Wer immer ein normales Leben geführt hat, zum Beispiel als Reklamefuzzi, und dann ganz plötzlich nach dem Zweiligaaufstieg eine Liebe zur Fortuna in sich verspürt, der muss ja Auswärtsfahrten exotisch finden. Und weil er eben Reklamefuzzi ist, muss er gleich ein Buch daraus machen. Weil: Auswärts ist uuh, aah, aber sowas von schrähäch. Man kann aber auch einfach immer wieder mitreisen, wenn die jeweilige Fortuna-Mannschaft im Zug einer Saison hier und da in Deutschland antritt. Beispielsweise nach Berlin. Da gibt es Fußballgottseidank nicht nur diesen Scheiß-Deutsche-Bahn-Verpreetzt-Verein, sondern die ziemlich liebe Union mit dem coolen Stadion an der alten Försterei. Wer sich nach einem F95-Imbiss benennt und eben dringend ein Buch machen muss, der wird sich der Exotik des Toilettenwagens hinter der Gästetribüne nicht entziehen können. Genug gelästert. Denn die rund 1.400 Fortuna-Freunde, die sich im Gästeblock versammelten, waren guter Stimmung und gespannt, wie die völlig runderneuerte Truppe sich schlagen würde. Die Erwartungen waren realistisch, der Meckerfaktor niedrig. Und weil UD-Kapo Freddy vorwiegend die bekannten Songs anstimmte und die Antirassisti ein paar Meter weiter immer gern mit einstimmten, kam es sogar zu einem Support fast wie früher…

Ihr höchst ergebener Berichterstatter hatte da schon eine Odyssee durch die Ostberliner Pampa hinter sich. Hatte er sich doch auf eine schöne lage Tramfahrt von Friedrichsfelde Ost bis zur Wuhlheide gefreut, mittendrin zwischen den Unionern, die ja Fremdfans wunderbar anfrotzeln können. Da konnte er auch über die Freiwild-Mützen zweier ziemlich betrunkenen Heimfans hinwegsehen. Auf Höhe Karlshorst gab dann der missmutige Fahrer durch, dass der Zug dort ende, es gäbe einen Oberleitungsschaden. Auskünfte über einen Ersatzverkehr verweigerte er. Als Ihr Ergebener daraufhin nach einem eigenen Weg suchte, waren die Ostberliner alle schon weg. Und das führte zu einem Fünfkilometermarsch durch die Wuhlheide und Eintreffen am Stadion kurz vor Anpfiff. So geht auswärts auch manchmal. Das Leben unterm Gästeblock in der Alten Försterei ist wie Nachhausekommen: das riecht nach Paul-Janes-Stadion, und das Personal an den Bier- und Grillständen ist freundlich und entspannt. Und weil Berlin eben ziemlich weit weg ist, fahren eben auch die ganzen homongetränkten Arschgeigen nicht mit, denen so ein Fußballspiel nur Anlass ist, ihr kleines, armseliges Leben mal kurz aufzupimpen. Man sieht also durchweg bekannte Gesichter und freut sich, nach der Sommerpause wieder unter Gleichen zu sein.

Machen wir uns nichts vor: Was da unten in Schimmelgrün und Lachsfarbe rumturnte, ist auch bloß eine Söldnertruppe wie bei den meisten Vereinen der oberen drei Ligen. Gerade nach dem Abgang vom Lumpi (der in Dresden seinen zweiten Frühling erlebt – was ihm von Herzen gegönnt sei) ist die Sehnsucht der Fortuna nach einem oder mehreren Helden groß. Nur so ist die völlig überschäumende Begeisterung für den späteren Torschützen Didier Ya Konan zu erklären – die natürlich von den verblödeten Schreibfinken des Boulevards gern übernommen wird, weil man mit diesem, ach so exotischen Namen so wunderbare Wortspielchen machen kann. Gern auch jenseits des Banalitätsaquators. Tatsächlich hat sich die Fortuna da aber eine ziemlich spannende Mischung an erfahrenen Haudegen, schwierigen Künstlern und blutjungen Talenten angeschafft. Und recht eigentlich wäre Tormann Rensing der richtige Käpt’n, was er auch beim Gang zu den Fans nach dem Spiel demonstrierte. Denn der Strafraumallergiker war heute der Spielsieger: Drei übergroße Chancen der Unioner entschärfte er allein in Hälfte Zwo – immer ohne seinen Fünfmeterraum zu verlassen. Wenn der noch lernen würde, den gesamten Sechzehner zu beherrschen, würde der auf seinen alten Tage noch Welttorhüter.

kader1516Also, Herr Kramer, in Sachen Torwart Nummer Eins alles richtig gemacht. In Sachen System und Taktik sowieso. Und in punkto Einwechslungen sogar sehr, sehr, sehr. Dass es dem Herrn Bolly nie so richtig gelang, die ihm zugedachte Rolle als Spperspitze zu spielen und es dem wohl auch schon wieder ein wenig im Muskel zwickte, erkannte der Coach und setzte Ihlas Bebou an dessen Stelle. Das ist eine gute Nachricht für die Saison: Zwei sehr ähnliche Spieler, die eine ähnliche Position spielen können. Wobei der Ihlas zwar immer noch sehr filigran aussieht, aber deutlich robuster auftritt als der Herr Bolly. Schauerte für Koch war komisch, aber nach ein wenig Nachdenken nachvollziehbar. Der Herr Koch ist der geborene Regisseur, spricht viel mit seinen Kollegen, macht Gesten und versucht die Jungs vor sich nach seinem Geschmack zu postieren und zu dirigieren. Aber ebensowenig wie der Herr Liendl agierte der Herr Koch fehlerfrei, dafür gab es im Mittelfeld zu wenige Balleroberungen und auch Ballbehauptungen. In der Viererkette ist der Herr Haggui eine Bank, während der Strohdiek bisweilen danebenhaut. Der junge Akpoguma macht seine Sache mehr als solide und hatte die richtige Balance zwischen Defensivkraft und sehenswerten Offensivvorstößen. Beim Herrn Schmitz reichte es dagegen nicht für mehr als solide. Da wären dann noch die Herren Sararer und der Herr Pohjanpalo. Ersterer könnte zum Saisongewinner werden, selbst wenn er gestern nicht annähernd so auffällig agierte wie beim Testspiel gegen Ipswich. Und der blonde Finne wird seine Tore machen, wirkt aber immer mehr wie ein Frendkörper im Team. Kommen wir zum lieben Herrn Ya Konan, der kräftig ackerte, teils im Mittelfeld die Klinge führte, die Seiten wechselte und immer gefährlich war. Allerdings auch manchmal komplett neben dem agierte, was seine Kollegen so vor hatten. Dass er den Ausgleich schoss, belegt, was von ihm zu erhoffen sein kann. Viel mehr aber noch beeidruckte der Herr van Duinen, der eine Viertelstunde vor Schluss für Pohjanpalo kam. Bebou und er waren es, die der F95-Offensive immer mehr Druck erlaubten – der Druck, der einen Punkt eroberte.

Und das kommentierte Aufsichtsratsvorsitzender Marcel Kronenberg zu Recht auf Facebook so: „Vielen Dank Frank Kramer und Trainerteam. Vielen Dank Mannschaft. Es ist schön wieder Zuversicht zu spüren.“ Denn das ist es auch, was die Auswärtsfahrer nach diesem sonnigen Sommersonntagsnachmittag aus Köpenick mitnahmen: ein gutes Gefühl, dass diese runderneuerte Mannschaft tatsächlich eine Mannschaft ist und bleibt. Und das liegt auch daran, dass die erste Mannschaft des TSV Fortuna Düsseldorf 1895 momentan wohl das bestmögliche Trainerteam hat, das man sich auf Liga-2-Niveau überhaupt vorstellen kann. Was dann am Ende der Saison rausspringt, ist unerheblich. Wobei Ihr Ergebener ohnehin nur noch einen einzigen Fortuna-Traum hat: eine Auswärtsfahrt zum DFB-Pokalfinale nach Berlin; gegen wen ist egal.

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