Interessiert es noch wen? Dass da gestern zum zwölften Mal Neonazis rund um den Bahnhof lungerten wie früher die Nutten und Stricher? Dass die immergleichen Gegendemonstranten auch wieder da waren? Und die Cops auch? Vermutlich nicht, den sowohl das Lungern der Faschos, als auch das Treiben der Gegendemonstranten ist spätestens gestern zum Ritual geronnen. Man geht halt hin, weil man die ganze Zeit hingegangen ist. Da muss man ja schon fast den Nazihools Intelligenz bescheinigen, den die sind weggeblieben. Nicht mal mehr einen Mietwagen kann sich die Rassistenbande leisten. Stattdessen plärrt ein Billiglautsprecher vor einem schäbigen Kombi. Auch die Ordnungskräfte langweilen sich schrecklich – auch wenn es dieses Mal kaum noch 200 Nasen waren, die dafür sorgten, dass den Rechtsradikalen nichts passiert. Dass die Polizei dann einen Dügidisten niederrangen, weil der einen Fotojournalisten angespuckt und bedroht hat, ist schon fast ein Treppenwitz. Dass auch wieder Gegendemonstranten von den Cops angegriffen und festgesetzt wurden, scheint ebenfalls Teil des Rituals zu sein. Dieses Spiel mit drei Mannschaften hat sich totgelaufen, und die Wahrscheinlichkeit, dass es in 14 Tagen weitergeht, ist gering. Am Ostermontag gehen die Nazis erstmal braune Eier suchen und lassen die Stadt in Frieden.

Fragt sich aber nun auch, ob es Sinn macht, an jedem verfickten Montag hinter den kaum noch drei, vier Dutzenden Leuten herzulaufen, die von ProNRW gestiftete Nazionalflaggen schwenken und disparate Parolen grölen. Ob es Sinn macht, an jedem verfickten Montag mit der DGB-, Linken-, Grünen- und sonstwas Fahne und der Trillepfeife an irgendeiner Absperrung zu stehen und darüber zu diskutieren, wie wenig Verschwörungsfans drüben noch stehen und gehen. Tatsächlich aber scheint ein Teil der Gegenkräfte in diesem Ritual einen politischen Sinn gefunden haben, der ihnen ansonsten wohl verloren gegangen ist. Vielleicht ist es für alle Linken wieder an der Zeit, die Existenz von rassistischen und protofaschistischen Gruppen als Nebenwiderspruch zu erkennen, den zu bearbeiten vom eigentlich notwendigen Tun ablenkt. In jedem Fall hat das perpetuieren von Ritualen keinerlei politische Relevanz.

Und trotzdem… Von einigen Freunden mit migrantischem Hintergrund bekam ich schon seit Wochen zu hören: Ihr macht die Neonazis durch eure Gegendemonstranten doch erst interessant. Einfach ignorieren, dann bleiben die schon weg. Anscheinend ist das die Sichtweise einer überwiegenden Mehrheit der Leute, die wir ja eigentlich vor den Rassisten schützen wollen. Eine Ausnahme bildet die kurdische Gemeinde, die Woche für Woche auf der Graf-Adolf-Straße präsent ist, sowie ein Teil der marokkanischen Muslime aus dem Viertel rund um den Mintropplatz, die eben den nackten Hass der Dügidisten vor der Moschee auf der Adersstraße persönlich miterlebt haben. Und trotzdem sage ich den erwähnten Freunden: War wichtig, dass wir da Montag für Montag aufgelaufen sind. denn nur so konnte das Treiben der Dittmer-Bande nach und nach beschränkt werden. Hey, die sind im Januar / Februar bis zum Graf-Adolf-Platz marschiert und haben bei McD gemütlich Fresspause gemacht! Die hatten die Innenstadt im Griff. Und dann wurde Anwältin Gülsen zur Heldin, weil die es mit einer Mischung aus Juristerei und persönlicher Betroffenheit schaffte, den Nazis den größten Teil der Graf-Adolf-Straße wieder wegzunehmen.

Spätestens nach dem heißen Tanz vor vier Wochen, als gut drei Dutzend Nazihools mitten im vorwiegend von Migranten bewohnten Viertel hasserfüllt mit Gewalt drohen konnte, drehte sich die Sache. Nicht ohne dass die Cops – wie üblich, wie immer – vorwiegend Gegendemonstranten verprügelt und verpfeffert haben. Die Einschränkungen durch die hiesige Polizei, vor allem die Entmachtung der Dittmer, machten dann die Sache zu dem, was sie heute ist: ein ritualisiertes Tänzchen. Darauf hat der Verfasser dieser Zeilen einfach keinen Bock mehr. Dafür ist ihm der Montagabend, den er gewohnheitsgemäß am oder im Schumacher an der Oststraße verbringt, einfach zu wertvoll. Er sagt: Ich geh da nicht mehr hin.

4 Kommentare

  1. Niemand hat mehr Bock dahin zu gehen nur leider werden die Nazis wieder mehr, wenn sie mehr Freiheiten bekommen. Der Druck der von den GegendemosntrantInnen aufgebaut wurde, sorgte dafür das sie eben nicht mehr so laufen können wie sie wollen. Sonst würden sie immer noch lustig bis zum Graf-Adolf Platz laufen. Des Weiteren würden sie noch gewalttätiger und aggressiver auftreten.

    Die Hools sind doch nur die letzen 2 male nicht gekommen da sie beim 1. mal lieber heute im Südpark jagen gegangen sind und beim 2.ten mal dann angst vor Repressionen durch die Polizei haben.

    Das ritualisierte Tänzchen ist doch genau das was der Wesseler will. Phantasiert dann von Angriffen auf die Polizei seitens der Gegendemonstranten und zack endsolidarisiert und spaltet sich der Protest. Er hat weniger zu tun und kann die Neonazis lustig weiter laufen lassen ohne das er probleme bekommt. So kann er erfolgreich die Karriereleiter herauf klettern. Schwer niedergeprügelte und bedrohte Antifas interessiert ja niemanden.

  2. Rainer Bartel am

    Sorry, aber genau DAS steht auch im Artikel:
    „Sonst würden sie immer noch lustig bis zum Graf-Adolf Platz laufen.“

    Was die Hools angeht, gibt es noch einen weiteren Grund, warum die nicht mehr (oder nicht mehr mit einer nennenswerten Anzahl Nasen kommen): Denen ist es mit den Aluhütche-Verschwörungs-Dügidisten einfach zu blöd geworden.

    Schließlich: Warum ich nicht mehr hingehen werde ist, dass ich keines der Gegen-Rituale mehr für sinnvoll halte. Sollte jemandem ein nicht-ritualisierter Widerstand einfallen, bitteschön, da wär ich dann dabei.
    So aber üben sich die Antifa-Leute in blödsinnigen Durchbruchversuchen gegen die Cops, die Gewerkschafter und Sozen trillern sich eins, und die Teilnehmer am Türkeifest essen Süßigkeiten zur Musik. Das ist sinnlos.

    Und, nein, so bescheuert sich Wesseler und seine Truppen immer wieder aufführen: Die Polizei ist nicht der Feind. Sondern bloß ein Papiertiger, den die Machthaber manchmal beißen lassen. War schon immer so.

  3. Monika Stangor am

    Hallöchen!
    Ich halte mich nicht für besonders links, aber ich gönne dem braunen Pack nicht einen Quadratmillimeter zu keiner Zeit in dieser Stadt. Deswegen stehen meine Familie, Freunde (unter ihnen auch Muslime) und ich jeden Montag am Hbf und zeigen ihnen, was wir von ihnen halten. Es mag wie ein Ritual erscheinen, aber wenn die Nazis nicht wären, könnte ich die Montage sicher auch angenehmer verbringen. Nazis zu ignorieren haben vor mehr als achtzig Jahren schon mal welche versucht und sind ganz schlecht damit gefahren.

    • Rainer Bartel am

      Ja, ja, ich gönne denen auch nicht das kleinste bisschen Raum. Aber das ist die individuell-romantische Sicht- und Verhaltensweise – politisch ist das nicht. Und da stellst sich die Frage, ob dieses therapeutsche Gegendeminstrieren für mehr gut ist als den persönlichen Seelenfrieden.

      Und: Wo steht was von Ignorieren? Ich wünsche mir nur, dass wir Gegendemonstranten mit mehr Fantasie daran gehen und nicht einfach Montag für Montag dieselben Rituale abfeiern.