Das Nazi-Regime und seine Wähler und Unterstützer haben bekanntlich jede Menge Verbrechen begangen. Eins davon konnten sie nur in Städten wie Düsseldorf vollenden: Den Umbau der Großstädte nach dem Hitler-Speer-Muster. Einer der Vollstrecker war Prof. Friedrich Tamms, der immer ein Protegé der Nazi-Baumeister war und nach dem Kriegsende eher versehentlich nach Düsseldorf kam. Von den massiven Umbauplänen für die „Gauhauptstadt Düsseldorf“ wird er gewusst haben, denn schon die Nazis wollten eine breite Nord-Süd-Achse parallel zur Kö durch die Stadt schlagen. Da kam Tamms die Zerstörung des alten Viertels nördlich der Graf-Adolf-Straße gerade recht. Was nicht zerbombt war, ließ er abreißen, und mit der Hochstraße an der Schadowstraße, dem sogenannten „Tausendfüßler“ setzte sich der Fanatiker der autogerechten Stadt ein persönliches Denkmal, das nun endlich wieder verschwunden ist.

Von 1938 bis 1945 arbeitete Tamms in Albert Speers Behörde Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt, zugleich war er von 1942 bis 1945 Professor für Entwurf und Planung an der TH Berlin. Hitler persönlich ernannte Tamms zum Hochschulprofessor. Als Mitarbeiter der Organisation Todt realisierte Tamms für die Führerstädte Berlin, Hamburg und Wien insgesamt acht Flakturm-Paare bestückt mit Flugabwehrkanonen (Flak), deren mittelalterliche Burganmutung Wehrhaftigkeit suggerieren sollte. Weiterhin war Tamms im Arbeitsstab für den Wiederaufbau bombenzerstörter Städte für Aachen und Lübeck zuständig. In der Endphase des Zweiten Weltkriegs nahm ihn Adolf Hitler im August 1944 in die Gottbegnadeten-Liste der wichtigsten Architekten auf,[1] was ihn von einem Kriegseinsatz, auch an der Heimatfront, befreite. [Quelle: Wikipedia]

Noch einmal: Die Berliner Allee entstand erst zwischen 1954 und 1960. Ihre Entstehung löste außerdem die Verbreiterung der Corneliusstraße im Süden und der Kaiser-/Fischerstraße im Norden aus und war verantwortlich für das drastische Anschwellen des innerstädtischen Autoverkehrs in Düsseldorf. Aus heutiger Sicht aber muss man die Berliner Allee auch als einzigartiges Ensemble der Baustile der Fünfzigerjahre betrachten. Auch das umgebaute Stadtsparkassen-Hochhaus und das gerade um Umbau befindliche Horten-Kaufhaus fügen sich ein. Dass die ehemals geteilte Stadt der Schneise den Namen gab und der Platz an der komplexen Kreuzung mit Cornelius-, Hütten-, Luisen- und Adersstraße nach dem regierenden Bürgermeister Ernst Reuter benannt ist, hat mit der Berlin-Besoffenheit rund um den Mauerbau 1963 zu tun.

Der 2014 umgestaltete Ernst-Reuter-Platz bei Nacht

Der 2014 umgestaltete Ernst-Reuter-Platz bei Nacht

Getrieben von der Propaganda des Kalten Krieges beschworen die führenden Kräfte der jungen Bundesrepublik wieder und wieder, das West-Berlin ein Teil Deutschlands sei. Überall wurden Straßen und Plätze nach Berlin und eben Ernst Reuter benannt. Mancherorts stellte man Kopien des Berliner Luftbrückendenkmals auf, und besonders pervers wurde es, als Städte imitierte Stücke der Berliner Mauer prominent platzierten. Dagegen ist der Berliner Bär, der am Beginn der Allee zwischen den Straßenbahnschienen steht, beinahe dezent.

Autosalons und Einrichtungshäuser

So modern die neue Straße war, so sehr zog sie anfangs die Autofirmen an, die hier ihre Salons eröffneten. Ja, richtig: Die Läden, in denen man seinen ersten oder neusten Pkw ordern konnte, nannte man „Autosalons“. Vorbild für diesen Trend waren die Champs Elysees in Paris, auf dem es bis weit in die Siebzigerjahre hinein Salons aller französischen und der größten ausländischen Automarken gab. An der Berliner Allee hatte sich besonders prominent das Autohaus Adalbert Moll platziert, VW-Vertragshändler mit enorm großem Angebot an Gebrauchtwagen. Als ich 1972 als erstes Auto einen Fiat 850 bei Moll erwarb, standen drei Etagen des Parkhauses über dem Salon voller Zweite-Hand-Wagen.

An der Ecke gegenüber der Johanneskirche hatte Peugeot seinen Showroom. Hier bestellte mein Vater 1962 oder 1963 seinen zweiten Dienstwagen, eine beige Limousine vom Typ Peugeot 403. Damals besuchten Väter die Salons zusammen mit der ganzen Familie. Den Damen bot man Kaffee und Kekse an, die Kinder bekamen Limo und Modellautos als Geschenke. So weit ich mich erinnere, hat es seinerzeit auch Niederlassungen von BMW und Austin auf der Berliner Allee gegeben…

Prägnanter waren aber die vielen wunderbaren Einrichtungshäuser auf der Westseite der Allee. Zwischen der Johanneskirche und dem Universum gab es in den Sechzigerjahren mindestens ein Dutzend Einrichtungshäuser. Man beachte: Dies war die Ära, als es noch kein IKEA, kein Höffner, Roller oder Schaffrath gab. Dafür existierten in jedem Stadtviertel drei, vier kleine Möbelhäuser, samt und sonders Familienunternehmen, die unterschiedlich spezialisiert waren. Polstermöbel kaufte man bei XY, das Schlafzimmer bei ABC, und Küchenmöbel gab’s nur bei LMN… Auf der Berliner Allee waren aber die Läden mit den modernen Designer-Sachen untergebracht. Deshalb wanderten wir in jener Zeit oft und gern sonntags zur Berliner Allee und drückten uns an den Schaufenstern mit den schicksten Möbelstücken die Nasen platt.

…und die Kinos

Das Universum im UFA-Haus ca. 1963

Das Universum im UFA-Haus ca. 1963

Natürlich lag es außerhalb unseres Horizonts, jemals auch nur ein Möbelstück auf der Berliner Allee zu erwerben. Aber Gucken kostete ja nichts. Zum Gucken gingen wir aber auch auf die Berliner Allee, um Filme zu sehen. Das südliche Ende der Straße zählte nämlich zum Kino-Gürtel zwischen Hauptbahnhof und Graf-Adolf-Straße. Auch wenn es damals noch Lichtspieltheater in allen Stadtvierteln gab, zog es uns doch meistens zu den rund zwanzig Kinos in der Innenstadt. Gleich um die Ecke der Graf-Adolf-Straße befand sich das UFA-Haus, denn der Filmkonzern hatte damals seinen Hauptsitz in Düsseldorf. Und hier war das Universum, ein kleineres Premierenkino im Untergeschoss, das noch bis 1999 bespielt wurde. Es wurde ebenso ein Opfer der Multiplexifizierung wie das Berolina schräg gegenüber, das bis zum Schluss ganz authentisch das spezielle Flair der Sechzigerjahre-Lichtspieltheater bot.

Während man sich heutzutage in den Großkinos mit stinkenden Snacks und teurem Zuckerwasser begnügen muss, gehörte damals zum Kinobesuch auch ein gastronomisches Beiprogramm. So war das Eis von Palatini vor oder nach dem Film obligatorisch. Später kehrte man nach dem Besuch im Universum, im Berolina, im Residenz und in der Lichtburg auf der Kö ganz selbstverständlich im Benrather Hof an der Ecke Kö / Steinstraße ein. Dieses Wirtshaus im besten Sinn war bei Künstlern und Schauspielern beliebt und eben bei Cineasten, die hier beim Alt und gutbürgerlichem Essen die gesehenen Filme diskutierten.

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