[Achtung: Sehr langes Lesestück] Bis zum Ende des zweiten Weltkriegs gab es auf dem Düsseldorfer Stadtgebiet nur eine einzige Straßenbrücke – und die war zerstört. Die Verbindung zwischen der Altstadt und den linksrheinischen Gebieten widerherzustellen, war in den ersten Friedenstagen eine Aufgabe mit hoher Priorität. Dass wir heute aber insgesamt sechs solcher Verbindungen für den motorisierten Individualverkehr, den ÖPNV sowie Fußgänger und Radfahrer haben, verdanken wir dem Stadtplaner Friedrich Tamms und seiner wahnwitzigen Vision von der autogerechten Stadt. Zu der von ihm angedachten Brückenfamilie zählen die Theodor-Heuss-, die Knie- und die „neue“ Oberkasseler Brücke. Ob die Idee einer Fleher Brücke ebenfalls von ihm stammt, ist ungeklärt, die Flughafenbrücke haben in jedem Fall andere Planer erdacht. Zu den fünf Schrägseilbrücken mit ihren markanten Pylonen kommen dann noch die Südbrücke (offiziell: Josef-Kardinal-Frings-Brücke) und die Hammer Eisenbahnbrücke. In diesem Beitrag wollen wir diese Bauwerke – in der Reihenfolge ihres Alters – vorstellen.

1. Die Hammer Eisenbahnbrücke – neu gebaut an alter Stelle

Die Hammer Eisenbahnbrücke - von der Südbrücke aus fotografiert

Die Hammer Eisenbahnbrücke – von der Südbrücke aus fotografiert

Eine sehr frühe Kindheitserinnerung: Die Tante fährt eine Freundin in Waldniel besuchen und nimmt mich mit. Es wird im Sommer 1957 gewesen sein. Wir sitzen in einem Zugabteil, und draußen wehen die Dampffetzen der Lokomotive vorbei. Dann kommen wir auf eine mächtige, rußig-schwarze Brücke mit vier gewaltigen Bögen. Die Lok pfeift, die Waggons rattern, und ich kann den Rhein sehen – wir haben die alte Hammer Eisenbahnbrücke überquert. Und, ja, diese Brücke ist wirklich sehr, sehr alt. Ihre erste Version wurde am 24. Juli 1870 eröffnet, kurz nach dem Beginn des Deutsch-Französischen Krieges, an dessen Ende die Gründung des Deutschen Kaiserreiches stand.

Konstruktionsdetail der neuen Hammer Eisenbahnbrücke

Konstruktionsdetail der neuen Hammer Eisenbahnbrücke

Tatsächlich fand die Eröffnung ohne Pomp und vorzeitig statt. Die preußischen Generäle hatten nämlich erkannt, dass die Eisenbahn einer Armee entscheidende Vorteile bringen würde. Die ersten Züge, die über die Hammer Eisenbahnbrücke rollten, waren Truppentransporte. Heute erinnern noch die Sicherungstürme an beiden Rheinufern an diese Vergangenheit. Sie dienten nicht dazu, dem Bauwerk mehr Bedeutung zu verschaffen, sondern waren zur militärischen Sicherung gedacht. Auf der Neusser Seite hatte man zusätzlich ein kleines Fort am Deich errichtet, das aber – weil es nicht mehr gebraucht wurde – schon 1885 wieder geschleift wurde.

Google-Map: Hammer Eisenbahnbrücke

Google-Map: Hammer Eisenbahnbrücke

Schon wenige Jahre nach der Gründung der Bergisch-Märkische Eisenbahn-Gesellschaft im Jahr 1843 hatte man begonnen, über eine Rheinquerung nachzudenken. So sollte das geplante Streckennetz, das mit einer Verbindung zwischen (Wuppertal)-Elberfeld und (Düsseldorf)-Gerresheim begonnen hatte, nach Westen und Süden bis nach Mönchengladbach und den Niederlanden bzw. Köln ausgeweitet werden. Im Mai 1868 begannen dann die Arbeiten an der zweigleisigen Brücke mit ihren markanten Halbparabelträgern – nach der Dombrücke in Köln erste die zweite Rheinquerung für die Eisenbahn im gesamten Rheinland. Am 20. November 1869 ereignet sich ein schwerer Unfall, als ein mit Eisenerz beladenes Schiff gegen ein Brückengerüst stößt und einer der vier Bögen einstürzt. Bei diesem Unglück finden 15 Menschen den Tod. Daraufhin werden die Arbeiten über den Winter eingestellt und erst im Frühjahr 1870 fortgesetzt.

Ostseite der Hammer Eisenbahnbrücke mit Brückentürmen (Foto: Hajo Kendelbacher)

Ostseite der Hammer Eisenbahnbrücke mit Brückentürmen (Foto: Hajo Kendelbacher)

Schon in den Neunzigerjahren des 19. Jahrhunderts musste das Bauwerk aufwändig saniert werden, und zu dieser Zeit wurde auch deutlich, dass die Kapazität nicht mehr ausreichte. Also wurde zwischen 1909 und 1911 eine zweite Brücke, von der Konstruktion her ein Zwilling der ersten, errichtet. Nun standen dem stark angewachsenen Verkehr vier Gleise zur Verfügung. Dabei war es vor allem der extrem angewachsene Güterverkehr auf der Schiene, der die Erweiterung nötig machte. Fernlinien des Personenverkehrs verliefen nicht über die Hammer Eisenbahnbrücke. Wie beinahe alle Rheinbrücken in unserer Region wurde auch dieses Bauwerk in den letzten Monaten des zweiten Weltkriegs von Pionieren der Wehrmacht gesprengt. Dabei wurde die südliche Brücke sehr viel stärker beschädigt als ihr Pendant. Also nutzte man zur Sanierung der nördlichen Brücke ganze Baugruppen des Zwillings und schaffte es, dass eine zweigleisige Hammer Eisenbahnbrücke schon am 31. Juli 1946 wieder in Betrieb genommen werden konnte. Die Reste der südlichen Brücke blieben als Ruinen an beiden Ufern bzw. im Fluss stehen.

Abriss der Vorlandbrücken der südlichen Eisenbahnbrücke als Vorbereitung für den Neubau (Foto: WDR Digit)

Abriss der Vorlandbrücken der südlichen Eisenbahnbrücke als Vorbereitung für den Neubau (Foto: WDR Digit)

Erneut überwog die Nutzung durch den Güterverkehr bei weitem das Aufkommen der Personenzüge – nach wie vor ratterten nur Bummelzüge über die Brücke: Man kam so von Wuppertal und Düsseldorf aus bis nach Mönchengladbach, Aachen und Venlo. In den frühen Sechzigerjahren wurde die Strecke elektrifiziert, und mit dem Start der S-Bahn im Rhein-Ruhr-Gebiet 1968 war bereits vorgezeichnet, dass es irgendwann auch eine West-Ost-Strecke geben würde. Klar war außerdem, dass die alte Hammer Eisenbahnbrücke dem Taktverkehr einer S-Bahn als zusätzlicher Belastung neben dem starken Verkehr der Güterzüge nicht standhalten würde. Eine neue, moderne und viergleisige Brücke musste her. Errichtet wurde sie dort, wo zuvor die Ruinen der südlichen Brücke zu finden waren; der Verkehr über die nördliche Brücke blieb die ganze Bauzeit über unbeeinträchtigt. Zur Konstruktion der neuen Hammer Eisenbahnbrücke heißt es auf Wikipedia:

Die zweifeldrige Strombrücke ist im Hauptfeld eine 250 Meter lange Stabbogenbrücke mit einem Fachwerkversteifungsträger, im Randfeld besitzt die Fachwerkkonstruktion eine Stützweite von 135 Meter. Das Bauwerk soll in dieser Formgebung an die historische Konstruktion erinnern. Die Brücke ist so konstruiert, dass sich zwei Gleise innerhalb der Fachwerkkonstruktion befinden und jeweils ein Gleis beidseitig außerhalb des Fachwerks. Die 9.000 Tonnen schwere Konstruktion ist komplett geschweißt. Die Brücke wurde aus ihren bis zu 100 Tonnen schweren Einzelteilen auf einem Montageplatz auf Düsseldorfer Seite montiert und mit dem Einschubverfahren fertiggestellt. [Quelle: Wikipedia]

Das Vereinsheim der Bergischen Lehnsritter in den Hammer Brückentürmen (Foto: Bergische Lehnsritter e.V.)

Das Vereinsheim der Bergischen Lehnsritter in den Hammer Brückentürmen (Foto: Bergische Lehnsritter e.V.)

Natürlich ist die neue Brücke wieder mit vier Gleisen ausgestattet, von denen zwei innerhalb des Fachwerkträgers verlaufen und zwei außerhalb. Begonnen hatte man im Frühjahr 1984, im Sommer 1987 wurde die neue Brücke eingeweiht, und man begann mit dem vollständigen Abbau der alten Stahlkonstruktion und der Vorlandbrücken; lediglich die Brückentürme ließ man als Denkmäler stehen. Während der Turm auf der Neusser Seite zugemauert ist und nicht genutzt wird, hat der Mittelalter-Club Bergische Lehnsritter sein Vereinsheim in den Brückentürmen in Hamm eingerichtet.

2. Die Oberkasseler Brücke, das Ding mit der Schiebung

Als die Oberkasseler Brücke an ihren richtigen Platz geschoben wurde

Als die Oberkasseler Brücke an ihren richtigen Platz geschoben wurde

Die Oberkasseler Brücke in Düsseldorf ist in jeder Beziehung etwas Besonders. Sie wurde zwischen 1969 und 1973 neben der bestehenden alten Brücke gebaut und im April 1976 an ihre „richtige“ Position verschoben – ein bis dahin einmaliger Vorgang, der weltweit Beachtung erfuhr.

Am 07.04.1976 begann man, die neu gebaute Oberkasseler Brücke an ihre endgültige Position zu verschieben. Man hatte das neue Mitglied der Düsseldorfer Brückenfamilie 47,5 Meter stromaufwärts errichtet und die alten Kastenbrücke zunächst bestehen lassen. Als die neue Brücke fertig war, wurde sie zunächst provisorisch in Betrieb genommen; auf beiden Seiten machte die Straße einen Schlenker. Nach dem die eigentlich auch nur provisorische Brücke abgerissen war, sollte die neue nun wieder in einer Flucht mit der Luegallee liegen. Mit hydraulischen Pressen wurde das Riesending mit einer Geschwindigkeit von weniger als einem Meter pro Stunde verschoben; die Aktion dauerte mehr als zwei Tage. Unser Autor erzählt:

Zu der Zeit war ich Mitglied im Studentenparlament der Kunstakademie Düsseldorf. Die Aktion fand also vor der Haustür statt. In jenen Tagen gab es mal wieder Streit mit dem Wissenschaftsministerium, das damals von Johannes Rau geführt wurde. Der hatte sich die Kunststudenten mit der Suspendierung von Joseph Beuys zu Feinden gemacht und unterstütze einige Professoren bei dem Versuch, die studentische Selbstverwaltung einzuschränken. Passend zum Anlass malten wir deshalb ein großes Transparent und hängten es an der Nordfassade aus. Der (zugegeben blöde) Spruch lautete: „Dort wird die Brücke verrückt, hier Demokratie unterdrückt“.
Das Bild der alten Oberkasseler Brücke ist ein Bild meiner Kindheit und untrennbar mit der Großen Düsseldorfer Kirmes verbunden. Denn das große Volksfest auf den Oberkasseler Rheinwiesen war für uns der einzige Anlass die Brücke zu Fuß zu überqueren. Dagegen bin ich viele Male mit der K-Bahn darüber gefahren, also der Straßenbahn, die von Düsseldorf aus bis nach Krefeld fuhr. Dort lebte das Ehepaar Jäger, alteingesessene Krefelder Wirtsleute, mit denen mein Vater eng befreundet war. Aber das ist wieder eine andere Geschichte…

Diese alte Brücke war 1948 als Provisorium errichtet worden, nachdem die vorherige Behelfslösung, eine schwimmende Pontonbrücke, durch Eisgang und eine Schiffskollision zerstört worden war. Man hatte eine schwere Eisenkastenkonstruktion auf die Fundamente der alten Oberkasseler Brücke von 1898 gelegt. Das ergab eine kaum zweispurige Verbindung in einem dunklen Kasten, der dröhnte und schwankte, wenn die Straßenbahn (eingleisig!) darauf fuhr. Es hieß damals immer, die Schützen dürften nicht im Gleichschritt darüber marschieren, denn sonst würden die Schwingungen das Ding zum Einsturz bringen.

Natürlich war das Provisorium ein schlimmes Nadelöhr und bis 1957, als die Nordbrücke zwischen Derendorf und Lörick eröffnet wurde, die einzige Brückenverbindung zwischen den rechts- und linksrheinischen Stadtteilen. Tatsächlich hat die neue Oberkasseler Brücke aber die Rheinseiten der Stadt stark aneinander gerückt. Denn plötzlich waren die netten Kneipen Oberkassels eine echte Alternative zur Altstadt. Endlich konnte auch die Rheinbahn zweigleisig fahren, und der Autoverkehr nahm ganz neue Dimensionen an. Ob aber der ganze Aufwand mit seinen enormen Kosten gerechtfertigt war, ist ungewiss. Merkwürdigerweise ist danach nirgendwo auf der Welt wieder eine Brücke in Querrichtung an ihre endgültige Position verschoben worden. Es wird Gründe dafür geben.

3. Die Südbrücke – Verbindung nach Neuss

Die Südbrücke aka Josef-Kardinal-Frings-Brücke im Gegenlicht

Die Südbrücke aka Josef-Kardinal-Frings-Brücke im Gegenlicht

Die Düsseldorfer werden sich wohl nie an diesen Namen gewöhnen. Schließlich haben sie sich auch nie an den offiziellen Namen gewöhnt: Rheinbrücke Düsseldorf-Neuss. Und auch zwölf Jahre nach der Umbenennung sagt am rechten Ufer niemand „Josef-Kardinal-Frings-Brücke„. Angeregt und durchgesetzt wurde dieser Name natürlich vom gut katholischen Neuss. Und auch wenn dieser langjährige Erzbischof von Köln in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg im Rheinland eine durchaus populäre Persönlichkeit war, verbindet die Düsseldorfer wenig mit ihm. Also sagt man immer noch „Ich fahre über die Südbrücke“ – und das gilt auch für die Mehrheit der Neusser. Gebaut wurde diese Stahlhohlkastenbrücke 1950/51; eröffnet wurde sie am 17. November 1951.

Google-Map: Josef-Kardinal-Frings-Brücke

Google-Map: Josef-Kardinal-Frings-Brücke

Nach der Fertigstellung war sie erst die zweite Brücke auf Düsseldorfer Stadtgebiet. Dabei ersetzte sie die an dieser Stelle 1929 eröffnete Brücke für die Reichsstraße 1, die längste Ost-West-Verbindung Deutschlands, die von Aachen bis zur Nordgrenze Ostpreußens reichte. Und die verfügte schon, eine echte Innovation für die damalige Zeit, über Straßenbahngleise, sodass man bereits in den Dreißigerjahren mit der Straßenbahn von Düsseldorf nach Neuss fahren konnte. Zum Ende des zweiten Weltkriegs hatte die Führung des NS-Regimes eine Taktik der „verbrannten Erde“ ausgerufen, und so wurde die alte Südbrücke – wie Dutzende anderer Rheinbrücken auch – am 3. März 1945 von einer Einsatztruppe der Wehrmacht gesprengt; man wollte so den Vormarsch der alliierten Truppen aufhalten.

Die zerstörte Vorgängerin der Südbrücke

Die zerstörte Vorgängerin der Südbrücke

Für den Fernverkehr auf der jetzt als B1 zur Bundesstraße gemachten Reichsstraße 1 war diese Brücke aber von erheblicher Bedeutung, sodass ein Neubau an alter Stelle höchste Priorität hatte. Zumal sie auch als Verbindung zwischen der links- und der rechtsrheinischen Autobahn wichtig wurde. Deshalb wurde die B1 in Düsseldorf mit dem Südring zum Werstener Kreuz weitergeführt. Da die Südbrücke nach der wachsenden Umzugsbewegung von Düsseldorfern in die niederrheinischen Örtchen zu einem der am stärksten genutzten Tore für Pendler wurde, war sie bis zum Bau der Fleher Brücke chronisch überlastet, ein echtes Nadelöhr.

Blick in die Stahlkonstruktion der Südbrücke

Blick in die Stahlkonstruktion der Südbrücke

Aber die ausgesprochen robuste Konstruktion aus geschweißten Stahlkästen hat der enormen Belastung immer standgehalten, und durch die regelmäßige Wartung hat man die Südbrücke eigentlich immer in einem guten Zustand halten können. Zur Düsseldorfer Brückenfamilie zählt sie natürlich nicht – dafür fehlen ihr die Merkmale einer Schrägseilbrücke, und außerdem hat sie die falsche Farbe. Auch wenn es sich beim Anstrich nicht um das berühmte Kölner Brückengrün handelt, passt die Josef-Kardinal-Frings-Brücke doch eher nach Köln. Das mag auch der Grund sein, weshalb viele Düsseldorfer die Südbrücke eher Neuss zuordnen als ihrer Heimatstadt.

Übrigens: In Sachen Brückenname bahnt sich eine Lösung an; immer mehr Neubürger nennen die Südbrücke nach den Initialen des Namensgebers schon JKF-Brücke. Das erinnert an JFK, also an die diversen John-F.-Kennedy-Brücken im In- und Ausland und gibt dem eher unspektakulären Bauwerk internationales Flair.

4. Die Theodor-Heuss-Brücke – Haltbarkeitsdatum fast überschritten

Theodor-Heuss-Brücke - Verbindung zwischen Golzheim und Lörick

Theodor-Heuss-Brücke – Verbindung zwischen Golzheim und Lörick

Hartnäckig hält sich die Legende, dass ein Kleinflugzeug in das noch unfertige Bauwerk, das zunächst Nordbrücke hieß und ab 1963 Theodor-Heuss-Brücke benannt wurde, geflogen und abgestürzt sei. Tatsächlich ereignete sich im September 1957 während der Bauarbeiten ein Unfall, bei dem ein rund 330 Tonnen wiegendes Teil der Brückenkonstruktion in den Rhein fiel. Ursache war aber kein Flugzeugabsturz, sondern ein Montagefehler. Zum Glück gab es nur einen Leichtverletzten, und es kam nur zu einer geringen Verzögerung im Zeitplan. So entstand die erste Schrägseilbrücke Deutschlands, erdacht und geplant von Prof. Friedrich Tamms. Der in der NS-Zeit erfolgreich gewordene Architekt war in den Fünfzigerjahren oberste Stadtplaner Düsseldorfs und setzte seine Vision einer autogerechten Stadt rigoros durch. Berühmt wurde er aber vor allem als Vater der Düsseldorfer Brückenfamilie, zu der neben der Theodor-Heuss- die Rheinknie- und der Neubau der Oberkasseler Brücke zählt. Zusammen haben diese Bauwerke das Panorama der nordrhein-westfälischen Hauptstadt entscheidend geprägt.

Stahlkästen beim Bau der Brücke

Stahlkästen beim Bau der Brücke

Dass die Nordbrücke als erste errichtet wurde, hat damit zu tun, dass Bund und Land an dieser West-Ost-Autoverbindung großes Interesse hatten und ihre Fördermittel entsprechend angeboten hatten. Wie in allen anderen Großstädten am Rhein gab es bis dahin auch in Düsseldorf nur die eine Brücke für den innerstädtischen Verkehr über den Rhein; wer vor 1959 mit Pkw oder Lkw über den Rhein wollte, um weiter Richtung Niederlande westwärts zu gelangen, war gezwungen, die nach dem Krieg wiederaufgebaute Oberkasseler Brücke zu benutzen, um sich dann durch die linksrheinischen Stadtteile zu quälen. Die Verbindung geht auf die Fernverkehrsstraße bzw. Reichsstraße 7 zurück, die von der niederländischen Grenze bis nach Dresden führte.

Nach dem zweiten Weltkrieg begann in der Bundesrepublik die Ära des Autobahnbaus nach dem Konzept, die Großstädte und Ballungsräume mit reinen, vierspurigen Autofahrstraßen zu verbinden, die aber jeweils um die Orte herum oder an ihnen vorbei geführt werden sollten – dies im Unterschied zu den meisten anderen Ländern, in denen Highways und ähnliche Fernstraßen an den jeweiligen Stadtgrenzen enden. Das Konzept selbst stammt aus den Dreißigerjahren, an dessen Entwicklung war Prof. Tamms von 1935 bis 1939 als beratender Architekt und später unter Albert Speer maßgeblich beteiligt. In seiner Position in Düsseldorf sah er die Chance, die während der NS-Zeit begonnene Entwicklung in die Praxis umzusetzen und zudem an der Realisierung einer autogerechten Stadt mitzuwirken.

Google-Map: Theodor-Heuss-Brücke samt Anbindungen

Google-Map: Theodor-Heuss-Brücke samt Anbindungen

Die Idee – tatsächlich ab den Sechzigerjahren in Köln verwirklicht – war, die Stadt mit einem Autobahnring zu umschließen, die über sogenannte „Zubringer“ mit dem innerstädtischen Straßennetz verbunden sind. Die Theodor-Heuss-Brücke war – genau wie die später entstandene Rheinkniebrücke – Teil des Zubringersystems und sollte die A3 über die B7 mit den geplanten linksrheinischen Autobahnen in Richtung Niederlande, Niederrhein und Köln verbinden. Gleichzeitig wurde die südliche Variante geplant, bei der die B1 und die B8 über den Rhein geführt wurden. Ob ein innerstädtischer Autobahnring à la Boulevard Périphérique daraus wachsen sollte, ist unklar und nicht mehr nachzuvollziehen. Stattdessen entstand der sogenannte „Lastring“, der die Innenstadt östlich umspannt und vom „Mörsenbroicher Ei“ im Norden bis zum Südring und damit zur ehemaligen Südbrücke führt, die heute Josef-Kardinal-Frings-Brücke heißt.

Die Auffahrt zur Brücke auf dem rechten Rheinufer

Die Auffahrt zur Brücke auf dem rechten Rheinufer

Tamms war aber nicht nur Verkehrsplaner, sondern auch Architekt mit hochmodernen ästhetischen Vorstellungen – die so gar nicht zu dem passen, was er unter Speer für den Umbau Berlins in die neue Superhauptstadt Germania zu planen hatte. Elegant und leicht sollte sie werden, die Nordbrücke, und so wurde ein Wettbewerb für eine Schrägseilbrücke ausgeschrieben. Von diesem Typ gab es bis dahin nur die 1956 eingeweihte Strömsundbrücke in Schweden. Als Schrägkettenbrücke ist diese Bauform dagegen schon seit dem siebzehnten Jahrhundert bekannt: Das Brückendeck hängt an Ketten, die von der Spitze von Pylonen schräg nach außen verlaufen. Der Fortschritt im Metallbau und auch in der Technik der Tragwerkberechnung machte es nun möglich, relativ schlanke Pfeiler und vergleichsweise filigrane Stahlseile zu verwenden.

Aus rein ästhetischen Gründen bestand Tamms nun darauf, dass die Tragseile der vier Pfeiler nicht in Bündeln von den Spitzen aus verspannt werden sollten, sondern parallel zueinander an verschiedenen Punkten der Pylonen befestigt sein sollten. Auch die anthrazitgraue Lackierung mit den weißen Streifen außen an den Brückenkörpern war ihm als optisches Merkmal wichtig. Technisch interessant ist aber nicht nur die eigentliche Brücke, sondern auch die Vorflutbrücken mit ihren Rampen und vor allem die spiralförmigen Aufgänge am rechten Rheinufer. Im Gegensatz zur Rheinkniebrücke, deren Rampen rechtsrheinisch eine harte Schneise durch ein Wohngebiet schlägt, führten die Rampen auf dem rechten Ufer des Flusses während des Baus und einige Zeit danach durch wenig genutztes Gelände und mündete in die Heinrichstraße, die zwischen den Fabriken von Rheinmetall und DKW (später Mercedes-Benz) hindurchführte.

Die Nordbrücke im Winter 1963

Die Nordbrücke im Winter 1963

Bis vor wenigen Jahren hieß das Bauwerk bei eingesessenen Düsseldorfern immer noch Nordbrücke, und manche älteren Einwohner erinnern sich noch gut an die spannenden Bauarbeiten; so stand das Stück östlicher Rampe, das heute die Kaiserswerther Straße überquert, einige Zeit als Monolith ganz allein da. Auch die Vorflutbrücke auf Löricker Seite war bereits fertiggestellt als die Arbeiten an den Fundamenten für die Pylonen erst begannen. Diese stehen auf massiven Betonkonstruktionen, die ohne den Einsatz von Tauchkästen jeweils an Land errichtet wurden. Die Träger der Rampen bzw. der Vorflutbrücke sind mit diesen Fundamenten optisch identisch.

Die Theodor-Heuss-Brücke ist fast 60 Jahre nach ihrer Einweihung einigermaßen in die Jahre gekommen. So ergaben Untersuchungen, sie sei in ihrer Stabilität eingeschränkt, deshalb werde sie für Lkw mit einem Gewicht von 30 Tonnen und mehr gesperrt. Ohne diese Maßnahme sei das Bauwerk sogar einsturzgefährdet. Die Ursache ist schnell beschrieben: Alle nach dem zweiten Weltkrieg errichteten Hängebrücken waren nicht auf die extreme Belastung durch den Lkw-Verkehr ausgerichtet. Dass die Mängel seit einigen Jahren so deutlich zu Tage treten, hat damit zu tun, dass das Bundesamt für das Straßenwesen (BASt) im Jahre 2010 eine Richtlinie zur Nachrechnung von Brücken im Bestand aufgestellt und eine Liste der zu prüfenden und möglicherweise zu ertüchtigen Brückenbauwerk herausgegeben hat. Im Zuge dieser Anordnung wurden natürlich auch die Brückenbauwerke zwischen Köln und Duisburg untersucht.

Entwurf für den Neubau einer Doppelbrücke der A1 (Quelle: www.strassen.nrw.de)

Entwurf für den Neubau einer Doppelbrücke der A1 (Quelle: www.strassen.nrw.de)

Folge war beispielsweise die Sperrung der Leverkusener A1-Brücke für den Schwerlastverkehr und letztlich der Beschluss, dieses Bauwerk abzureißen und durch eine neue Brücke zu ersetzen. Dasselbe Schicksal droht jetzt der Theodor-Heuss-Brücke in Düsseldorf – und zwar aus demselben Grund. Bei der Autobahnbrücke ging man bei der Eröffnung im Jahr 1965 von maximal 40.000 Fahrzeugen pro Tag aus; 1990 waren es aber 120.000 Autos täglich, darunter rund 15.000 Lastwagen. Die Theodor-Heuss-Brücke, die 1957 für den Verkehr freigegeben wurde, war ursprünglich auf 15.000 Überquerungen ausgelegt. Bis zum Jahr 2000 war die Zahl aber auf um die 100.000 angewachsen, der Lkw-Anteil lag bei rund 10 Prozent. Die Eröffnung der Flughafenbrücke im Norden der Stadt führte glücklicherweise zu einer spürbaren Entlastung.

Aber die 45 Jahre andauernde Belastung der ersten Schrägseilbrücke Deutschlands mit ihren vier Pylonen durch schwere Lastwagen hatten schon ihre Spuren hinterlassen. Ursache ist auch, dass die Lkw seit den Fünfzigerjahren immer schwerer geworden sind. Galten damals Laster mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 18 Tonnen bereits als „schwer“, sind im Fernverkehr heute 30- und 40-Tonner die Regel. Weil Hängebrücken aber konstruktionsbedingt in sich flexibel sind, löst jede Überquerung durch derart schwere Lkw Schwingungen aus – die Fußgänger, die auf der Brücke unterwegs sind, durchaus wahrnehmen. Wie jedes elastische Element kann auch eine solche Konstruktion „ausleiern“, das verwendete Material wird mürbe.

So wurde bei den Untersuchungen der Theodor-Heuss-Brücke eine deutliche Materialermüdung festgestellt, die zu Rissen und damit zu ernsthaften – wie sie der Fachmann nennt – „Traglastdefiziten“ führt. Um den Zustand nicht zu verschlechtern, wurde jetzt das Fahrverbot für Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 30 Tonnen und mehr verhängt; auch, um Zeit für exaktere Messungen durch Dehnungsstreifen zu ermöglichen, an denen man das „Ausleiern“ sehr exakt feststellen kann. Erst nach einer gewissen Zeit und der Analyse der Resultate kann entschieden werden, ob die Theodor-Heuss-Brücke überhaupt saniert werden kann oder ob sie abgerissen und ersetzt werden muss. Das wird frühestens Ende 2020 feststehen.

[Foto „Fahrradauffahrten“: Edgar EL via Panoramio und Wikimedia unter der CC-Lizenz „Namensnennung 3.0 nicht portiert“; Foto „Winter 1963“: Andreas Schwarzkopf via Wikimedia unter der CC-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“; ]

2 Kommentare

  1. Karl-Heinz Konzelmann am

    Guten Tag Rainer,
    heute bin ich mal wieder beim The Düsseldorfer gelandet, als ich nach Rheingeschichten suchte. Die Düsseldorfer Rheinbrücken sind dabei ebenfalls ein Thema. Du hast wunderbarer Weise die Brücken der weiteren Umgebung beschrieben. Bei der Oberkasseler Brücke vermisse ich aber ein Bild der provisorischen Brücke nach 1948, an deren Ansicht wir uns so gewöhnt hatten. Und ein Bild der Vorgängerbrücke wäre ebenfalls schön gewesen.
    Mein Vater hat 1950/51 am Wiederaufbau der Südbrücke mitgearbeitet. Er war bei der Firma Gollnow als Werkmeister angestellt. Deswegen ist sie wohl auch so haltbar.

    Herzliche Grüße von Deinem Leibniz-Mitschüler ABI70

    • Günther A. Classen am

      „Mein Vater hat 1950/51 am Wiederaufbau der Südbrücke mitgearbeitet. Er war bei der Firma Gollnow als Werkmeister angestellt. Deswegen ist sie wohl auch so haltbar.“

      An einem generationsübergreifendem Selbstbewusstsein scheint es Ihnen bzw. in Ihrer Familie nun offensichtlich nicht gerade zu mangeln. Auch wenn damit die Grenze der Peinlichkeit nicht nur mehr tangiert werden dürfte.

      Nichts gegen das Lebenswerk Ihres Vaters …….

      Das erinnert aber eben ein wenig an unser aller ehrgeizigen Ministerpräident Armin Laschet, der sich ernsthaft damit öffentlich aufzuwerten versuchte, indem er seine Familienhistorie bis auf Karl den Großen zusammen zu schustern versuchte.

      Welchen sittlichen Nährwert eine solche Genealogie über – mögliche – zwölf Jahrhunderte für eine potentielle Kanzlerschaft in sich bergen sollte, bleibt mir zumindest schleierhaft. Schließlich hat erfahrungsgemäß zeitnah häufig bereits die direkt auf jedwede Berühmtheit folgende Generation nicht das Geringste an Genialität vorzuweisen, bisweilen Null Kompetenz und/oder das elterliche Riesenvermögen sogar noch bis weit unter Null verplempern.

      Unabhängig davon wäre es sicher mit reichlich Ehrgeiz und ein wenig Mathematik für jede/n von uns ein Leichtes, (s)eine/ihre mehr oder weniger direkte Nachkommenschaft zum Carolus Magnus zu konzipieren, ganz unabhängig von der Karl nachgesagten Fruchtbarkeit, sondern einfach mittels Logarithmus.
      http://www-hm.ma.tum.de/ws1213/lba1/erg/erg07.

      Auch ich bin auf meine längst verstorbenen Eltern sehr stolz, gehe damit jedoch nicht öffentlich hausieren, sondern nehme beide ganz privat für mich ein Stück als Vorbild.

      Allerdünx hat Ihr Vater letztlich nach Ihrer Aussage an der „Neusser Brücke“ ehedem lediglich als „Werkmeister mitgebaut“. Daraus nassfrosch zu schlussfolgern, dass das Teil allein „deswegen (…) wohl auch so haltbar“ ist, bekommt dann schon ein ziemliches Geschmäckle.

      Bezüglich der Haltbarkeit der Josef-Kardinal-Frings-Brücke gebe ich Ihnen jedoch unumwunden recht, unabhängig von meiner überaus kritischen Haltung zu Kölner Kardinälen und Erzbischöfen spätestens von 1942 bis heute, inklusive Siegfried von Westerburg. Letzteres gehört substantiell zur Düsseldorfer DNA.

      Ach, so ja: https://www.youtube.com/watch?v=66smY7VOKs0
      Der musste jetzt aber unbedingt noch sein.