Bericht · „Er hat mir meinen Laptop repariert, nachdem mehrere Händler das Ganze als unreparierbar deklariert haben! Ein Fall für die Tonne! Mit Ersatzteilen aus Altgeräten hat er das Ganze wieder hinbekommen.“ Jochen lacht zufrieden. „Er läuft wie eine Eins. Sieht aus wie neu!“ Nachdenklich fährt er fort: „Eine erstaunliche Begegnung. Im wahrsten Sinne des Wortes.“ Samer sei Syrer und auf dem Gebiet der Elektronik ein Zauberer. Aber nicht nur das. Er habe eine Erfindung gemacht und dafür ein Patent angemeldet. [Lesezeit ca. 4 min]

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„Es geht um Käfer, die sich in Palmen bohren und riesigen Schaden anrichten. Er behauptet, sie stoppen zu können. Ganz ohne Chemie. Richtig verstanden habe ich das allerdings nicht.“ Ein paar Tage später habe ich Samer am Telefon. Er kann zwar kein Deutsch, dafür aber fließend Englisch und versteht sofort, was ich will. Ja, ein Interview, das würde er gerne machen. Er habe vielleicht noch ein anderes Thema, über das es sich wirklich zu reden lohne.

Unreparierbar? Nicht für Samer!

Einzig die Festlegung des Treffpunktes entpuppt sich als Problem. Einen bereits vereinbarten Termin muss er kurzfristig wieder absagen. Der Betreiber des Internet-Cafés, für das der Bruder von Samer gelegentlich Reparaturen durchführt, will mit der Presse nichts zu tun haben. So gelingt schließlich ein Treffen im Hispi auf der Graf-Adolf-Strasse. „Ich kenne die Schule“, sagt Samer bei der Begrüßung. „Als ich das erste Mal in Düsseldorf war, habe ich hier Deutsch gelernt. Leider zu kurz.“ Er lächelt entschuldigend. Samer macht einen wachen, intelligenten Eindruck. Die langen braunen Haare trägt er im Zopf. Sein Kinn ist glattrasiert.

„Ich bin schon seit 11 Jahren aus Syrien weg. Da war noch kein Krieg. Ich war jung und ich wollte im Ausland studieren. So ging ich nach Italien. Nach dem Studium habe ich dann gearbeitet. Eigentlich bin ich erst seit sechs Monaten in Deutschland.“

Zwei Doktorentitel – ein Wissenschaftler mit Format

Warum er nach Deutschland kam? Wegen Corona. Das Leben in Italien sei schwierig geworden. Engpässe in der stationären Versorgung. Die italienischen Behörden hätten die Kontrolle verloren. Er habe einen Bruder in Düsseldorf. Bei ihm sei er zunächst einmal untergekrochen.

„Ab und an, um ein bisschen zum Lebensunterhalt beizutragen, helfe ich bei den Reparaturen. Eigentlich ist das ein Hobby von mir. Schon als kleiner Junge hat mich interessiert, wie Dinge funktionieren. Ich habe Radios, Computer, Handys und vieles mehr auseinandergebaut und wieder zusammengesetzt. Die Ersatzteile muss ich in der Regel noch nicht einmal bestellen. Irgendwo findet sich immer ein ähnliches Gerät, ebenfalls defekt, aus dem ich die passenden Teile ausbauen kann.“

Patentierung mit Stempel und Unterschrift – sieben Jahre Kampf

Jetzt kommt Samer auf ein Thema, dass ihm weit mehr am Herzen liegt als die Gelegenheitsarbeiten für seinen Bruder. „Ich habe ein Patent angemeldet. Sieben Jahre lang habe ich darum gekämpft. Jetzt endlich habe ich es durch. Die Universität in Italien, mein späterer Arbeitgeber, alle haben mir nur Steine in den Weg gelegt. Keiner hat daran geglaubt. Trotzdem habe ich nicht aufgegeben. Denn das, was ich entwickelt habe, ist ein Durchbruch. Nur, wie mache ich jetzt bloß weiter?“

Als Samer beginnt, über seine Erfindung zu sprechen, glitzern seine Augen vor Erregung. Es fallen viele Fremdworte. Immer wieder muss ich nachfragen. Um einen Käfer ginge es, der Nutzpflanzen befalle und der dabei ist, weltweit Schaden anzurichten. Alle bisherigen Versuche, den Befall einzudämmen, seien fehlgeschlagen. Das oft praktizierte Allheilmittel, die chemische Keule, füge nicht nur den Pflanzen immensen Schaden zu, sondern verseuche die Böden in einem nicht vertretbaren Ausmaß. Stand der Forschung: Aktuell gibt es nichts, was die weitere Ausbreitung des Schädlings verhindern kann.

Er habe aber eine Technik entwickelt, so erklärt Samer weiter, mit der die Pflanzen ohne Einsatz von Chemikalien langfristig gegen den Befall geschützt werden könnten. Eine bahnbrechende Erfindung, davon ist er fest überzeugt. Wenig nach dem Termin schickt mir Samer seine Zeugnisse. Zweifellos ein hoch spezialisierter Wissenschaftler: Master, Bachelor, zweifacher Doktortitel. Einer davon in Agrarwissenschaft, spezialisiert auf Genetik und Krankheiten von Nutzpflanzen. Auch seine Patentanmeldung erhalte ich per E-Mail, allerdings mit geschwärzter Nummer. „Warum ich das mache? Ich gehe Dingen gerne auf den Grund. Wie früher mit den Radios und Handys, ich will wissen, wie sie in ihrem Inneren funktionieren. Auch mit meiner Erfindung ist es so.“

Für Samer gibt es keine Landesgrenzen, seine Heimat ist der Globus

Was er von Religion und der Lage in Syrien hält? Die Antwort ist eindeutig: „Früher gab es in Syrien 20, 30 verschiedene Religionen. Da war okay. Man war auf die eine oder andere Art gläubig. Oder eben nicht. Heute gibt es nur eine und die basiert auf dem Gebot des Müssens. Ein guter Moslem muss an verrückte Dinge glauben. Die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft, egal zu welcher, gibt einem doch nicht das Recht, sich über bedeutende Wissenschaftler wie Einstein zu erheben. Dazu kommt die Verachtung Andersgläubiger. Wie kann man Respekt für sich und seine Religion fordern und dabei respektlos und intolerant gegenüber Andersdenkenden, Andersgläubigen sein? Religion schadet.“

Samer kommt schnell wieder auf seine Mission zu sprechen: „Ich habe kein Heimatland. Die ganze Welt ist meine Heimat! Und meine Erfindung ist in der Lage die Welt ein kleines bisschen besser zu machen. Dafür brenne ich. Welches Land, welche Institution oder welcher Privatinvestor mir dabei hilft, ihr zum Durchbruch zu verhelfen, das ist mir wirklich egal.“

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