Beginnen wir mit einem Satz, der die Pointe dieses Kommentars vorwegnimmt: Robert Schäfer ist ja erst seit fünfeinhalb Jahren im Fußballgeschäft. Denn bei dem, was der neue Vorstandsvorsitzende des TSV Fortuna Düsseldorf 1895 bisher getan hat, ging es immer ums Geschäft, ausschließlich ums Geschäft. Es sind bei ihm ja auch nicht nur fünf Jahre in diesem Geschäft. Vor seinem ersten Job bei einem Verein, dem TSV 1860 München, war er ab Mai 2005 Sales- und Marketing-Manager bei der IMG. Ja, genau, dem riesenhaften Vermarkter, der im deutschen Fußballgeschäft nie so ganz Fuß fassen konnte – im Gegensatz zu SportFive und Infront vom ollen Günter Netzer, die der Fortuna sponsorentechnisch seit 2009 in die Socken helfen. Dafür ist die IMG mit der UEFA dicke, und unser Robert war als Sales-Manager der IMG für die Europameisterschaften 2008 zuständig. Studiert hat der Jurist in Trier und Münster, sein Referendariat hat er am OLG Düsseldorf absolviert. Immerhin kennt er also die schönste Stadt am Rhein schon ein bisschen. Aber wie man seine beruflichen Stationen auch betrachtet und seine öffentlichen Äußerungen auch wendet: Von Begeisterung für den Fußball ist nirgends die Rede. Wenn jemand mit diesem Hintergrund Vorstandsvorsitzender eines Zweitligavereins wird, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die geschäftliche Seite des Fußballs im Vordergrund stehen wird.

Da müssten eigentlich die fortunistischen Romantiker aufjaulen, und die Ultras jeglicher Couleur könnten schon mal neue Banner à la „Gegen den modernen Fußball“ malen. Aber vielleicht müssen wir alle – Ihr sehr ergebener Kommentator – die Sache auch mal ein wenig anders sehen, also positiver. Vielleicht ist es jenseits allen Herzblutes, aller Bodenständigkeit, Leidenschaft und was sonst noch so als Emotion auf den Seelen der echten Fans, der wahren Anhänger, der Freunde des Oldschool-Fußball und Gegner des modernen Soccer-Entertainment-Business tätowiert ist, aber einfach nur der nächste notwendige Schritt in der Historie der Fortuna. Vielleicht war es wirklich erheblich klug vom aktuellen Aufsichtsrat, mit einer Headhunter-Agentur zu kooperieren und nicht nach einem neuen VV aus den eigenen Reihen zu suchen. Vielleicht steht dahinter eine Einsicht, die wir Fans alle bald teilen werden, dass die Zeiten, in denen jemand, der immer schon Fortune war, vorbei sind. Ja, dass Führungspersonal aus den eigenen Reihen Auslaufmodelle sind, weil deren emotionale Verbundenheit und Beharrungsvermögen im Amt den Verein an der Weiterentwicklung hindern.

Verlorene Söhne und Heimkehrer
Wer einmal vorsichtig in dieser Richtung denkt, muss Tabus brechen. Zum Beispiel dass ehemalige verdiente Spieler, Aufstiegshelden zumal, nach Karriereende zwanghaft in den Verein eingebunden werden sollten. Denn möglicherweise steht denen ihre gefühlsmäßige Bindung beim Erledigen ihrer Jobs im Wege. Wie gesagt: Kann so sein, muss aber nicht. Man sieht am Beispiel von Robert Palikuca, dass es gut funktionieren kann. Ob es bei der fortdauernden Einbindung von Sascha Rösler gut läuft, darüber herrscht Unklarheit. Wer weiß, ob Jörg Schmadtke als Sportvorstand bei der Fortuna so erfolgreich geworden wäre wie er es jetzt beim Äff-Zeh ist? Und ob Georg Koch mit seiner aufbrausenden Art wirklich in die Fortuna-Strukturen passt, ist auch fraglich.

Aber wir Fußballromantiker denken ja anders: Wir sehen und denken Fortuna als Familie. Beliebte Spieler, die gehen (müssen), sind verlorene Söhne. Und wenn sie – wie unser Axel – heimkehren, dann kocht das Gefühl hoch. Und ums Gefühl geht es uns Fans ja in Wahrheit, um ECHTE Gefühle. Also um Liebe und Hass, Freude und Trauer, Hysterie und Gelassenheit, um Heimat, um Nähe, um Vertrauen, um Freundschaft… Kein Wunder dass in dieser Reihe die Begriffe „Geschäft“ oder gar „Business“ fehlen. Für Oldschooler ist das Geschäftsmäßige der Killer des Fußballs. Und nun kommt einer und wird Vorstandsvorsitzender, von dem man ernsthafte Emotionen gegenüber Fußball im Allgemeinen und der Fortuna im Speziellen guten Gewissens nicht fordern darf. Der neue Job ist für Robert Schäfer der neue Job. Punkt.

Was ihn so sympathisch macht und schon in München und Dresden so sympathisch gemacht hat: Er heuchelt kein Herzblut herbei. Bezeichnend das Interview mit ihm, das im Dynamo-Stadionheft „Kreisel“ vor kaum einem Jahr erschien. Der Interviewer versucht ständig, Schäfer ein emotionales Statement abzuringen, aber der bleibt cool. Auch sein Verhalten gegenüber den Medien in den unruhigen Zeiten bei den Sechzgern geht in diese Richtung. Wenn er (sinngemäß) sagt, dass er lieber bei einem Verein voller Emotion arbeitet, dann heißt das eben nicht, dass er sich davon anstecken lassen will.

Robert Schäfer, der Anti-Kall?
Der stärkste Vorwurf, der in seiner Amtszeit Dirk Kall als Vorstandsvorsitzenden entgegenschlug war der des fehlenden Charismas. Schon in seiner Zeit als Aufsichtsratsvorsitzendem hatten ihm oppositionelle Kräfte den bösen Spitznamen „der blasse Doktor“ angehängt. Wobei die scheinbar Emotionslosigkeit des Dr. Kall zwischen 2009 und 2014 ein Segen für die Fortuna war und die Basis für die wirtschaftlich Gesundung bildete. Vermutlich hat aber dieser zu Unrecht geschmähte Dirk Kall, der das Pech hatte, von einem orientierungslosen Aufsichtsrat auf den falschen Posten gehievt worden zu sein, mehr für Fußball gebrannt als es Robert Schäfer je tun wird.

Was bringt der neue VV mit? Einen halben und einen vollen Erfolg. Ob sein Wirken bei 1860 München in den Zeiten des Herrn Ismaik wirklich was gebracht hat, wird man erst erkennen, wenn das Engagement des Investors beendet ist. Dass er bei der SG Dynamo Dresden dagegen in kaum zwei Jahren Großes geleistet hat, ist klar. Und das können wir Fortuna-Freunde ganz sicher beurteilen. Denn Schäfer schaffte es in Dresden in kurzer Zeit das Kölmel-Problem aus der Welt zu schaffen; etwas das sich bei der Fortuna über lange Jahre hinzog. Ja, Schäfer war in beiden Fällen (kaufmännischer) Geschäftsführer. Moment, so einen hatten wir doch auch jahrelang… Genau, der heißt Paul Jäger, war im Dreier-Vorstand unter Kall fürs Finanzielle zuständig und davor als Geschäftsführer für denselben Bereich.

Mit anderen Worten: Der neue VV und der bis dato kommissarische VV spielen in derselben Sportart, wobei der Neue ab sofort Vorgesetzter des Alten wird. Da fragen sich natürlich alle Fortunen, die Paul Jäger sein Urzeiten kennen: Kann das gutgehen? Oder ist der Anfang von Schäfer das Ende vom Jäger? Sportliche Kompetenz ist aktuell gar nicht vertreten im Vorstand, soll aber in Gestalt eines weiteren Vorstandsmitglieds kommen. Aber ob Schäfer dafür Azzouzi vorsieht? Überhaupt: Die Monate bis zum Beginn der Saison 2016/17 werden spannend, weil entscheidend für die Zukunft der Fortuna jenseits der Fußballromantik. So wie Robert Schäfer bisher agiert hat, steht dem Verein eine wirklich Professionalisierung bevor, als nicht bloß das langjährige Wortgeklingel, sondern eine Kette möglicherweise harter Personalentscheidungen. An deren Ende wird die Fortuna eine andere sein – zubereitet für die Teilnahme am modernen Profifußballgeschäft. Ob der Verein dann eher dem SC Freiburg, Mainz 05 oder dem FC Augsburg ähneln wird, ist offen, aber in diese Richtung wird die Entwicklung mit Robert Schäfer gehen. Ob wir das wollen oder nicht…

[Foto: Fortuna Düsseldorf]

2 Kommentare

  1. „Ob wir das wollen oder nicht“ – ganz so fatalistisch würde ich die Sache nicht angehen, Robert Schäfer hat – wie schon Reinhold Ernst in beiden Schaffensphasen – das zweifelhafte Glück, einen Club vorzufinden, der sich nach Orientierung sehnt. Das sind außerordentlich dankbare Startvoraussetzungen für die beiden. Aber das heißt nicht, dass alles abgenickt werden muss, was in den nächsten Wochen und Monaten auf uns zukommt. Ich zumindest ordne dieser komischen Professionalisierung nicht alles unter, was meinen Verein ausmacht.

    • Rainer Bartel am

      Natürlich muss nicht alles abgenickt werden, das ist klar. Aber die Tatsache, dass als Vorstandsvorsitzender jemand mit sehr geringer Berufserfahrung von außen geholt wurde, markiert einen Wendepunkt in der Fortuna-Geschichte der letzten 15, 20 Jahre. Das ist neu, und das wird den Verein, seine Strukturen und auch sein Selbst- und Fremdbild entscheidend verändern – ob wir das wollen oder nicht. Das ist meine These, dass die Entscheidung für Robert Schäfer allein schon eine tiefgreifende Veränderung hin zu einer anderen, neuen Fortuna ist. Das ist nicht per se schlecht oder doof. Mir kommt es so vor wie „noch einmal auf Anfang“, also wie 2002, nur dieses Mal professionell…