Sonic Youth war keine Band. Sonic Youth war ein Kontinent, genauer: ein Gitarrenkontinent. Und Thurston Moore war eine der Inseln. Bei dieser Band, der er vom Anfang 1981 bis zum (vorläufigen) Ende 2008 angehörte, drehte sich alles um das elektrische Saiteninstrument, das den Rock erst möglich gemacht hat. Mit diesem pfannenförmigen Ding mit den vier bis sechs Strippen kann man Krach machen, man kann Akkorde knüppeln und man kann sanfte Melodien klampfen. Das alles geschah bei Sonic Youth, das alles geschieht auch bei Thurston Moore und seiner Band, die gestern im altmodischen Bachsaal in der Johanneskirche aufspielten.

Nun mag sich der gute Thurston noch so sehr von Sonic Youth distanzieren, das Gros der Zuhörer und Zuhörerinnen war deswegen dar. Vielleicht hatten sogar einige ein Best-of erwartet, wie es alternde Musikanten gern präsentieren, wenn die Rente doch nicht hoch genug ist. Aber den Gefallen tat ihnen der Gitarrist nicht … so ganz. Am ehesten war es noch die Atmosphäre, das Gehabe des Frontmannes und das drumherum, das an diese Band erinnerte, die manche für die wichtigste der Achtziger- und Neunzigerjahre halten. Und da war der herrlich altmodische Bachsaal in der Johanneskirche, den man über ein Original-Sechzigerjahre-Treppenhaus erreicht, absolut angemessen. Dazu das Setting: Ein Drumset, die Gitarren, die Verstärker, die Boxen. Keine Türme, keine Tasteninstrumente, kein Schnickschnack – Gitarren pur. Wobei: Auf der einen Box thronte eine gewaltige, gelbe Plüschente, von der Thurston Moore behauptete, er wisse nicht, wie die dahin gekommen sei, und am besten wäre es wohl, sie anzubeten.

Das war dann aber auch schon der einzige längere Dialog mit dem Auditorium. Ein ohrenbetäubendes Liebeslied widmete er einem Pärchen direkt an der Bühnenkante, und einmal versuchte er über das „Dorf“ in Düsseldorf zu philosophieren. Das alles brachte eher freundliches Nicken im Publikum als kreischende Begeisterung. Überhaupt waren die Anwesenden mehrheitlich 50+ und sehr bemüht, genauso cool zu sein wie damals als sie noch jung waren. Da hätte man der Band aber wirklich sehr viel mehr junge Menschen im Saal gewünscht, also Leute, die musikalisch noch was entdecken wollen – und nicht ihre Jugend nachzuerleben bemüht sind.

Wie gesagt: Soo weit entfernt von dieser Superband, der er entstammt, war die Musik nicht, die Thurston Moore produzierte: Da wird viel und schnell geschrammelt, da geht es oft im klassischen New-Wave-Rhythmus vorwärts und da versteht man das Gesungene meist nicht. Nicht dass der Gig schlecht abgemischt war, aber das Stimmchen vom guten Thurston kann sich gegen die Lautgewalt der Instrumente einfach nicht durchsetzen. Da wird dann eben aus einem mehrschichtigen Song, der sanft beginnt und in nackter Aggression mündet, eben in gut fünfzehn Minuten Rückkopplungs-Sounds überführt, der anno 2017 irgendwie keinen mehr aus der Ecke lockt.

Am Ende war es ein Erlebnis: Krachender Rock mit hohen Walls of Sound in einem komischen Raum in einer Kirche vor coolen Kopfnickern, von denen maximal zwei Hände voll auch nur eines der Nicht-Sonic-Youth-Stücke kannte. Und genau diese Sorte unerwartbarer Erlebnisse machen den besonderen Reiz des New Fall Festivals aus.

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