des Schmelzwassers sorgte, ist sein Bett aus jener Erdepoche kein Urstromtal im eigentlichen Sinne, denn so nennt man nur Flusstäler, die durch das Abschmelzen der Gletscher entstanden sind. Der Rhein aber nutzte eine geologische Struktur, die durch tektonische Veränderungen entstanden. Übrigens: Binnenschiffer sprechen immer noch vom „Gebirge“, wenn sie den Rheinverlauf an der engsten Stelle des Grabens meinen, also die Strecke zwischen Bingen und Koblenz.

Die Entstehung der großen westeuropäischen Flüsse (via Wikimedia)

Die Entstehung der großen westeuropäischen Flüsse (via Wikimedia)

Während dieser Vorläufer nicht mehr war als der Abfluss einiger Eifelquellen, entstand deutlich später ein „echter“ Fluss, dessen Quelle vermutlich im Kaiserstuhl bei Freiburg lag; dieser Strom stellt den Ur-Rhein dar; er war etwa 400 Kilometer lang und vereinigte sich dann mit dem beschriebenen Abfluss aus der Eifel. Erst vor knapp 450.000 Jahren kam dann der Alpenrhein hinzu, der sich mehrere Täler geschnitten hatte. Erst in dieser Zeit entstanden die Nebenflüsse des Rhein südlich der Mosel. Ähnlich wie bei den Flüssen der Urstromtäler nutzte auch der Rhein die gesamte Fläche in den Tiefebenen zwischen den Mittelgebirgszügen – also am Oberrhein zwischen dem Schwarzwald und den Vogesen, später dann zwischen Taunus und Hunsrück.

Die Gebiete, in denen viel, viel später die Städte Köln, Düsseldorf und Duisburg entstanden, bildeten damals die Küsten der späteren Nordsee. Aber das Meer zog sich mit dem Ende der Eiszeit immer weiter zurück und hinterließ Flachland mit Hügelketten relativ geringer Höhe. Da der Rhein vom Schmelzwasser, das die Nebenflüsse brachten, enorme Wassermengen transportierte, dehnte er sich in diesen Ebenen aus; ungefähr auf der Höhe des heutigen Emmerichs dürfte der Strom bis zu 100 Kilometer breit gewesen sein. Bei Düsseldorf bildeten die Hänge des Grafenberger und des Aaper Waldes das Ostufer, der Niederrheinische Höhenzug zwischen der Niers und Nijmegen das Westufer. Der Rhein war hier also fast 40 Kilometer breit.

Sumpfland am Urdenbacher Altrhein

Sumpfland am Urdenbacher Altrhein

Mit dem Rückgang der Wassermassen sank auch der Spiegel des Rheins – und zwar beinahe bis hinab auf das Niveau der heutigen Durchschnittspegel. So wie das Meer bei Ebbe Priele bildet, in denen das Wasser abläuft, entstanden gerade bei uns am Niederrhein Dutzende Rheinarme auf dem gesamten Gebiet, dass der Fluss in seiner breitesten Form bedeckt hatte. Bei Niedrigwasser fielen viele dieser Arme trocken, bei Hochwasser überflutete der Rhein die Inseln zwischen den Armen. So entstand die für unsere Gegend typische Auenlandschaft, ein einzigartiges Biotop mit einer Vielfalt an Flora und Fauna wie man sie nur in wenigen Weltgegenden findet. Dieser Zustand hielt sich bis ins 19. Jahrhundert.

Schiffbar war der Rhein so nicht durchgehend, sondern nur abschnittsweise – als Wasserstraße diente er vor allem hier am Mittel- und Niederrhein zwischen Mainz und der niederländischen Nordseeküste. Nördlich des „Gebirges“ war der Hauptarm des Stroms durchgehend bis Rotterdam befahrbar. Am Oberrhein sah es weniger gut aus, deshalb kam ein gewisser Johann Gottfried Tulla auf die Idee, den Fluss durch Baumaßnahmen zu zähmen. Übrigens: Ein wichtiges Argument war um 1820 herum auch, dass eine Begradigung das Trockenlegen der Sümpfe und damit die Ausrottung der Mücken und der von ihnen übertragenen Krankheiten zu ermöglichen.

Mulvanys verrückte Idee mit dem Rheindurchstich

Mulvanys verrückte Idee mit dem Rheindurchstich

Erst zur Jahrhundertwende waren die Arbeiten an der Rheinbegradigung zwischen Basel und Mainz abgeschlossen, der Fluss war gezähmt. Am Niederrhein, also nördlich des „Gebirges“ waren es die Städte, die den Rhein mit Baumaßnahmen in seine heutige Form zwangen. Zunächst vor allem aus Gründen des Hochwasserschutzes, später dann im Sinne der Binnenschifffahrt. Die ersten Deiche nördlich von Bonn entstanden um 1870 herum, bis ungefähr 1910 war dann das noch heute bestehende Deichsystem fertiggestellt. So wurden praktisch alle Nebenarme vom Strom abgeschnitten und fielen trocken. Damit war auch das Ende der meisten Auenwälder gekommen. Weil dem Rhein das Bett auf diese Weise aber manchmal zu eng wurde, kam es zu immer mehr immer schlimmeren Hochwasserlagen und Überflutungen der Städte.

Am meisten betroffen war (und ist) Köln, das auf dem Stadtgebiet keine ausreichenden Überflutungsgebiete besitzt, während Düsseldorf besonders mit der Urdenbacher Kämpe, die in den letzten Jahrzehnten immer stärker renaturierte wurde, dem Rhein immer genug Platz bietet. Wenn die Kämpe unter Wasser steht, wird der Fluss an dieser Stelle maximal zwei Kilometer breit; auf dem Stadtgebiet ist er bei normalem Pegelstand nirgends breiter als rund 350 Meter.

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