So ist sie, die Fortuna – einfach kann sie nicht. Immer muss etwas Besonderes passieren. Als ob die launische Diva ein besonderes Talent für Drama, aber auch Komödie hätte. Wie sonst konnte sie das entscheidende dritte Tor am letzten Spieltag in Nürnberg in der Nachspielzeit erzielen? Wie sonst ging dem Treffer durch Kaan Ayhan ein genialischer Pass mit dem Außenrist des jungen Davor Lovren voraus? Wo sich doch nur ältere Fortuna-Freunde überhaupt an gelungene Pässe mit diesem Stück vom Fuß erinnern? Dass die Partie im ausverkauften Max-Morlock-Stadion von Nürnberg überhaupt so etwas wie Dramatik entwickeln konnte, war nicht unbedingt zu erwarten. So dachten jedenfalls einige der Fortuna zuneigende Menschen, die sich mit Karten für das letzte Spiel der Saison eingedeckt hatten und diese in der Woche zuvor massenweise abzustoßen versuchten – nach dem Motto: Geht ja um nichts mehr.

Aber: Wie man’s als Fan auch macht, man kann es so leicht falsch machen. Wer hätte denn vor sechs, acht Wochen gedacht, dass ausgerechnet die Partie in Dresden zum Aufstiegsspiel werden würde? Also zu einer Zeit, als manche Kassandra schon unkte, das mit dem Aufstieg, das würde dieses Jahr nichts. Und dann hatte eine Mehrheit der Düsseldorfer, die Fortuna-Fans waren, sind oder in den letzten Wochen wurden, daraufgesetzt, das letzte Heimspiel gegen Kiel würde in eine hochemotionale Party münden – und wurden enttäuscht. Sie ist eben nicht zu fassen, diese überlebensgroße Fußballgöttin in Rot und Weiß, die in Friedhelm Funkel nach langer Zeit wieder einen adäquaten Dompteur gefunden hat.

Stark trotz Schwächungen

So glänzend die Saison in der Rückschau wirkt – zwischendurch gab es auch nicht so schöne Momente und Situationen, die den jetzigen Erfolg hätten gefährden können. Nehmen wir nur das Abwerben von Co-Trainer Peter Hermann durch diese Bayern, die damit dem betagten Jupp einen Gefallen tun wollten. Ein paar Wochen lang sah es so aus, als wirke sich der Fortgang des Mannes mit den kurzen Hosen negativ auf die Mannschaft aus. Aber Funkel holte sich zwei junge Kerle – unter anderem das F95-Idol der letzten Jahre, Axel Bellinghausen – ins Team, und das gesamte Gefüge fing sich wieder. Dann erlebte die Fortuna, was Mannschaften im Höhenflug nicht selten erleben: Die Gegner begannen sich auf System und Spielweise einzustellen, und die Fortuna blieb über längere Zeit sieglos. Schließlich: Unnötige Sperren, u.a. gegen Hitzkopf Ayhan, Verletzungen zur Unzeit wie die von Michael Rensing früh in der Saison und kurz vor Schluss von Andre Hoffmann und Käpt’n Fink sowie dramatische Formeinbrüche wie bei Benito Raman. Auch dem Trainer misslang manches, und er nahm die Verantwortung für eine ganze Reihe von Punktverlusten mit dem ihm eigenen Stoizismus auf sich.

Recht eigentlich war deshalb das Endspiel um die hässliche Trophäe des Zweitligameisters, die gern „Felge“ oder „Radkappe“ genannt wird, ein Spiegelbild der Saison. Da gerät das Team ein bisschen unglücklich und schnell in einen Zwei-Tore-Rückstand. Da hat sie serienweise Pech, aber steckt nicht auf. Spielt nicht einfach mit fliegenden Fahnen nach vorn, sondern kontrolliert das Spiel. Da gleicht der Kollegen rasch den Ballverlust eines anderen aus. Da wachsen Spieler über sich hinaus, während andere eher, na ja, unauffällig kicken. Und da gelingt einem jungen Mann, der während der Saison nie eine sehr große Rolle spielte, ein Jahrhundertpass in der Nachspielzeit. Und da erzielt ausgerechnet Innenverteidiger Kann Ayhan der entscheidende Kopfballtreffer. Aber auch die Konfrontation mit dem Club (sowie natürlich auch das parallel stattfindende Spiel der Kieler gegen Braunschweig) in dieser Partie steht ja für die Situation, die während der Saison am meisten galt.

Die Erfolgsgeheimnisse

Wer die Mannschaft vor dem Gästeblock hat feiern sehen – eine Pappatrappe der Felge inklusive -, wird einen Eindruck davon bekommen haben, wie intakt die Sozialhydraulik im Erstligakader 2017/18 war und ist. Das hat es bei der Fortuna zuletzt ebenfalls in einer Aufstiegssaison gegeben, nämlich der von 2011/12. Würde man sich alle 34 Spiele im Schnelldurchlauf betrachten, käme ein weiterer Erfolgsfaktor zum Vorschein: die enorme Flexibilität der Systeme, die Funkel den Jungs beigebracht hat. Und schließlich ist die glorreiche Fortuna auch deswegen da gelandet, wo sie jetzt ist, weil sich eigentlich – bis auf maximal zwei Ausnahmen – jeder Stammspieler im Verlauf der Saison gesteigert hat, jeder in einem anderen Bereich.

Nehmen wir nur einmal den jungen Robin Bormuth, der anfangs noch gern die ersten zehn Minuten seines Einsatzes mit hoher Fehlerquote absolvierte und so das Team in Schwierigkeiten brachte. Und heute: Ein kompromissloser Verteidiger, der weghaut, was wegzuhauen ist und gar nicht erst versucht, den Kreativen zu mimen. Nehmen wir auch den Weg, den Julian Schauerte in dieser Spielzeit gegangen ist: vom Unsicherheitsfaktor zum zuverlässigen Partner des jeweiligen Außenstürmers. Oder Raphael Wolf, der für den über lange Zeit verletzten Michael Rensing einspringen musste und zu einem der besten Keeper der zweiten Liga wurde.

Zwischen Euphorie und Erschöpfung

Komisch, aber wahr: Für viele Fans war dieser Aufstieg ganz schön anstrengend, weil es ja schon seit drei Wochen immer was zu feiern gab. Durch die Dramaturgie der letzten Spiele entlud sich die Euphorie sozusagen in Päckchen, und zu beneiden sind diejenigen, die in Dresden dabei waren und sich am unmittelbarsten freuen konnten. Und natürlich dir rund 4.000 Fortuna-Freunde, die heute mit in Nürnberg waren. Im Bilker Häzz, das heute ohne Expertenrunde auskommen musste, war die Stümmung bis zum Ausgleich auch eher verhalten – erst der Siegtreffer löste den ganz großen Jubel aus. Mal sehen, wie es morgen ab 15:00 auf dem Marktplatz vor dem Rathaus und danach die ganze Nacht in der Altstadt aussieht.

2 Kommentare

  1. Was für eine unglaublich geile Dramaturgie von Dresden bis Nürnberg und besonders schön: der erstaunliche Reifeprozess dieser Mannschaft kulminiert ausgerechnet in der allerletzten Minute von Spieltag 34 – einfach herrlich!
    Nach dem verpatzten Beginn hätte die Fortuna-Visitenkarte nicht strahlender sein können – immens viel Imagegewinn und gewiss frische Hochachtung für den „geilsten Club der Welt“ …

    Komplimentissimo und „Danke für den Aufstieg“!