Meinung · Vermutlich war es der legendäre, wenn auch möglicherweise mild korrupte Kaiser, der diesen Begriff ins Fußballvokabular einführte: „Der Lodda Maddäus, der is praktisch a Leitwolf.“ Wobei sich dies auf einen biowissenschaftlichen Irrtum bezieht, denn in Wahrheit führt die älteste Wölfin das Rudel. Und trotzdem handelt es sich um eine schöne Metapher für so prosaische Wörter wie Führungsspieler, Anführer oder Leader. Der Typus Spieler, der auf wölfische Weise sein Team leiten kann, ist im Aussterben begriffen – auch bei der glorreichen Fortuna. [Lesezeit ca. 4 min]

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Die letzten rotweißen Leitwölfe

Wer waren denn die letzten Leitwölfe in Rotweiß? Sicher, Käpt’n Oliver Fink ging immer voran, war aber mehr ein Vorbild als ein Leader. Lumpi? Eher nicht. Axel Bellinghausen? Wie Lumpi eher ein Fan-Idol als Führungskraft im Team. An Sascha Rösler könnte man denken, der gelegentlich durch seine ganz persönliche Initiative seine Mannschaft auf die Siegerstraße brachte. Aber an diesen vier Beispielen sieht man schon, dass es nicht ganz einfach ist zu definieren, was genau einen Führungsspieler ausmacht.

Es gab Zeiten, da galt als „der verlängerte Arm des Trainers“ als Anführer, also als der Spieler, der seine Kollegen auf dem Rasen immer wieder in die vom Coach vorgegebene Richtung trieb. Diese Sorte ist vollkommen ausgestorben, was am meisten mit der rasanten Verwissenschaftlichung des Fußballs und der speziellen Rolle moderner Trainer zu tun hat. Übrigens: Selbst im unterklassigen Amateurfußball findet man kaum noch Spielertrainer, also Kicker, die beide Rollen in einer Person vereinigen.

Ab Mitte der Neunzigerjahre orientierte man sich gut zwanzig Jahre lang an den Erkenntnissen der freien Wirtschaft in punkto Teams. Dort hatte man von der Führung durch Anordnung zur Führung durch Überzeugung umgestellt – Abteilungs- bzw. Teamleiter mussten mehr und mehr Qualitäten als Motivatoren an den Tag legen. Gleichzeitig wurden die Hierarchien flacher. Der Fußball entwickelte sich in dieser Hinsicht parallel. Hatten die großen Lenker wie Franz Beckenbauer noch Wasserträger wie Katsche Schwarzenberg, die nichts anderes zu tun hatten als das, was ihnen der Chef befahl, musste Lothar Matthäus seine führende Position immer und immer wieder durch entsprechendes Handeln und die zugehörige Kommunikation mit seinen Mitspielern erobern.

Es geht um Autorität

Es ging und geht immer noch um Autorität. Laut der Wikipedia handelt es sich dabei im weitesten Sinne um das Ansehen, das einer Institution oder Person zugeschrieben wird und bewirken kann, dass sich andere Menschen in ihrem Denken und Handeln nach ihr richten. Nicht selten findet man in den Nachwuchsmannschaften Burschen, die quasi von Hause aus diese Autorität ausstrahlen und so zu Führungsspielern werden. Komischerweise sinkt die Zahl solcher Vorturner mit steigendem Alter. Das mag damit zusammenhängen, dass im Rattenrennen um die Profikarriere den Typen die Ecken und Kanten abgeschliffen und sie sich immer ähnlicher, immer profilärmer werden. Man kann diese Entwicklung ganz gut in der DFB-Auswahl beobachten, wo Thomas Müller einer der letzten „Typen“ ist und einen Joshua Kimmich als Nachfolger bekommt, der meinungsstark ist, aber eben nur wenig Autorität abstrahlt.

Braucht eine Fußballmannschaft überhaupt einen Führungsspieler, einen Leitwolf? Klare Antwort im Sinne des modernen Team-Buildings: Ja. Es muss in jedem Team mindestens eine, gern aber auch ein Duo oder ein Trio von Personen geben, die den Rest aus der Lethargie reißen können, die Frust in Erfolgswillen ummünzen, die zu Höchstleistungen inspirieren und motivieren können. Nur welche Eigenschaften müssen solche Personen mitbringen? Genau: Autorität. Da es – wie erwähnt – mit der „natürlichen“ Autorität im Fußball nicht mehr so weit her ist, muss diese sich aus irgendwelchen Fakten ableiten.

Da wäre beispielsweise die Vorbildfunktion. Das heißt: Der Führungsspieler macht den anderen vor, wie sie gemeinsam erfolgreich werden können – siehe: Käpt’n Oliver Fink. Der war aber nicht nur auf dem Platz ein Vorbild, sondern eben auch beim Training und mit seinem gesamten Lebenswandel. Während einer Partie wird solch ein Vorbildmann nie zum Antreiber, der die Kollegen anschnauzt und ihnen „in den Arsch tritt“. Im Gegenteil: Typen wie Olli Fink sind eher keine Lautsprecher.

Auch die schlichte Menge an Erfahrung kann als Autorität wahrgenommen werden. Nehmen wir Käpt’n Adam Bodzek mit seinen insgesamt 441 Spielen als Profi. Der wird wissen, wie das so geht im Fußball, der kennt die Tricks, mit denen man als Spieler und auch als Mannschaft aus schwierigen Situationen herauskommt. Auf dessen Wissen können sich jüngere Kollegen verlassen. Und wenn sich diese Sorte Führungsspieler nicht als Besserwisser geriert, dann werden sie gleichzeitig zu Vorbildern. Darauf zu bauen, dass eine Menge Erfahrung ein Kadermitglied zum Führungsspieler macht, kann in die Hose gehen. Denn ein erfahrener Profi muss den Jüngeren seine Erfahrung auch mitgeben können, also über kommunikative Fähigkeiten verfügen. Das ist zum Beispiel ganz offensichtlich der Grund, warum aus Rouwen Hennings (521 Spiele) und Eddie Prib (361 Spiele) keine Leitwölfe mehr werden.

Kann man Leitwölfe züchten?

Wieder eine klare Antwort: Nein. Wer bestimmte charakterliche Eigenschaften, einen minimalen EQ und gewisse kommunikative Fähigkeiten nicht mitbringt, den werden auch die besten Coaches und Betreuer nicht zum Führungsspieler machen. Die gute Antwort ist: Unter den jungen Wilden der schönen Diva gibt es ein paar Kerle, die anscheinend dieses Basisvoraussetzungen erfüllen. Wir sehen einen Shinta Appelkamp (20), der an guten Tagen durch seine schiere Leistung Vorbildfunktionen übernehmen kann. Wir sehen einen Christoph Klarer (21), der unter Druck in der Lage ist, seine Reihe verbal zusammenzuhalten. Wir sehen einen Florian Kastenmeier (24), der in diesen Wochen eine interessante Entwicklung vom gelegentlich vogelwilden zum seriösen Keeper durchmacht und seine Vorderleute möglicherweise motivieren kann.

Das war’s dann aber auch leider schon. Über alles betrachtet dürfte aktuell Adam Bodzek das einzige Kadermitglied sein, der mit der Summe seiner Eigenschaften am ehesten als Führungsspieler taugt. Wäre schon gut, er würde öfter spielen…

Ein Kommentar

  1. Ich meine, Ayhan war auch ein Spieler, der die Truppe mitreissen konnte, wenn es nicht so richtig lief. Ich bin der Ansicht, dass solch eine Autorität derzeit in der Truppe fehlt. Abgesehen vielleicht von Bodzek, der aber auf mich eher leise auf dem Platz daher kommt. Wenn er denn spielt.

    Die genannte Entwicklung von Kastenmeier sehe ich noch nicht, da will ich noch ein paar Spiele abwarten. Allerdings bin ich bei ihm mittlerweile evtl. auch nicht nicht mehr objektiv, weil er die aktuelle Saison so begann, wie er die alte beendete. Mit einige bekannten Fehlern und Schwächen. Na ja, warten wir mal ab.