[Kommentar] Die Tendenz war schon klar, nachdem der kölsche WDR Mitte August Umfrageergebnisse veröffentlicht hat. Danach hätten Geisel und Keller gleichauf bei ca. 31 Prozent gelegen, Strazi dahinter mit 17 Prozent und Engstfeld am Ende des Viererfeldes mit 14 Prozent. Nun muss man nicht viel darauf geben, wenn der Westdeutsche Rundfunk über etwas was vermeldet, was nicht kölsch ist. Und gestern Abend wurde klar, wie falsch die Auguren lagen. Am Ende lag Doktor Keller fast acht Prozentpunkte vor dem Amtsinhaber, der grüne Kandidat kam auf fast 17,5 Prozent, M.-A. S.-Zimmermann war von ihren 12,5 Prozent so enttäuscht, dass sie lange abtauchte und später blöde Ausreden für ihr mageres Ergebnis fand. Fragt sich, woran’s gelegen hat, wie das Ergebnis zustande kam. Wir haben das Vermutungen.

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Wir hatten es ja schon in unserer Vorwahlberichterstattung erwähnt: OB-Wahl ist Personenwahl. Und das macht die jeweilige Differenz zwischen dem Ergebnis einer*s Kandidat*in und ihrer*seiner Partei so interessant. Und zwar: Keller kam mit rund einem Prozent besser raus als die CDU, Geisel überflügelte seinen Haufen um 8 Zähler, Engstfeld lag fast 7 Prozentpunkte unter dem Resultat der Grünen, und Strazi konnte – anders als erwartet – nur dreieinhalb Punkte mehr holen als die FDP.

Schlussfolgerungen

Daraus könnte man schließen: 1. CDU-Wähler*innen haben den Dr. Stephan gewählt, und vermutlich nur die. 2. Nicht wenige Grünen-Wähler*innen haben aus taktischen Gründen Geisel gewählt. 3. Der lange Stefan war nicht der optimale Kandidat der Grünen für den OB-Posten. 4. MASZ hat ihre Strahlkraft drastisch überschätzt. Wie gesagt: „könnte“… Wobei die These 3 durch ein paar Verplapperer grüner Sprecher*innen gestützt wird – mit der Pointe, dass man absichtlich keine*n aussichtsreiche*n Kandidat*in ins Rennen geschickt hat, um nicht ins Risiko zu gehen, diese*n bei Nichterreichen der Stichwahl final und beim Verlieren dieses Stechens erheblich zu beschädigen.

Insofern wird die Stichwahl auf ein Koalitionsgerangel hinauslaufen. Rechnen wir: Der kommende Rat der Stadt besteht aus 90 Sitzen, sodass eine Koalition mit 46 Insassen sauber durchregieren kann. Das ginge am einfachsten mit Schwarz-Grün, denn dieser Verbund käme auf 52 Sitze. Die olle Ampel summiert sich nur noch auf 46 Plätze, was rechnerisch reicht, wenn alle immer Koalitionsdisziplin bewahren, denn wenn es bei Abstimmungen im Rat zu einem Patt kommt, hat der kommende OB die entscheidende Stimme. Weder die SPD, noch die FDP haben’s aber überhaupt in der Hand, auf das „Mitregieren“ zu hoffen – die Initiative kann nur von den Grünen ausgehen.

Koalitionsrechnereien

Der Versuch, Grün-Rot ohne die Liberalliberalen zu machen, riecht nicht nach Realität, denn dann müsste man die Ratsmitglieder*innen der kleinen Fraktionen in ein Boot holen, was bei einer Mischung aus Linken, PARTEI, Volt und Klimaliste schwer vorstellbar ist. Ergo läuft alles auf eine Schwarz-grüne Stadtregierung hinaus. Was aber bedeuten würde, dass die Grünen entweder keine Wahlempfehlung zum OB-Stechen aussprechen kann, aber auf keinen Fall eine für Thomas Geisel. Wobei sich ohnehin die Frage stellt, ob und in welchem Maße solche Empfehlungen überhaupt etwas bewirken.

Blenden wir zurück auf die Ergebnisse, steht zu vermuten, dass erheblich viele Wähler*innen nicht an den Stichwahlen teilnehmen werden, also ins besondere Grünen-Wähler*innen, die von der Politrealität noch nicht so korrumpiert sind, ein kleiner Übel zu wählen. Alle, die sich selbst eher auf dem konservativen Kontinent verorten, werden aber mit einiger Wahrscheinlichkeit Dr. Stephan Keller ankreuzen. Und damit wäre er locker durch. Überhaupt hat Thomas Geisel realistisch betrachtet nur noch eine minimale Chance, das Amt zu behalten. Nur wenn die Wahlbeteiligung extrem gering ausfällt, wenn gleichzeitig ausreichend viele SPD-Wähler*innen für ihn stimmen und dazu eine ebenfalls nennenswerte Anzahl Grünen-Wähler*innen, könnte es noch für ihn reichen.

Personen statt Positionen

Haben wir über Positionen und Wahlversprechen geredet? Nein, aus gutem Grund nicht. Denn gerade bei den beiden verbliebenen Kontrahenten dürften reale Verdienste und öffentlich geäußerte Forderungen bei der Entscheidung der Wähler*innen kaum eine Rolle gespielt haben. Dafür waren besonders die Wahlplakate zu blöde. Während Geisel den Heiler gab, präsentierte Keller einen Teller bunter Konservativknete. Während der noch amtierende OB ganz für sich allein wahlkämpfte, nahm der Herausforderer Hilfe von Parteifreund*innen, ja, sogar von Frau Pantel, an. Zu seinen Gunsten sollte man annehmen, dass er in der CDU-Bundespolitik nicht so bewandert ist und die Pantel deshalb nicht verorten konnte.

Übrigens: Wer auch immer die Fotos vom Keller für seinen Wahlkampf gemacht hat, sollte ernsthaft über einen Berufswechsel nachdenken. So verklemmt, so unsympatisch, so verkniffen und gehemmt wirkt der Doktor, dass man bass erstaunt ist, wenn man ihn in echt trifft und einen gelassenen, netten, wenn auch ein bisschen langweiligen Typen vor sich hat. Bei OB Geisel ist das alles in allem eher andersherum.

Fazit

Insgesamt: So wie die Ratswahl ausgegangen ist und so wie Doktor Keller beschaffen ist, wird er im Konsenz mit einer starken grünen Ratsfraktion „regieren“. Immerhin hat er nicht diese Geisel-Rosinen von einer internationalen Metropole Düsseldorf im Kopf.

Ein Kommentar

  1. Günther A. Classen am

    Hhhhhmmmm, Chefred,

    ausgehend von einer Mehrheit für Keller als OB, sind die Grünen dauerhaft lediglich Juniorpartner und können demnächst mit Keller Düsseldorf „staufrei“ machen, was ihnen inzwischen sicher gut zu Gesicht stünde, da sie beispielsweise von Beginn an die monatliche Critical-Mass-Fahrradtour trotz zahlreicher Einladungen, nicht nur penetrant ignorieren, sondern inzwischen sogar politisch bekämpfen, in trauter Eintracht mit Düsseldorfs Polizeipräsidenten Norbert Wesseler (SPD): „Sie wissen ja, warum.“.
    Das gilt auch für alle anderen Fraktionen bis auf Die Linke und die neuen im Rat: Volt und Klimaliste. Die Haltung von DIE PARTEI steht noch aus.

    Damit sind die Grünen – trotz widersprechender, scheinheiliger Verlautbarungen – verkehrspolitisch locker auf das Niveau der CDU-Abgaslobby nivelliert, deren Verkehrspolitischer Sprecher, Andreas Hartnigk vor kurzem erst „Parkgebühren für Fahrräder“ forderte.
    Böse Zungen würden einer solchen Assoziation „Na, denn viel Spaß.“ wünschen.

    Stemmt Geisel die Wahl zum OB, ergibt sich ein anderes Problem:
    Grün-Rot alleine reicht nicht. Also müsste die FDP wieder mit ins luftleere Schlaucboot gezogen werden.

    Also Politik wie gehabt?
    Nicht ganz. Mehrheitsfraktion dieser Kollaboration sind die Grünen.
    Und sollte es Geisel nicht gelingen, die FDP ganz eng an sich zu binden – was diese ganz sicher nicht für umsonst tut – droht er ohne persönliche Hausmacht zum Grüßaugust zu gerieren.

    Im Zusammengehen mit der CDU droht Geisel das gleiche würdelose Schicksal.

    Ob Thomas Geisel darüber schon einmal nachgedacht hat (rhet.).

    Also wieder einmal: Pest oder Cholera – nur in anderer Aufteilung?
    Das notwendige Machtbewusstsein hat Geisel sicher. Ob es ihm damit jedoch gelingt, die Fäden in der Hand zu behalten, erscheint durchaus fragwürdig.

    Für die Stichwahl am Sonntag gilt daher eigentlich auch diesmal wieder, eine Auswahl zwischen Skylla und Charybdis oder „Speisekarte, auf der zwei Gerichte angeboten werden: kalte und warme Kacke“ (R. Bartel, OB-Stichwahl 2014).