Das waren zwanzig wilde und für Düsseldorf auch tragische Jahre. 1794 schossen französische Truppen die Stadt von der Neusser Rheinseite aus in Brand. Die kurpfälzisch-bayerischen Truppen wehrten sich nicht, sondern machten sich vom Acker, nicht ohne die Stadt vorher zu plündern und alles Wertvolle aus den goldenen Jahren unter Jan Wellem und Karl Theodor zu klauen – unter anderem die weltberühmte Düsseldorfer Gemäldegalerie, die über Umwege nach München gelangte und den Grundstock der Münchner Pinakothek bildete. Nach der feigen Flucht der Bayern wurde rasch ein eigenes Regiment unter pfälzischer Leitung gebildet, das aber zu klein war, um den Franzosen Widerstand zu leisten. Von September 1795 bis Ende 1813 herrschten die Franzosen über das Großherzogtum Berg und des Hauptstadt Düsseldorf. Und dann kamen die Preußen…

Google-Map: Füsilier- und Kanonierstraße am Frankenplatz

Google-Map: Füsilier- und Kanonierstraße am Frankenplatz

Nach der Völkerschlacht bei Leipzig war das napoleonische Reich zusammengebrochen. Das aus strategischen Gründen von den Franzosen zum selbstständigen Staat außerhalb des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation gemachte Großherzogtum Berg fiel an Preußen, das sich sofort daran machte, aus Düsseldorf wieder eine Garnisonsstadt zu machen. So richtig hatten es die Düsseldorfer mit ihrer Jan-Wellem-Vergangenheit und ihrer lockeren, zivilisierten Haltung weder mit den Preußen, noch mit dem Militär. Nur dank diverser Image-Kampagnen der jeweils leitenden Offiziere wurden die Soldaten und ihre Offiziere in der Stadt anerkannt, und ab etwa 1848 kam es sogar zu Ehen zwischen preußischen Militärs und Düsseldorfer Bürgertöchtern. Drei Verbände lagen nun in Düsseldorfer Kasernen: das 5. westfälische Ulanen-Regiment, das 11. Husaren-Regiment und das Niederrheinisches Füsilier-Regiment Nr. 39. Die größte Kaserne stand außerhalb der alten Stadtbefestigung östlich der Carlstadt etwa da, wo heute die Kasernenstraße(sic!) verläuft, der große Exerzierplatz lag ungefähr da, wo heute die Königsallee ist.

Düsseldorf wandelt sich rasch und umfassend

Kaum eine andere Stadt in Westdeutschland wandelte sich durch die Industrialisierung so schnell und so umfassend wie Düsseldorf. Durch den Verlust des Status einer Landeshauptstadt war der Ort nach dem Ende der napoleonischen Ära zu einem verschnarchten Provinzstädtchen geworden, das einen guten Ruf als Kunst- und Gartenstadt genoss, aber wirtschaftlich und politisch unbedeutend geworden war. Das änderte sich rasch und Stück für Stück. Nachdem Köln durch die Mainzer Akte von 1831 das Stapelrecht verloren hatte, war der Weg frei für einen Freihafen in Düsseldorf. Die Eröffnung der Bahnstrecke Elberfeld-Düsseldorf 1835 brachte der Stadt die schnelle Erschließung durch die Eisenbahn. Die gute Infrastruktur und jede Menge nutzbarer Flächen in Stadtnähe lockte Industrielle – unter anderem aus Belgien und aus Norddeutschland – an. Und um 1880 herum hatte sich die Bevölkerungszahl gegenüber 1814 auf fast 100.000 verdoppelt.

Obwohl Derendorf schon seit 1384 zu Düsseldorf gehörte, bestand dieser Ort noch Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem aus landwirtschaftlichen Flächen und vor allem Wald. Die Stadterweiterung hatte ab 1830 zunächst Richtung Süden stattgefunden; nördlich der Altstadt hatte man nur in Pempelfort neue Wohnquartiere angelegt. Die Fläche, die heute zwischen (ungefähr) der Roßstraße im Westen, der Rather Straße im Osten, der Golzheimer Straße im Süden und dem Thewissenweg im Norden liegt, war zum größten Teil mit Nadelwald bedeckt (unter anderem auch das komplette Gebiet des heutigen Nordfriedhofs. Und genau hier baute man die 1898 bezogenen vier Kasernen, die bei der Bevölkerung nur die „Ulanenkaserne“ hieß – ungefähr drei Kilometer außerhalb der Stadt und sage-und-schreibe 10 Hektar groß!

Die kurze Existenz der Ulanenkaserne

Tatsächlich wurden hier gleich mehrere Waffengattungen untergebracht; deren Kasernen konnte man an der Farbe der Klinker unterscheiden: Die Kasernengebäude der Infanterie (Füsiliere) waren gelb, die der Kavallerie (Ulanen und Husaren) rot. Ebenfalls rot geklinkert waren die Bauten der Artillerie (Kanoniere), die ab 1890 hinzugekommen waren. Wie gesagt: Das Militär war damit zunächst raus aus der Stadt. Aber die Stadt wuchs rasch an das Militärgelände im Norden heran, denn um 1900 hatte sich die Bevölkerung Düsseldorfs gegenüber 1880 auf mehr als 200.000 verdoppelt. Derendorf wurde nun nicht nur Wohngebiet, sondern auch Industriestandort. Neue Straßen und Plätze wurden angelegt oder alte Wege umbenannt. So kam die Straße südlich der Kasernen zum Namen „Tannenstraße“, und zwei Straßen am frisch angelegten Frankenplatz wurden nach Waffengattungen benannt: Die Füsilier- und die Kanonierstraße. Während die Kanonierstraße an den Frankenplatz grenzt und deshalb nur auf einer Seite bebaut ist, handelt es sich bei der Füsilierstraße um eine schnurgerade, 285 Meter lange und nur 12 Meter breite Straße mit beinahe einheitlicher Wohnbebauung aus den frühen Jahren nach der Jahrhundertwende.

Lange hatte die Ulanenkaserne als Standort kaiserlicher Truppen nicht Bestand. Mit dem Ende des ersten Weltkriegs, also nach knapp 20 Jahren, übernahm die französische Besatzungsmacht die Kasernen, die bis 1925 die Zentrale der Rheinarmee darstellte. Als die Franzosen abgezogen waren, standen die Gebäude teils leer und wurden teils anders genutzt. Als Truppen der Wehrmacht ab 1936 wieder im Rheinland stationiert wurden, wurde auch die Ulanenkaserne erneut militärisch genutzt. Nach dem zweiten Weltkrieg übernahm die Schutzpolizei einige der Gebäude und brachte hier unter anderem die Reiterstaffel unter. Diese Phase endete in den Siebzigerjahren. Danach wurden die einzelnen Gebäude und Flächen auf dem Gelände teilweise vermietet und teilweise auf diese oder jene Weise anderweitig genutzt. Heute finden sich an dieser Stelle ein Schickimicki-Wohnviertel und Werbefirmen, von denen eine sich nicht entblödet hat, ihren Standort offiziell „Platz der Ideen“ nennen zu lassen. Die Füsilier- und die Kanonierstraße haben sich dagegen in all den Jahren nur wenig verändert – und auf dem Frankenplatz findet immer noch das sommerliche Leben des Viertels statt.

2 Kommentare

  1. Heinz-Peter Linder am

    Hallo Rainer. Ist eventuell ein Tippfehler im Text ? Meines wissens gehört Derendorf bereits seit 1384 zu Düsseldorf. Grüße.

    • Rainer Bartel am

      Natürlich! Vielen Dank für den Hinweis. Wird sofort korrigiert.