Jenseits der ganzen Hysterie rund um Einwanderer aus Nordafrika hat Couscous als PRODUKT schon vor einiger Zeit die Adepten des Superfood-Hype erreicht. Die Kügelchen aus Weizengries oder Hirse (gelegentlich auch Roggen) standen plötzlich in jedem gutsortierten Edeka. Und doppelt so teuer im Bioladen. Wer wie wir aber Couscous schon vor einigen Jahrzehnten als GERICHT kennen- und lieben gelernt hat, weiß sicher noch, dass man das Zeug damals nur bei einem Ausflug an die Ellerstraße bekommen konnte – oder man brachte es sich pfundweise aus dem Frankreichurlaub mit. Inzwischen grassiert Instant-Couscous, den man ja auch zur Not für ein Tabouleh oder sonstigen Salat verwenden kann. Für ein echtes Couscous marrocaine geht aber nur die echte, unverfälschte und nicht vorgekochte Ware. Die gibt es zum Glück inzwischen auch in größeren Supermärkten – z.B. von Alnatura. Echter Couscous wird im Dampf gegart; und zwar im Dampf der Gemüse- bzw. Gemüse-Fleisch-Schmorung. Das geht am besten im doppelstöckigen Couscous-Topf, ein hoher Topf, in den man ein Sieb hängt, tut’s aber auch.

Die Zutaten:

Vermutlich gibt es so viele Couscous-Rezepte wie es marokkanische Familien gibt. Welche Gemüse und welche Fleischsorten reinkommen, ist völlig offen. Wir haben uns an der Art orientiert, wie in dieses Gericht in den Maghreb-Restaurants in Paris meist angeboten wird. Übrigens: Die besten Lokale dieser Art finden sich nicht in der Innenstadt, nicht einmal im Goutte d’or, sondern an den Ausfallstraßen im Norden und Osten wie der Av. Saint-Quen. Dort findet man die Couscous-Gerichte sortiert nach dem Fleischanteil auf den Menüs. Am preiswertesten ist das Couscous légume, am teuersten aber Couscous Royale, das mindestens zwei Sorten Fleisch enthält und auf jeden Fall Huhn. Dazwischen liegen die Varianten mit Lamm oder Rind. Beim Royale findet man neben Fleischstücken gelegentlich auch Merguez, die scharfe Lammbratwurst, und Kefta, Bällchen aus Lamm- und/oder Rinderhack. Wir haben uns für ein Couscous mit Hähnchenschenkeln entschieden. Davon brauchst du pro Person einen – und zwar mitsamt Oberschenkel.

Das Basisgemüse ist die Möhre, meist begleitet von der Zucchini sowie Kichererbsen und Tomaten. Gut hinein passen außerdem: (Hokkaido)Kürbis, weiße bzw. Mairübchen, grüne Bohnen, Stangensellerie, Kartoffeln und Süßkartoffeln. Unsere Grundvariante besteht also (für 4 Portionen) aus:
2 dicke Möhre
1/2 Sellerieknolle
1 große Zucchini
1 dicke Porreestange (Lauch)
4 mittelgroße Kartoffeln
1 Dose Kichererbsen
1 Dose gehackte Tomaten

Die Kunst besteht darin, das Gemüse zu verschiedenen Zeiten in den Eintopf zu geben, damit alle Stücke am Ende den perfekten Gargrad aufweisen. Viele Rezepte geben dazu Minutentabellen an; wir aber vertrauen auf dein Kochgefühl. Unverzichtbar sind zwei Sorten Zwiebeln (gelbe und rote) sowie Knoblauch. Außerdem hilft Petersilie beim Endgeschmack, und die Petersilienstiele können die Brühe verbessern. In unserer Variante kommen zudem Rosinen und geschälte Mandeln mit hinein. Dazu später mehr.

Das Gewürz der Wahl heißt Ras el Hanout und ist – je nach Hersteller – eine Mischung aus bis zu 40 Komponenten. Dementsprechend unterschiedlich fallen Aroma und Schärfe aus. Manche Sorten sind sehr zimtlastig, bei anderen dominiert Kreuzkümmel. Welches Ras el Hanout man mag, kann man nur experimentell erfahren. Natürlich kann man einfache Versionen auch selbst herstellen. Wir verwenden übrigens außer Salz ausschließlich unsere Lieblingssorte der nordafrikanischen Gewürzmischung. Schließlich ist Harissa-Paste unverzichtbar. Dabei handelt es sich um gemahlene, mit Koriander und Kreuzkümmel gewürzte Olivenölpaste aus frischen, sehr scharfen Chillis. Wir schwören seit Jahren auf Harissa der tunesischen Marke Le Phare du Cap Bon.

Die Zubereitung:

Wie gesagt: Wenn nicht zufällig ein Couscous-Topf in der Nähe ist, brauchst du einen hohen Topf, denn zwischen dem Topfinhalt und dem Sieb mit dem Couscous drin, muss ein Abstand von mindestens einer Handbreit bleiben, damit der Dampf richtig wirken kann. Auf keinen Fall darf Couscous direkt mit der Kochflüssigkeit in Berührung kommen!

Im Grunde kochst du eine Hühnersuppe mit viel Gemüse und relativ wenig Flüssigkeit. Zum Beispiel so: Wasch die Hähnchenschenkel und zerleg sie jeweils am Gelenk in zwei Teile. Schneide die Möhren in Scheiben, den Sellerie in große Würfel und den Lauch in breite Ringe. Würfle die Zwiebeln und hack den Knoblauch. Würfle außerdem eine halbe Möhre und ein Stück vom Sellerie. Schwitz das alles in Olivenöl an bis die Möhrenwürfel so eben weich werden. Brate darin die Hähnchenteile so an, dass sie rundherum goldgelb sind. Gib das vorbereitete Gemüse dazu und gieß mit kochendem Wasser auf – der Topfinhalt sollte gerade bedeckt sein. Lass das einmal stark aufkochen und dreh die Temperatur dann zurück. Rühr die gehackten Tomaten sowie 1 gestrichenen Esslöffel Ras el Hanout unter, gib reichlich Salz dazu und lass das jetzt so köcheln, dass die Flüssigkeit nur leise simmert, aber Dampf entsteht.

Richtiges Couscous ist ein anspruchsvolles Zeug. Bevor du mit dem Garen beginnen kannst, muss er freundlich behandelt werden. Bei 4 Portionen nimmst du 500 g davon und schüttest ihn in eine flache Schüssel oder auf eine große Platte. Dann stellst du kaltes Wasser bereit. Mit den befeuchteten Fingerspitzen der einen Hand sprenkelst du Wasser auf das Couscous, mit der anderen rührst du es durch – immer bemüht, sich bildende Klümpchen zu zerdrücken. Die Vorbereitung ist beendet, wenn die Getreidekügelchen durch und durch feucht sind. Nun gibst du das Couscous in ein Sieb, das möglichst genau in den Topf passt; je weniger Raum zwischen Sieb und Topfwand, desto besser. Optimal ist es, wenn der Topfdeckel das Sieb exakt abschließt. Falls nicht, hilft es, ein Blatt Backpapier zwischen Deckel und Sieb zu legen.

Weil der Eintopf unten deutlich länger braucht als das Getreide und sich die Aromastoffe erst nach und nach im Dampf lösen, sollte der Topfinhalt ungefähr 30 Minuten gesimmert haben, bevor das Couscous dazu kommt. Nun muss diese herrliche Beilage etwa alle 10 Minuten gepflegt werden. Profis machen das mit den Händen, die durch Handschuhe geschützt werden, wir nehmen Löffel und Gabel. Bei jeder Behandlung kommen ein paar Tropfen Olivenöl ins Couscous, und das Ganze wird vorsichtig durchgerührt und untergehoben, damit keine Klümpchen entstehen. Couscous aus Hirse wird ungefähr 25 bis 35 Minuten brauchen. Etwa ab Minute 25 kannst du probieren, ob es gar aber bissfest ist.

Bevor das Couscous ins Sieb kommt, nimmst du ungefähr 200 ml von der Brühe ab. In 150 ml davon weichst du eine gute Handvoll Rosinen (keine Sultaninen und schon gar keine Korinthen!) ein. In einem Schälchen verrührst du einen gestrichenen Esslöffel Harissa-Paste mit dem Rest der Brühe. Außerdem röstest du eine Handvoll geschälter Mandeln in einer trockenen Pfanne an.

Wie erwähnt: Alle anderen Gemüse kommen nach und nach in den Eintopf, zuletzt die Kichererbsen, die ja schon gegart in der Dose sind. Erfahrungsgemäß braucht der Eintopf samt Couscous also rund eine Stunde. Gemüse und Fleisch werden zum Schluss mit Ras el Hanout, Salz und ein wenig Zitronensaft abgeschmeckt. Noch im Sieb wird das Couscous mit wenig Salz abgeschmeckt und mit einem Stückchen Butter verfeinert. Außerdem werden die Rosinen und Mandeln hineingehoben. Übrigens: Viele Marokkaner würzen das Couscous mit Rosen- oder Orangenblütenwasser – unser Geschmack ist das nicht.

Im Restaurant wird Couscous für mehrere Personen meist so angerichtet, dass das Getreide auf einer sehr großen Platte ausgebreitet ist, das Gemüse in der Mitte darauf gegeben wird; die Fleischteile liegen dann außen herum. Wichtig: Fleisch und Gemüse mit dem Schaumlöffel aus der Brühe heben – es darf nicht zu viel Flüssigkeit mitkommen. Aber selbst im urtümlichsten Maghreb-Restaurant in Paris wird ein Couscous-Gericht nicht mehr mit den Fingern gegessen, sondern mit Löffel und Gabel. Jeder Gast schärft mit der Harissa-Soße selbst nach Geschmack.

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