…jedes Mal, wenn ihr in den sozialen Medien rumheult, weil ein beliebter und/oder traditionsreicher Laden in der Stadt aufgegeben hat, denke ich: ihr Heuchler! Gut, mancher Geschäftsbetreiber ist an der Gier der Vermieter zugrunde gegangen, in vielen Branchen werden Ladenlokale unrentabel, weil ihr Konsumenten das Zeug online kauft – aber oft gibt es ganz andere Gründe, warum ein Geschäft schließen muss. Ich sage dazu: Bei allen Produkten, bei denen es weder Beratungsbedarf gibt, noch den Wunsch, die Ware vor dem Kauf anzufassen, ist der Onlinehandel ein Segen.

Wenn man das Einkaufen (nicht zu verwechseln mit „Shopping“) aber als soziales Erlebnis begreift, dann wird man selbst das Bestellen von Büroklammern im Netz verurteilen. Da geht der brave Düsseldorfer nämlich ins Fachgeschäft für den Schreibwarenhandel, zum Beispiel zu Hennig am Kö-Bogen. Viel Auswahl gibt’s nicht mehr in diesem Sektor, weil die vielen kleinen Schreibwarenläden in den Vierteln bis auf ganz wenige Ausnahmen in den vergangenen zehn Jahren haben schließen müssen. Denen hat aber nicht das ultraböse Amazon den Garaus gemacht, erzählte ein Fachhändler, der vor gut drei Jahren sein Geschäft an der Hüttenstraße zumachen musste, sondern die Discounter.

Im kapitalistischen Wirtschaftssystem gibt es immer solche Abläufe. Man denke an die Sechzigerjahre, als Supermärkte innerhalb kürzester Zeit die Tante-Emma-Läden kaputtgemacht haben. Oder an das Aussterben der Herrenausstatter zugunsten der Kaufhäuser. Oder an das rasche Sterben der lokalen Möbelgeschäfte nach dem Auftauchen von IKEA. Damals haben die Konsumenten nicht aufgejault, wenn beispielsweise das Möbelhaus Hofer an der Kölner Landstraße zumachen musste. Im Gegenteil: Gerade die jungen Verbraucher bejubelten das schwedische Möbelkartonlager, und selbst politisch bewusste Käufer nahmen keinen Anstoß daran, dass Billy-Regale in Zwangsarbeit von DDR-Inhaftierten hergestellt wurden.

Megalaut wurde das Weinen ja, als mit dem Stern-Verlag an der Friedrichstraße der größte unabhängige Buchladen Düsseldorfs für immer seine Türen verriegelte. Besonders heftig greinten Vielleser, die sich ihren Stoff schon lange beim Versender holten – vorzugsweise in Form von eBooks. Guckt man sich aber mal etwas genauer an, woran der Stern-Verlag gestorben ist, dann waren es eben nicht schwindende Umsätze, sondern drastische Management-Fehler – viele davon hingen mit der Größe und Struktur der genutzten Immobilie zusammen.

Das Gegenteil von Heuchelei ist das Wahr- und Ernstnehmen unbequemer Wahrheiten, die sich aber erst dann erschließen, wenn man sich an Fakten hält und genauer hinschaut. Dass ist das Bigotte an euren Reaktionen, liebe Konsumenten, und nicht, dass ihr den Tod von Geschäften betrauert, in denen ihr schon seit Jahren nichts mehr gekauft habt.

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