,…und damit meine ich nicht nur Parteimitglieder*innen, sondern auch eure Stammwähler*innen, ich kenne erheblich mehr von euch persönlich als von der CDU und ungefähr gleich viele von den Grün*innen. Ja, mit einigen von euch bin ich befreundet, nicht bloß auf Facebook. Aber momentan gehen mit einige von euch gewaltig auf den Senkel. Das war schon während des Kommunalwahlkampfs so und eskaliert gerade rund um die OB-Stichwahl.

Ich verstehe ja, dass ihr nicht immer und immer wieder auf der Verliererseite stehen wollt, geht mir ja bei meiner Partei (F95) auch so. Aber eure öffentliche, mild hysterische Klopperei auf den CDU-Mann Keller ist so dermaßen irrational, dass es jeder*m politisch Interessierten wehtut. Das Hauptproblem liegt in eurer Selbstwahrnehmung und der sich daraus ergebenden Fehleinschätzung der politischen Lage. Dazu habe ich eure fünf schlimmsten Missverständnisse kurz und knapp zusammengestellt:

1. Die SPD ist eine linke Partei

Mal ernsthaft: Wie kann sich eine Partei, die den Kapitalismus für heilbar hält, als „links“ verstehen? In meinem Verständnis ist links = sozialistisch, und vom Sozialismus seid ihr genauso weit weg wie CDU/CSU, FDP und Grüne. Im Grunde seid ihr doch schon froh, wenn man euch für das kleinere Übel hält und wollt uns nicht Parteigängern ständig erklären, wie Politik geht, nämlich indem man Kompromisse eingeht, um das Schlimmste zu verhindern. Das ist putzig und lieb, menschenfreundlich und so weit, aber nicht links. Schminkt euch das mal ab, auch hier unter Düsseldorfer OB-Wahlbedingungen.

2. Die Grünen sind eine linke Partei

Guckt mal, dass Bündnis 90/Die Grünen zu den Linken gezählt wird, ist das Ergebnis jahrzehntelangen Framings der CDU/CSU. Die Grünen sind eine bürgerliche Partei, vielleicht sogar die bürgerlichste von allen, auf jeden Fall bürgerlicher als die CDU, denn das, was das Bürgerliche ausmacht, zumal in den Städten, hat sich seit Kohls Ende drastisch verändert. Bei den Grünen werdet ihr noch weniger Kapitalismuskritik finden als bei euch selbst. Und bei Licht betrachtet spielen die Grünen aktuell positionstechnisch die Rolle der SPD in den Siebzigerjahren, als bevor die Korruption Sozen-Merkmal wurde.

3. Die CDU ist konservativ, die SPD ist progressiv

Ja, diesen Blödsinn habe ich irgendwo von einem eurer Leute so gelesen. Das ist eine Vorstellung politischer Lager aus der Vorwendezeit. Die CDU ist nicht konservativ, weil sie schon lange nichts mehr konserviert, nicht einmal die bestehenden Machtverhältnisse. Denn der Neoliberalismus hat diese Verhältnisse zu durchgeschüttelt, dass klassische CDU-Wähler davon nie profitiert haben. Noch unter Kohl haben ehemalige SPD-Wähler*innen begonnen, ihre Kreuzchen bei der CDU zu machen, weil sie sich damit den größten Eigennutz versprachen – konservativ waren und sind diese Wähler*innen nicht. Wenn eine Partei konservativ ist, dann die Grünen, denn sie sind die einzigen, die wirklich konsequent erreichen wollen, dass das Ökosystem Erde konserviert wird.

4. Thomas Geisel ist ein Sozialdemokrat

War Wolfgang Clement auch ein Sozialdemokrat? Oder Peer Steinbrück? Ist Olaf Scholz ein Sozialdemokrat? Sicher ist doch, dass der Besitz des ominösen Parteibuchs aus keiner Figur einen Sozialdemokraten macht. Thomas Geisel ist ein in der Wolle gefärbter Industriemanager, der seine Karriere in der Partei begonnen hat, weil seine Familie Teil des Sozen-Filzes war. Kann man so beschreiben. Dass ihr jetzt so vehement für Geisel wahlkämpft, hat vermutlich mehr damit zu tun, dass ihr nicht schon wieder verlieren wollt als mit eurer Liebe zum Thomas.

5. Stephan Keller ist ein Konservativer

Muss euch enttäuschen: Der CDU-Doktor ist schlicht und einfach ein viel zu wenig politischer Mensch, als dass man ihn in eurem altmodischen Links-Recht-, Konservativ-Progressiv-Schema einordnen könnte. Der Mann ist Verwaltungsbeamter, was ja so ziemlich das Gegenteil von einem politischen Menschen ist. Und wer sich fragt, warum er noch den blödesten Slogan auf seinen Plakaten hat durchgehen und sich ausgerechnet von der Pantel hat unterstützen lassen, dann ist die einzig realistische Antwort: Er hat es politisch nicht überrissen, sondern irgendwie unscharf pragmatisch reagiert. Und das wird ihn nicht zu einem besseren OB als Thomas Geisel machen, zu einem schlechteren aber auch nicht.

Also,, regt euch nicht auf, dass die lokale Führung der Grünen keine Empfehlung ausgesprochen hat. Warum sollte sie auch? Die tiefsitzenden Schwierigkeiten im Umgang mit Herrn Geisel waren immer offensichtlich, und irgendeine Solidaritätsebene oder gar Übereinstimmung in politischen Positionen existiert de facto nicht. Natürlich jault ihr jetzt, die Grünen stiegen nun mit der CDU ins Bett, weil sie machtgeil wären. Tatsächlich aber sind die Akteur*innen dieser beiden bürgerlichen Parteien sich viel näher als ihr und sie. Ist so. Also entspannt euch, denkt mal nach und feuert euren Thomas an.

[Anmerkung des Verfassers: Mein politisches Leben ist von zwei großen Enttäuschungen geprägt. Ja, ich war mal SPD-Mitglied, damals, „Willi wählen“, die Älteren werden sich erinnern. Wir Jusos haben damals wahlgekämpft wie die Blöden. Tage nach dem Erfolg stellt sich unser Ortsvereinsvorsitzende, ein typischer Parteibuchreiter hin und sagt, die SPD habe die Wahl gewonnen, obwohl die Jusos sich nicht aktiv am Wahlkampf beteiligt habe. Ich bin am übernächsten Tags ausgetreten. Dann habe ich eher aus Versehen die hiesigen Grünen mit gegründet und war Direktkandidat für den Landtag und Bürgervertreter in Ratsausschüssen. Unsere politischen Feinde in diesen Ausschüssen waren immer die Sozen, also, so haben die SPD-Vertreter*innen uns gesehen, und auf ganz vielen Feldern der Lokalpolitik waren uns die CDU-Leute sowieso näher. Also habe ich im hiesigen Grünen-Verband dafür plädiert, auf lokaler Ebene eher mit der CDU als mit der SPD zu kooperieren. Ergebnis: 1988 wurde ich unter einem Vorwand aus der Partei ausgeschlossen. Trotz allem habe ich noch nie in meinem Leben mein Kreuzchen bei der bösen CDU gemacht.]

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