Manchmal muss man über den eigenen Schatten springen. In diesem Fall sogar über einen mindestens dreifachen. Denn um sich an der DEG der Spielzeit 2014/15 zu erfreuen, muss man in den saueren Apfel ServusTV (Red Bull Media House) beißen, die aberwitzigen Bedingungen der DEL hinnehmen und die aktuelle Sponsoren- bzw. Investorenlage beim größten deutschen Eishockeyclub aller Zeiten ignorieren. Auch den doofen ISS-Dome gilt es zu übersehen und den ganzen Kommerzscheiß, denn alein schon die Spielstätte mit sich bringt. Dafür darf man dann einem grandiosen Team und zwei ächten Düsseldorfer Jongens zujubeln – den Brüdern Christoph und Daniel Kreutzer. Sowie dem zurzeit besten Goalie der Liga, dem unglaublichen Tyler Beskorowany. Wer mir das prophezeit hätte, als ich im Winter 2011/12 die DEG für mich wiederentdeckte, den hätte ich für bekloppt erklärt. Denn damals hieß das Team noch Metrostars, dümpelte im Mittelfeld herum, zerkratzte vor selten mehr als 4.000 Zuschauern das Eis und schied im Playoff-Viertelfinale gegen den ERC Ingolstadt sang- und klanglos aus.

Und jetzt das. Nach dem Ausscheiden des Sponsors Metro ging es zunächst bergab, und zeitweise war die Existenz des Teams so gefährdet, dass manche für den freiwilligen Ausstieg aus der DEL plädierten. 2013 wurde die DEG abgeschlagen Letzter, 2014 sogar noch abgeschlagener. Zudem gab es diverse interne Tumulte um die Führung und das Konzept. Dass es dann ausgerechnet den Ur-Düsseldorfer Christoph Kreutzer als Coach an die Bande gespült hat, sah für viele Kenner eher als Zeichen mangelnden Ehrgeizes aus. Aber alle lagen falsch. Zwar quälte sich die Kreutzer-Truppe auch in der Saison 2014/15 anfangs erheblich herum und musste manche depremierende Heimniederlage (zum Beispiel gegen den Krefelder EV, der den blöden Beinamen „Pinguine“ tragen muss) einstecken. Aber nach und nach wühlten sich die Rotgelben heraus, angestachelt vielleicht auch durch den unaufhaltsamen Niedergang des ewigen Erzrivalens, des Retortenclubs aus dem Domdorf, der dieses Jahr nicht einmal die Pre-Playoffs erreichte und zudem einen Toptrainer dabei verschliss.

Und trotzdem glaubte nach dem überraschend klaren Einzug ins Viertelfinale noch niemand so recht an mehr. Das erste Playoff-Spiel bei der Söldnertruppe, die aktuell in Hamburg stationiert ist (die waren auch schon mal in München…), wurde peinlich verloren. Aber dann kamen die Herren mit dem bergischen Löwen auf der Brust langsam und gewaltig, glichen zuhause aus, verloren in HH , glichen aus, verloren wieder und kamen nach Partien zum 3:3. Das Spiel in Hamburg musste entscheiden, und dieses Mal, ja, wirklich, dieses Mal siegten unsere Jungs. Auswärts! Mit 2:1! Was sollte jetzt noch kommen? Genau: Das Halbfinale gegend en amtierenden Meister, den ERC Ingolstadt. Womit niemand wirklich gerechnet hatte, trat ein: Auswärtssieg durch Sudden Death.

Die Düsseldorfer entdecken ihre DEG wieder
Das öffnete alle Schleusen. Plötzlich erinnerten sich Düsseldorfer, die seit der grandiosen Ära in den Siebzigerjahren keine Spiel der Rotgelben mehr gesehen hatten, an die tolle Zeit im Eisstadion an der Brehmstraße als die DEG noch teil der Jugendkultur der Stadt war. Als das Stadion an fast jedem Spieltag restlos ausverkauft war. Als es in der Altstadt nur ein Gesprächsthema gab: die DEG. Natürlich war die Eislaufgemeinschaft nicht immer populärer als die Fortuna, aber es gab durchaus Jahre, in denen man sich eher bei der DEG traf als im zugigen, zu maximal einem Viertel gefüllten Rheinstadion. Spieler jener Tage waren Volkshelden, die Namen kannte jedes Kind, und wer zwischen etwa 1977 und 1992 DEG-Fan war, der kann sie noch heute runterbeten, die ewige Hall-of-Fame der gro0en DEG-Spieler von Otto Schneitberger über Helmut de Raff, Chris Valentine, Peter John Lee, Rick Amann und wie sie alle heißen.

Und das ist auch das Geheimnis der aktuellen, so plötzlich eingetretenen neuen Popularität der DEG: Die Menschen erinnern sich an ihre Jugendtage, die für einen Großteil der Düsseldorfer irgendwie und zumindest zeitweise mit diesem Eishockeyclub und vor allem mit dem Eisstadion an der Brehmstraße verbunden sind. Den Ort, an dem fast alles erfunden wurde, was heute in Eishallen und Fußballstadien an Support stattfindet, an dem zig Anfeuerungsgesänge entstanden, die noch heute bei der Fortuna und abgewandelt bei etlichen Eishockey- und Fußballvereinen geschmettert werden. Der mystische Platz, an dem bei abgeschaltetem Licht Tausende Wunderkerzen das Eis illuminierten, an dem 10.000 Fans das Altbierlied und den Schneewalzer à capella sangen. Das Stadion, in dem jeder Fanclub eine Familie war und seinen festen Platz auf der Stehtribüne hatte und alle die Sitztribüne hassten. Das Eis, auf dem jedermann in den Laufzeiten sein Können zeigen konnte – entweder auf Schlittschuhen, die bei Hans Kapser geliehen waren, oder eigenen Skatern, deren Kufen man bei Kasper mit dem optimalen Hohlschliff versehen ließ.

Ganz ehrlich: Das alles gibt der modernistische Dome von Rath nicht im allermindesten her. Der hat den Charme einer Abfertigungshalle an einem Provinzflughafen und macht eine stoimmungsvolle Anfeuerung fast unmöglich. Deswegen begeistern sich seit gestern auch vor allem ehemalige DEG-Fans, die noch kein Spiel an der Theodorstraße erlebt haben. Es ist eine nostalgische Begeisterung; aber daran ist pberhaupt nichts falsch. Und wenn die DEG dann wieder Meister geworden ist, werden wir uns alle freuen und feiern und die genauen Umstände der aktuellen Situation des Eishockeys in Deutschland und der in Düsseldorf im Besonderen einfach ignorieren.

2 Kommentare

  1. Nachdenken am

    Bei der Fortuna hast Du die Fans, die erst nach einem Umzug und bei den Erfolgen des Vereins wiederkamen, „Eventies“ geschimpft.
    Jetzt gewährst Du denen Ablass, die wegen eines (notwendigen) Umzugs und Erfolglosigkeit der DEG den Rücken gekehrt haben.
    Hypocrit much?

    • Rainer Bartel am

      Wenn du lesen könntest, könnte man mit dir auch diskutieren. Aber so…

      (Nebenbei: Dein Stil verrät dich, du bist enttarnt)