Bericht · Mal ehrlich: Waren Sie schon einmal in der Siedlung Freiheit? Und wissen Sie, wo genau Vennhausen liegt? Falls nein, machen Sie sich nichts draus, das geht vielen Düsseldorfer*innen so. Die meisten kennen höchstens den verheißungsvollen Namen dieses winzigen Wohnviertels nördlich des Eller Forst. Aber, wer sich einmal in der Siedlung Freiheit umgeschaut hat, könnte ziemlich neidisch werden auf die Bewohner der vorwiegend weißen Häuschen dort. [Lesezeit ca. 3 min]

Die Siedlung Tannenhof, die ebenfalls zu Vennhausen gehört, hat wenigstens eine gleichnamige Bushaltestelle und sogar einen Sportverein mit diesem Namen. Wobei: Beide Siedlungen (zuzüglich der später entstandenen Kolpingsiedlung und der noch ganz jungen Siedlung am Schmiedekotten) haben überhaupt erst dazu geführt, dass es diesen Stadtteil gibt. Wie die Silbe „venn“ andeutet, fand sich hier in früheren Zeiten bloß ein ziemlich unwirtliches Sumpfgebiet am Rande der südlichen Düssel. Bis zum ersten Weltkrieg wurde die gesamte Fläche ausschließlich landwirtschaftlich genutzt. Immerhin hatte man weite Teile des späteren Vennhausen trockengelegt und das Gut Tannenhof war entstanden. Bis heute hat Vennhausen keinen „Ortskern“, bestenfalls die Vennhauser Allee als eine Art Zentrum.

Google-Map: Vennhausen - zwischen Eller Forst, Gerresheim, Lierenfeld und Flingern

Google-Map: Vennhausen – zwischen Eller Forst, Gerresheim, Lierenfeld und Flingern

Nichts, was man zwischen Gerresheim, Eller, Lierenfeld und Flingern sieht, ist viel älter als hundert Jahre. Und die Entstehungsgeschichte der Gegend ist hochspannend. Sie beginnt in der schlechten Zeit nach dem Ende des ersten Weltkriegs, einer Phase großer Wohnungsnot in Düsseldorf. Die Zeiten waren wild, das Kaiserreich verschwunden, und durch die Novemberrevolution war Deutschland zur Republik geworden. In allen Großstädten taten sich die Arbeiter zusammen, bildeten Räte und übernahmen stellenweise die Verwaltung – so auch in Düsseldorf, vor allem in den Arbeitsvierteln wie Flingern und Lierenfeld.

Albert Schöndorff, der Mann, der die Siedlung Tannenhof ermöglichte

Albert Schöndorff, der Mann, der die Siedlung Tannenhof ermöglichte

So gründeten 152 Arbeiter der Großschreinerei Schöndorff (aus der später die Waggonfabrik DÜWAG wurde) in Lierenfeld noch 1919 den „Gemeinnützigen Arbeiter-Bauverein Freiheit“ mit dem Ziel, genossenschaftlich und in Eigenleistung Häuser für die Arbeiter zu schaffen, in denen diese mietfrei wohnen konnten. Als möglichen Standort hatte man das Gelände des Forsthofes nordwestlich des Eller Forstes ausgemacht und den Grund und Boden dort kurzerhand enteignet. Albert Schöndorff, Inhaber der Großschreinerei, unterstützte den Verein finanziell, der so rasch 300 Wohnungen bauen konnte. Später beteiligten sich weitere Genossenschaften an der Finanzierung und am Bau. Der jüdische Unternehmer Schöndorff wurde 1942 in Amsterdam von der Gestapo verhaftet, nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Die Weltwirtschaftskrise ab 1929 traf vor allem die Arbeiter. Viele verloren ihre Wohnungen, weil sie die Miete nicht mehr zahlen konnten. Wie in fast allen anderen Großstädten auch, entstanden in Düsseldorf illegale Hüttensiedlungen, die man sich vorstellen muss wie Slums in den Städten der armen Länder heute. Vor allem am östlichen Stadtrand wurde wild gebaut. Der Rat der Stadt beschloss, diese Sache in geordnete Bahnen zu lenken, erklärte eine Reihe Gebiete, auf denen bereits schwarz gebaut worden war, offiziell zu Siedlungsgebieten, in denen Arbeitslose mit Hilfe öffentlicher Darlehen Häuser bauen konnten. Eines der ersten und größten Siedlungsgebiete entstand ab 1930 in Vennhausen südlich der Bahnstrecke. Weil es hier das Gut Tannenhof gab, übernahmen die Siedler diesen Namen.

Blick in die Siedlung Tannenhof (Foto via Wikimedia - siehe Bildnachweise unten)

Blick in die Siedlung Tannenhof (Foto via Wikimedia – siehe Bildnachweise unten)

Im Grunde sind beide Siedlungen so etwas wie eigenständige Dörfer. Zumal die Besitzer der Häuser und Bewohner selbst für Düsseldorfer Verhältnisse ungewöhnlich fest mit ihrer Heimat verbunden sind. Viele Familie leben in der vierten Generation in der Siedlung Freiheit, und die Mehrheit der Häuser hat kaum je einen Besitzerwechsel erlebt. Ein Haus oder eine Wohnung dort zu finden, ist so gut wie aussichtslos – es sei denn, man heiratet ein. In der Siedlung Tannenhof gibt es mehr Wechsel, was auch immer wieder dazu führt, dass junge Familien mit Kindern dort ansässig werden. Dafür ist der Tannenhof architektonisch auch ziemlich unauffällig. Ein Spaziergang durch die Siedlung Freiheit, zum Beispiel nach einer Wanderung durch den Eller Forst, lohnt sich immer.

[Bildnachweise – Titelbild (Siedlung Freiheit) Marek Gehrmann via Wikimedia unter der Lizenz CC BY-SA 3.0; Siedlung Tannenhof Marek Gehrmann via Wikimedia unter der Lizenz CC BY-SA 3.0;]

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