Es gehört ja zur Folklore aller, die sich irgendwie für alles, bloß nicht rechts fühlen, eine Band namens „Böhse Onkelz“ total abzulehnen, weil die ja irgendwie rechts ist. Oder war. Oder so. Und wer also auf diese irgendwie rechte Band steht, ist in der Logik der moralischen Mehrheit auch rechts. Nun will aber niemand rechts sein, nicht einmal die Faschos selbst. Und selbst der rassereine Nazis will umhitlerswillen bloß nicht Nazi genannt werden. Denn das klingt scheiße, so nach Konzentrationslager und Massenvernichtung. Die indifferente Masse der Unterprivilegierten ahnt das und will aber so was von auf gar keinen Fall mit den Nazis in einen Pott geworfen werden. Kann man auch verstehen. Bloß weil einer die Demokratie nicht kapiert und dank des herrschenden Wirtschaftssystems den Kopp kaum über Wasser halten kann, ist der noch lange nicht Nazis. Womit wir wieder bei der besagten Band sind.

Denn deren Fanz sind mehrheitlich Verlierer der Gesellschaft. Und denen reden diese verantwortungslosen Rockmusikerimitate seit Jahrzehnten nach dem Maul. Als die Unterschicht Türken allgemein scheiße fand, sangen sie von rasierten Türkenf***en und überhaupt darüber, dass der Türke dieses und jenes. Nun kamen sie aber bei sich verändernden Migrantensorten nicht mehr mit dem haten nach, hatten auch ein bisschen Ärger mit der Zensur und zogen sich in die bräunliche Schmollecke zurück. Und begannen von sich zu behaupten, sie würden stellvertretend für ihre Fanz ans Kreuz der moralisch-politischen Korrekten gehämmert. Ein Typ wie dieser Amokfahrer mit der aufgedunsenen Visage verlor quasi stellvertretend für diese Anhänger den Verstand. Und das alles ist bitterernst. Die Lage ist ernst, da wird nicht gescherzt, da muss eimerweise Pathos her. Im Grunde tun sich die Onkelz und ihre Verfolger vor allem selbst leid. Nur dass die da oben auf der Bühne mit dieser Attitüde Tonnen von Kohle machen, die sich die da unter vom Hartz IV absparen müssen. Mit Politik gleich welcher Art hat das erst mal nichts zu tun.

keulen2Es gibt genug Gründe, die Onkelz scheiße zu finden: Da ist erstens die Minusmusik, die sich aus dumpfen Beats und geklauten Riffs speist, und zweitens diese Lyrik, die sich anhört wie aus dem Poesiealbum der Betonfraktion geklöppelt. Das ist beides dermaßen banal, dass man froh sein kann, dass dieses Zeuch nicht im Radio kommt. Und, nein, nicht weil die Texte irgendwie, ähem, rechts oder so sind. Sind sie nämlich schon lange, lange nicht. Sie sind viel gefährlicher, weil sie Werte propagieren, die durch und durch demokratiefeindlich sind: pro Führerprinzip, pro Gewalt als Konfliktlösung, pro Männerbündelei, anti Politik als solche und so weiter. Wer diesen Scheiß für richtig hält, geht nicht wählen, hasst „die Politiker“ und wartet auf starke Führer, die dafür sorgen, dass sein bisschen Leben besser wird. Okay, das ist vermutlich rechts, aber eigentlich nicht rechtsradikal oder rechtsextrem. Deswegen sind weder diese Kommerzschockrocker, noch ihre Nachläufer Nazis.

Wie ja überhaupt nicht alle Menschen, die weder kapitalismuskritisch oder – feindlich, noch wirtschaftsliberal sind, gleich Nazis sind. Also: Nicht jeder, der sich zumindest gefühlsmäßig rechts von der (spieß)bürgerlichen Mitte sieht, ist ein Nazi und/oder ein Faschist. Übrigens: Nicht jeder Patriot ist gleich ein Nationalist, und nicht einmal jeder Nationalist ist sofort ein Nazi. Hört sich verrückt an, ist aber so.

Nur, je mehr und öfter man die indifferenten Rechtsfühler mit der Nazikeule kloppt, desto mehr drängt man sie in genau diese Ecke. Mit jedem Nazi-Vergleich macht man neue Nazis. Und stabilisiert damit das durch und durch unpolitische Rechts-Links-Schema. Denn darum drehen sich die Konflikte in unserer Gesellschaft gar nicht. Lasst uns nicht nur aufhören, bei jeder Gelegenheit die Nazi-Keule zu schwingen, lasst uns auch aufhören, ständig von „Nazis“ und „Faschos“ zu reden, wo wir doch meistens Rassisten meinen und Sexisten, Chauvinisten und Revanchisten. Also Leute, die NICHT glauben, dass alle Menschen von Geburt her gleich sind und Anspruch auf dieselben Rechte haben, unabhängig vom Geschlecht, von der ethnischen, kulturellen und religiösen Herkunft und schon gar von solchen Nebensächlichkeiten wie die Hautfarbe. Böhse sind Rassisten, Sexisten und Chauvinisten, weil sie allen, die nicht sind wie sie – also in sexueller, ethnischer, kultureller und/oder religiöser Hinsicht – das Leben auf die eine oder andere Art schwer machen und/oder diese physisch und/oder psychisch angreifen, verletzen und/oder töten.

Nazis und Faschos sind aber nur diejenigen, die aktiv auf eine Veränderung der Gesellschaftsordnung in Richtung Rassismus, Sexismus, Chauvinismus und Revanchismus betreiben. Bei denen hilft die Nazi-Keule aber nichts. Nun kann man gern argumentieren, die rechtsfühlenden Mitläufer würden denen den Boden bereiten, die für die Abschaffung von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit seien. Dem aber widerspricht die geschichtliche Realität der Bundesrepublik Deutschland, in der aktive Nazis nie mehr als ein Prozent der Bevölkerung ausgemacht haben und sich nie mehr als knapp acht, neun Prozent mit ihnen solidarisiert haben.

Ein Kommentar

  1. Schöne Analyse der „Musik“ von den Onkelz. Der Musiker Olli Schulz hat dies ziemlich ähnlich auf seine eigene, unnachahmliche Art vor Jahren in einer Talkshow kurz und knapp auf den Punkt gebracht.

    https://youtu.be/9oWmyq1Q5gY?t=111