…ich lese gerade, dass die Fahrradnutzung in Düsseldorf in den letzten Monaten um 24 Prozent gestiegen ist. Das deckt sich mit meinen überhaupt nicht repräsentativen Beobachtung in der Corona-Zeit. Und das ist sehr erfreulich. Beziehungsweise: Das wäre sehr erfreulich, wenn dieser Zuwachs zulasten des Autoverkehrs zustande gekommen wäre. Nach allen anderen statistischen Werten aber hat vor allem der ÖPNV darunter zu leiden gehabt. Ich persönlich bin ja vor allem passionierter Fußgänger und flaniere und schlendere gern durch unser schönes Städtchen.

Das macht allerdings mit zunehmendem Radverkehr immer weniger Spaß. Ja, ich bin so weit, eine Fußgängerpartei zu gründen, eine politische Instanz, die sich dem Schutz der schwächsten Verkehrsteilnehmer vor den tödlichen Autos jeder Form und Größe, aber auch den rücksichtslosen Fahrradfahrern und den Benutzern von fußgängerfeindlichen Gefährten jeder Art (E-Scooter, Motorroller, Skateboards etc.) verschreibt. Im Prinzip müsste solch ein Verein ein Riesenerfolg werden, wird doch aus jedem Menschen, wenn seine stinkende und krachende Blechdose verlässt oder von seinem hohen Drahtross steigt, ein Fußgänger.

Tatsächlich aber herrscht zunehmend Krieg zwischen Radlern und Passanten. Deshalb hieße mein Slogan „Der Gehweg den Fußgängern!“ Zwei Sorten Velo-Benutzer sind verantwortlich für die wachsende Zahl Konflikte zwischen den Gruppen: Die Moralradler und die Kampfradler. Erstere Gruppe fühlt sich moralisch überlegen, weil sie sich emissionsfrei bewegt. Die zweite Gruppe umfasst die egoistischen Arschlöcher, die auf dem Zweirad einfach nur ihre individuellen Partikularinteressen durchsetzen.

Beide Gruppen findet man leider auch immer öfter auf dem Bürgersteig. Oder im festen Bewusstsein, ihr Tun sei schon okay, beim Befahren von Radwegen in der falschen Richtung oder gar auf Fußwegen in Parks und in reinen Fußgängerzonen. Geradezu mörderisch aber agieren Leute mit Kindern auf Lastenrädern, die sich gleich doppelt moralisch im Recht fühlen, weil sie sich fortgepflanzt und so fürs Rentensystem gesorgt haben und ihre Brut eben ökologisch wertvoll kutschieren.

So richtig kumulieren kann die Situation auf unserer stillen Sackgasse, der Ringelsweide, und in der angrenzenden, schnuckeligen Grünanlage, die sich an der Düssel entlangzieht. Der Gehweg unter den Kastanien des Sträßchens ist nämlich ganz offiziell ein gemeinsamer Fuß- und Radweg. Was inzwischen eine große Zahl Radler als Legitimation hernimmt, um mit hoher Geschwindigkeit und ohne Ausweichen durch die mehr oder weniger große Menge Fußgänger zu rasen – auch wenn darunter diverse Kinderwagenschubser und Rollatorenpiloten sind. Besonders rücksichtslos gerieren sich auch hier die mit Nachwuchs bestückten Lastenräder – vor allem, wenn sie elektrisch motorisiert sind.

Geradezu aberwitzig wird’s unten an der Düssel, wo sich ein Fußweg von der Mecumstraße bis zum TuRU-Platz am Hennekamp befindet, während oben ein Radweg parallel verläuft, der dann in den langestreckten Parkplatz des Fußballstadions mündet und die Verbindung zum Überweg zum Volksgarten darstellt. Auf diesem im Prinzip lauschigen Pfad wird geradelt, was das Zeug hält. Und was nicht Platz macht, wird weggeklingelt – obwohl es eine legale Alternativroute gibt. Diverse Anwohner, vor allem Leute mit Kindern und Hunden, haben nun die Initiative ergriffen.

Sie fordern, dass der Weg entlang der Düssel – so wie es früher war – deutlich mit einem Radfahrverbot belegt wird und möglicherweise wieder Fahrradsperren an den Zufahrten eingerichtet werden. Vor gut drei, vier Jahre wäre das nicht notwendig gewesen, denn die Radler, die sich bewusst oder versehentlich auf den Spazierweg verirrten und angesprochen wurden, zeigten sich meist einsichtig. Das ist in den letzten Monaten deutlich anders geworden – die Pedalisten agieren auf die Bitte, Rücksicht walten zu lassen und den Radweg zu nutzen, zunehmend aggressiv.

Wie mir persönlich die wachsende Gereiztheit der Radler ohnehin aufgefallen ist. Es scheint so, dass sie den Druck, den der Autoverkehr schon immer auf Fahrradfahrer ausgeübt hat, jetzt eben auf die Fußgänger als Gruppe der schwächsten Verkehrsteilnehmer weitergeben. So wie das Pochen auf die Straßenverkehrsordnung da nie etwas genutzt hat, werden auch im Konflikt zwischen Zweiradfahrern und Fußgängern mehr Kontrollen und Strafen nichts nutzen. Könnte also sein, dass die zukünftige Fußgängerpartei gleich einen bewaffneten Arm im Untergrund gründen muss.

[Anmerkung: Der Verfasser dieses Beitrags nutzt in der Stadt die verschiedensten Verkehrsmittel, auch einen Pkw und sein geliebtes Fahrrad sowie sehr gern auch Bus und Bahn.]

5 Kommentare

  1. Deine Angaben zum Radweg unten entlang der Düssel (parallel zur Feuerbachstraße) kann ich leider nur bestätigen. Als Fußgänger muss man hier höllisch aufpassen, unterwegs mit einem Hund ist es manchmal echt kriminell. Vielleicht wäre anstatt eines völligen Rad-Verbots zweiterlei eine gute Lösung: a) ein deutlicher Hinweis auf den „schnellen“ Radweg oben auf der Straße und b) unten an der Düssel „Radfahrer Schritttempo fahren“. Und ein paar mehr Mülleimer wären dort auch noch hilfreich, aber das ist ein anderes Thema.

  2. Stephan Wildemann am

    Autofahrer haben Straßen. Fußgänger haben Bürgersteige. Radfahrer haben Systemwechsel. Ihre Strecken setzen sich aus Unterbrechungen, rechtlich erzwungenem Gehweg-Fahrbahn-Hopping und lauter ungeklärten Situationen zusammen.
    Und alle anderen Verkehrsteilnehmer, nehmen sie als störende Elemente Ihres Hoheitsgebietes war.
    Was hast du auf meiner Straße verloren, was hast du auf meinem Gehweg verloren.
    Durchwursteln ist das dominierende Verkehrsführungsprinzip für Radfahrende.
    Alle Radfahrten haben eines gemeinsam, sie sind gekennzeichnet von vielfachen Systemwechseln: Fußgängerzone, Fußgängerampel, Autoampel, linkkseiteiger Gehweg, Fahrbahn, Gehwegecken, Bordsteinüberfahrten. Die Radfreischilder sind nicht überall eindeutig, die Ampeln sind dort, wo man radelt, nicht als Fahrradampeln gekennzeichnet, man muss vom Radstreifen auf Fußgängerüberwegsfuhrten einschwenken oder aus Fußgängerfuhrten auf Fahrbahnen abbiegen.
    Das bleibt Pfadfindertum mit halblegalen Manövern. Und falls wieder jemand sagt: „Radfahrer halten sich ja an keine Regeln“, dann liegt es daran: Viele Strecken sind völlig ungeklärt oder zumindest unklar.
    Und ja, es gibt viele Radfahrer die vermutlich resigniert haben, und dann einfach da bleiben, wo sie sich am sichersten fühlen: Auf dem Gehweg, da sind sie wenigstens nicht die schwächsten.. Werter Herr Bartel, man kann über die eigenen Probleme schreiben ohne mit dem Finger auf die anderen Verkehrsteilnehmer zu zeigen…

    • Rainer Bartel am

      Der werte Herr Bartel hat nicht über „eigene Probleme“ geschrieben, sondern darüber, dass Radfahrer auf Gehwegen Fußgänger belästigen und gefährden. Immer.

      • Günther A. Classen am

        Dass Fußgänger durch mehr oder weniger rücksichtslose Fahrradfahrer – „Radfahrer“, sind zumeist sprichwörtlich andere, überaus unangenehme Zeitgenossen – „belästigt“ und auch „gefährdet“ werden, steht außer Frage.

        Aber die Ursachen hierzu werden von Stephan Wildemann deutlich geschildert:
        Eine ungebrochen, nach wie vor katastrophale autogerechte Verkehrspolitik, die nahezu überall das Recht des Stärkeren fördert.

        Um die Situation halbwegs wieder auf die Füße zu stellen, scheint mir ein makaberer, aber deutlicher Vergleich angebracht:
        Die rhetorische Frage, wie viele Fußgänger*innen von Fahrradfahrer*innen schwer bis lebensgefährlich verletzt oder gar getötet werden bzw. wie vielen Fahrradfahrer*innen (und auch Fußgänger*innen) ein solches Schicksal durch rücksichtslose Abgaslobbyist*innen nahezu ständig widerfährt.

        Das Beispiel Niederlande zeigt, wie es anders geht: Rücksichtsvoll, gleichberechtigt, lebensfreudig und vor allem ohne Helm.

  3. B.Lockwart am

    Ja, lassen wir doch mal das anstrengende Differenzieren sein und begeben wir und auf eine Position der moralischen Überhöhtheit.
    Kann man mal machen, fragt sich nur, mit welchem Recht man dann Rücksicht und anderen Kram einfordert.
    Menschen mit Begriffen zu belegen die üblicherweise im Bereich der Tierwelt benutzt werden, ist eine perfide und oft genutzte Methode von Gruppierungen zu der man, als moralisch aufrechter Mensch, nicht gehören möchte.