Antisemitismus ist eine archaische Dummheit, die für Juden lebensgefährlich ist. Das Archaische am Antisemitismus: Alle Vorurteile und Ressentiments gegen Menschen jüdischen Glauben und/oder Zugehörigkeit zur jüdischen Kultur stammen aus dem Mittelalter und haben sich seitdem kaum verändert. Entstanden sind die Ressentiments durch das systematische Brandmarken des „Volkes Israel“ durch die christlichen Kirchen als „Jesusmörder“. Ab einem gewissen geschichtlichen Punkt wurde dieses Verdikt jedoch von christlichen Handwerkern und Kaufleuten benutzt, sich die jüdische Konkurrenz vom Hals zu schaffen. Die Zünfte schlossen alle Juden aus, und in den Städten wurde Juden das Betreiben beinahe aller damals existierender Geschäftszweige untersagt. So blieb den Juden in Europa wenig mehr, als sich auf Branchen zu spezialisieren, in denen sie tätig werden durften – unter anderem im Geldverleih. Und so entstand der christliche Mythos vom jüdischen Wucherer (Banker), der den guten Christen über den Zins das Blut aussaugt. Noch einmal: Die Juden Europas haben sich nicht freiwillig fürs Bankgeschäft entschieden, sie wurden dorthin getrieben. Aus dem Begriff „Blutsauger“ speisten sich dann zahllose und haltlose Unterstellung über jüdische Geheimbräuche. Unter anderem hieß es, die Juden würden christliche Säuglinge stehlen, um irgendwelche Riten mit deren Blut zu vollziehen. Spätestens hier wird deutlich, wie dumm – besonders im Lichte der humanistischen Aufklärung ab dem siebzehnten Jahrhundert – Antisemitismus wirklich ist.

Aber seit dem Mittelalter ist dieser absurde Antisemitismus für Juden lebensgefährlich. Was wäre einfacher, als ein Pogrom gegen die Juden in der Stadt anzuzetteln, um die Schulden bei denen nicht mehr zahlen zu müssen? Wie wunderbar ist es, für jede Art von Versagen irgendwie „die Juden“ haftbar zu machen, um nicht selbst die Verantwortung tragen zu müssen? Wie käme man leichter an Besitztümer und Firmen aus jüdischem Besitz als durch Enteignung? Und wie viel Nachdenken und Lernen erspart man sich, wenn man einfach an antisemitische Verschöwrungstheorie glaubt – in denen übrigens immer der „Bankier Rothschild“ eine Rolle spielt. Antisemiten gehören zu den dümmsten Menschen auf diesem Planeten, so viel ist sicher. Weil sie für Juden aber lebensgefährlich sind, haben Angehörige der jüdischen Religion und/oder des jüdischen Kulturkreises (Was beileibe nicht dasselbe ist!) immer wieder Strategien entwickelt, möglichst unbeschadet unter Christen leben zu können. Übrigens: Der Islam ist nicht per se antisemitisch; für gläubige Moslems aller Geschmacksrichtungen sind Juden auch bloß Ungläubige. Der stramme Antisemitismus, der sich besonders unter arabischen Moslems ausgebreitet hat, ist erst im Umfeld des Palästinakonflikts überhaupt entstanden.

Und immer wieder tauchte in den jüdischen Gemeinden der Begriff „gelobtes Land“ auf; also des Fleckchens Erde, dass Gott den Juden zugeteilt hat, um dort in Frieden zu leben. Bis die zionistische Bewegung dieses biblische Versprechen wörtlich nahm und im äußerst dünn besiedelten britischen Protektorat Palästina genau dieses gelobte Land zu sehen. So wurde die Idee vom Staat Israel geboren, also dem Staat für das biblische „Volk Israel“. Als 1948 dann tatsächlich dieser Staat Israel in Palästina gegründet wurde, hätte die Welt eigentlich sehr zufrieden sein können, dass die Juden nun tatsächlich einen Platz für sich gefunden hatten, wo sie nicht von Antisemiten bedroht und verfolgt und ermordet würden. Ohne ins Detail zu gehen: Es geschah das Gegenteil, weil verschiedene ethnische, religiöse und nationale Kräfte im arabischen Raum etwas dagegen hatten, dass sich mitten unter ihnen ein jüdischer Staat gebildet hatte. Das führte zu einer Reihe von Kriegen, die bis heute nicht beendet sind.

Und trotz aller Friedensbemühungen in den vergangenen 50 Jahren ist die Situation schlimmer als je zuvor. Immer noch sprechen die meisten Staaten in Nahost dem Staat Israel das Existenzrecht ab und immer noch profilieren sich Politiker in diesen Staaten damit, die Auslöschung Israels zu fordern oder zu prophezeien. Gleichzeitig aber betreibt der Staat Israel seit einigen Jahren eine Politik der rassistischen Ausgrenzung gegenüber den Palästinensern, auch denen, die im Staat Israel geboren sind und einen israelischen Pass besitzen. Das ist die Folge einer religiösen Radikalisierung gläubiger Juden in aller Welt, vor allem aber in den USA. Dort betreiben diese radikalen Kräfte, die durchaus mit islamistischen Dschihadisten verglichen werden können, eine wirkungsvolle Lobbyarbeit. Gleichzeitig ist die Zahl zugewanderter Juden aus Osteuropa so dramatisch gestiegen, dass der Staat Israel massiven Sozialproblemen ausgesetzt ist. Immer schon gab es in der Führung des Staates Israel Falken und Tauben – seit der Likud-Block entweder allein oder in Koalitionen die Mehrheit im Parlament hat, herrschen die Falken in Israel. Und betreiben im Sinne der ultraorthodoxen Kräfte eine aggressive Siedlungspolitik; gegen alle Resolutionen der UNO, übrigens, und selbst gegen alle entsprechenden Abkommen, die Israel selbst in den vergangenen 40 Jahren unterzeichnet hat.

Der radikalste Vertreter dieses Likud-Politik heißt Benjamin Netanjahu und ist leider seit 2009 Ministerpräsident des Staates Israel. Er galt selbst innerhalb des Likud-Blocks immer als Hardliner und hat das Land in seiner Zeit als Finanzminister mit wirtschaftsliberalen Aktivitäten an den Rand des Ruins getrieben. Besonders wegen seiner neoliberalen Haltung zu Wirtschaftsfragen lieben ihn die Republikaner in den USA, besonders natürlich die Ultrakonservativen der Tea-Party-Bewegungen. Die haben Netanjahu nun eine Rede vor dem Repräsentantenhaus ermöglicht. Gegen den Willen von Präident Obama und gegen jedes bisher immer beachtete Protokoll. In der Rede lehnt Netanjahu jede Politik der US-Regierung ab, die auf eine Vereinbarung mit dem Iran zur Atompolitik hinausläuft und gibt klipp und klar bekannt, notfalls werde Israel sich selbst verteidigen – mit israelischen Nuklerwaffen, bedeutete dies zwischen den Zeilen. Mit Reden wie dieser und der engen Freundschaft zu den Erzkonserbativen Kräften in den USA aber fördert der israelische Ministerpräsident den Antisemitismus, der sich aus der Unterdrückung der Palästinenser und der Solidarität mit ihnen speist.

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