So ganz können wir das 19. Jahrhundert, mit dem der zweite Teil dieser kleinen Serie endete, noch nicht verlassen. Denn tatsächlich gab es in den Vierziger- und Fünfzigerjahren jenes Jahrhunderts einen heftigen Konkurrenzkampf zwischen zwei Unternehmen aus Köln und Düsseldorf. Beide betrieben Dampfschiffahrt auf dem Rhein, und beiden buhlten um dieselbe Zielgruppe. Dazu muss man wissen, dass Fahrten mit dem Dampfschiff auf dem großen Strom ab etwa 1830 das Reisen zwischen dem Süden und den Niederlanden sowie den Regionen und Städten dazwischen massiv erleichtert hatte. Ja, der Personenschiffsverkehr war damals der Eisenbahn weit überlegen, was Geschwindigkeit (zumindest flussabwärts) und Bequemlichkeit anging. So wurde schon 1825 die Preußisch-Rheinische Dampfschiffahrt-Gesellschaft (PRDG) zu Köln gegründet. Elf Jahre später folgte die Dampfschiffahrts-Gesellschaft für den Nieder- und Mittelrhein (DGMN) mit Sitz in Düsseldorf. „In den Folgejahren entfachte zwischen den beiden Gesellschaften und einer niederländischen Reederei, der Nederlandsche Stoomboot Maatschappij, ein unerbittlicher Konkurrenzkampf. Neben Preissenkungen und Wettfahrten zur Kundengewinnung wurde in den 1840er Jahren auch von gegenseitigen Schiffsrammungen berichtet. [Quelle: Wikipedia]“

Da haben wir es endlich: Köln gegen Düsseldorf! Konkurrenzkampf! Streit! Aber wie endete diese Auseinandersetzung? Durch Fusion zur Köln-Düsseldorfer Deutsche Rheinschiffahrt, die als „Köln-Düsseldorfer“ oder kurz „KD“ noch heute erfolgreich auf dem Rhein herumschippert. Fairerweise muss man aber festhalten, dass die DGMN nicht von Düsseldorfer Unternehmern gegründet worden war, sondern nur dank der vorhandenen Anlegemöglichkeiten in die Stadt kam. In den bereits erwähnten Gründerjahren entwickelten sich die Industrien in den beiden Städten wiederum so unterschiedlich, dass es kaum je nennenswerte Wettbewerbssituationen zwischen kölschen und Düsseldorfer Firmen gab. Zumal mit der massiven Aufrüstung im Kaiserreich vor allem ein Unternehmen drastisch anwuchs: die Rheinmetall AG in Düsseldorf. Dies auch dank mehrerer Patente rund um Geschütze und Geschosse.

In Köln profitierte dann erst ab dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges eine Firma vom Rüstungsbedarf: die Motorenwerke Deutz AG. Während man in Düsseldorf Vernichtungsmaschinen baute, lieferte Köln den Antrieb für die erstmals motorisierten Truppen. Beide Städte profitierten über das Kriegsende hinaus vom „Erfolg“ der jeweiligen Rüstungsunternehmen. Wobei Düsseldorf in Relation zu Köln eher ein Schwerindustriestandort war; in der Domstadt widmete man sich eher den Motoren und Maschinen.

Konrad Adenauer vs Robert Lehr
Der Erste Weltkrieg hatte das Kaiserreich zertrümmert, Wilhelm musste ins niederländische Exil, und ab 1919 war das Deutsche Reich eine Republik, allerdings eine immer noch preußisch beherrschte. Klar, dass Köln und Düsseldorf als unsichere Kandidaten im Verbund galten, denn weder die Bevölkerung, noch die Reichen und Mächtigen der Städte hatten je Sympathie für das Preußische an sich. Ganz anders übrigens als die kleineren Niederrheinstädte und ein Großteil des Ruhrgebiets. Noch heute kann man leicht ablesen, wo man die Preußen mochte und wo nicht; wo Sportvereine „Borussia“ heißen oder gar „Preußen“, da hatte man sich mit den östlichen Besatzern angefreundet. Oft war aber auch das Anbiedern an die Preußen eine Möglichkeit, die eigentliche, katholisch geprägte Kultur zu bewahren. Diesen Vereinsnamen wählten ansonsten immer nur die Polizei- und Militärsportvereine – nicht selten auch ganz demonstrativ.

Köln war immer katholisch bis ins Mark deshalb auch absolut anti-preußisch. Und dann wird 1917 ein junger Mann, ein eingeborener Kölner zum Oberbürgermeister gewählt: Konrad Adenauer. Der entstammt einer Beamtenfamilie und engagiert sich schon früh in allerlei katholischen Organisationen. Folgerichtig tritt der 1906 der kreuzkatholischen Zentrumspartei bei und macht zunächst in der Stadtverwaltung Karriere. Als OB von Köln wird er 1918 dann sogar in die Legislative des Preußischen Reiches berufen, bleibt aber trotzdem nach der Novemberrevolution von 1919 im Amt als OB und quasi im Wartestand als Mitglied des Staatsrates. Wenn Adenauer eins war, dann ein Schlitzohr, ein Taktiker, immer auch auf die Wahrung seiner persönlichen Interessen und Vermehrung seines Vermögens bedacht. Vielleicht ist er deswegen das personifizierte Köln.

Ganz anders sein Pendant in Düsseldorf. 1919 wurde dort Emil Köttgen Bürgermeister und mit dem Segen der preußischen Regierung Oberbürgermeister. In den Jahren nach dem Krieg und vor allem nach der Ratifizierung des Versailler Vertrags war das Deutsche Reich zu massiven Reparationsleistungen vor allem an Frankreich und Belgien verpflichtet. Gerade die Franzosen versuchten sich aus dem Ruhrgebiet zu holen, was zu holen war. Davon war dann auch die Schwerindustrie in Düsseldorf betroffen. Und da passierte im Zuge der Ruhrbesetzung folgendes:

Weil Köttgen sich geweigert hatte, eine Bekanntmachung der französischen Besatzungsbehörden zu veröffentlichen, wurde er am 19. Februar 1923 aus der Stadtverordnetenversammlung von einem französischen Gendarmerieoffizier verhaftet und noch am selben Tage aus Düsseldorf ausgewiesen. […] Als alle Bemühungen, von der französischen Militärbehörde die Erlaubnis zur Rückkehr Köttgens zu erlangen, erfolglos blieben, erklärte sich Köttgen bereit, auf sein Amt zu verzichten, um wenigstens als Privatperson nach Düsseldorf zurückkehren zu können.

So wurde der Weg frei für Robert Lehr, einen deutschnationalen Betonkopp, der einmal sagte, seine Vorfahren seien allersamt Offiziere oder Pfarrer gewesen, was er eine gute Mischung nannte. Und damit war ein Konflikt, der sich bis 1953 hinziehen sollte, geboren: hier der gewandte, geschickte Adenauer, da der sture Lehr. Während aber Adenauer mehr daran interessiert war, das Wohlergehen seiner kölschen Sippe wirtschaftlich abzusichern, sorgte Lehr in Düsseldorf auf strunzpreußische Art für Wachstum und Verschönerung. Dank seiner Verbindungen zur Wirtschaft gelang ihm die Ansiedlung wichtiger Werke, und mit der „Gesolei„, der legendären „Große Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen“, die im Oktober 1926 eine Woche lang stattfand, brachte er Düsseldorf so richtig auf die Landkarten in Deutschland und Europa. Für die Ausstellung entstanden Ehrenhof und Rheinterrassen sowie das Messegelände in der Golzheimer Heide.

Natürlich wurden sowohl Adenauer, als auch Lehr 1933 sofort von den Nazis abgesetzt. Sie begegneten sich aber gleich nach dem Zweiten Weltkrieg wieder. Beide als Gründer der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU). Die entstand ja durch das Verschmelzen eigentlich unvereinbarere Richtungen, die gerade durch Adenauer und Lehr repräsentiert werden. Hier die erzkatholische Zentrumspartei, dort die eher protestantisch, aber vor allem militaristisch geprägte Deutschnationale Volkspartei. Lehr wurde Minister in Adenauers Kabinett und war ein glühender Verfechter der Wiederbewaffnung; weil er das aber zu glühend vertrat, wurde er 1953 von Adenauer wieder entlassen.

Landeshauptstadt gegen Adenauers Willen
So langsam nähern wir uns dem Zeitpunkt und dem Anlass für die heute oft übertrieben gezeichnete Rivalität der beiden großen Städte. Am 20. Juli 1946 teilten die britischen Besatzer dem damaligen Düsseldorfer Verwaltungschef Walter Kolb mit, dass Düsseldorf in Bezug auf das soeben geschaffene Bundesland Nordrhein-Westfalen den „Hauptstadtstatus“ habe. Das teile ein paar Tage später der OB Karl Arnold den Ratsmitgliedern mit, die das aber wenig kratzte. Tatsächlich ist Düsseldorf nie per Urkunde „Landeshauptstadt“ geworden; diesen Titel hat man sich ab 1953 selbst verliehen und u.a. in den offiziellen Briefköpfen geführt:

1953 „schmückte“ sich Düsseldorf offiziell mit dem Zusatz „Landeshauptstadt“. Im Sommer dieses Jahres fiel beim Regierungspräsidenten auf, dass die Stadt in ihrem Briefkopf die Bezeichnung „Landeshauptstadt“ führte. Auch Josef Gockeln, Oberbürgermeister von 1947 bis 1956, sprach bereits von der Landeshauptstadt Düsseldorf. Was noch fehlte, war eine offizielle „Genehmigung“. Regierungspräsident Kurt Baurichter, der das Amt von 1947 bis 1967 bekleidete, entschied in einem ersten Schritt, dass man dies einfach „tolerieren“ solle. Erst am 17. September 1986 erhielt Klaus Bungert, Oberbürgermeister von 1974 bis 1979 und 1984 bis 1994, eine Kopie des britischen Memorandums vom 1.August 1946 (Urkunde A 130). Weitere 17 Jahre später – im Jahr 2003 – bestätigte Innenminister Fritz Behrens, dass Düsseldorf offiziell den Beinamen Landeshauptstadt tragen darf. Eine offizielle Ernennungsurkunde oder einen Staatsakt gab es jedoch nie.

Dass es ausgerechnet die Kölner waren, die in Zeitungsartikeln darüber schäumten, dass Düsseldorf Landeshauptstadt von NRW geworden war und diesen Titel auch explizit so verwendeten, ist eine dieser Ironien der Geschichte. Am meisten aber schäumte Konrad Adenauer, der weder darüber informiert war, dass „sein“ Rheinland ausgerechnet mit dem ethnisch völlig andersartigen Westfalen zu einem Bundesland verschmolzen wurde, noch dass die Regierungsgeschäfte von Düsseldorf aus geführt werden sollten. Denn der hatte auf seine kölsch-klüngelige Art ein anderes Spiel im Sinn gehabt. Man muss dazu wissen, dass Adenauer insgeheim nach dem Ende des Ersten Weltkriegs auf den Anschluss des Rheinlandes an die Französische Republik spekuliert hatte – eine Variante, die im antipreußischen Rheinland breite Schichten befürworteten. Ob er untergründig für die Gründung einer Rheinischen Republik eingetreten oder irgendwie darauf hingearbeitet hat, ist historisch umstritten.

Jedenfalls war Adenauer völlig klar, dass „sein“ Rheinland – das für ihn etwa bei Emmerich im Norden begann, das westliche Ruhrgebiet und Teil des Bergischen Landes einschloss und im Süden bis weit hinter Koblenz reichte – Bundesland würde. Und dass dann natürlich Köln Hauptstadt dieser Provinz würde. Weil ihm das so klar war, hatte er bei der Haupstadtfrage der Bundesrepublik seine Heimatstadt gar nicht erst benannt, sondern das für ihn günstig gelegene Bonn protegiert. Und mithilfe von Intrigen, Gerüchten und Winkelzügen sogar durchgesetzt.

Jetzt war Düsseldorf Hauptstadt eines Bundeslandes, dessen Zuschnitt Adenauer zutiefst ablehnte, und Köln war gar nichts. Man sagt, Adenauer habe von diesem Zeitpunkt an einen ziemlichen Widerwillen gegen das – aus seiner Sicht – blöde Kaff nördlich der Dommetropole gepflegt und offizielle Auftritte dort aus diesem Grund auf ein Minimum beschränkt. Es kann gut sein, dass es des Ex-OBs großer Zorn war, der die kölschen Schreiberlinge zu rasenden Attacken auf die neue Hauptstadt trieb. Jedenfalls beherrschte das Thema einige Wochen lang die dortige Presse. Ja, die Kölner waren neidisch auf Düsseldorf – vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte beider Städte.

Im vierten Teil unserer kleinen Serie wird es dann um das Entstehen der Rivalität zwischen Köln und Düsseldorf gehen, um die Konkurrenz beim Fußball und Eishockey, um das bessere Bier, den besseren Karneval und die jeweilige Haltung der Bürger gegenüber dem Nachbarn im Süden bzw. Norden.

Und hier geht es zu den anderen Folgen unserer kleinen Serie:

2 Kommentare

  1. Don Gromo am

    Großartig und vor allem mit einem gehörigen und angenehmen Schuß selbstironie geschrieben.
    Ich fände es super, wenn die gesamte Serie als eBook für nen kleinen Taler erscheinen würde ( so wie es die Ruhrbarone z.T. machen)

    • Rainer Bartel am

      Das mit dem eBook ist eine feine Idee. Das machen wir!