Tout Düsseldorf war gestern in der Arena, und wer am Freitag nicht bei den Toten Hosen war, der wird es am Samstag gewesen sein. Blöd nur, dass am vorgestrigen Abend auch die lebende Legende Iggy Pop ein Auswärtsspiel in der Philipshalle gab. Unser Autor hat sich für den Godfather of Punk entschieden. Hier sein sehr subjektiver Konzertbericht.

Bericht · Was soll´s denn nun sein? Ich liege am späten Nachmittag schwitzend auf der heimischen Couch. Die Toten Hosen (Jahrgang 1982) geben heute anlässlich ihres 40-jährigen Bestehens ein Geburtstagskonzert. Meine komplette Facebook-Timeline ist bereits voll mit Fotos meiner Bekannten, die sich das Spektakel in der örtlichen Multifunktionsarena nicht entgehen lassen werden. Wirklich jeder scheint heute dorthin zu pilgern. Da ich im Gegensatz zu den Hosen aber bereits 41 Jahre alt bin, zog es mich heute dann doch eher zu dem Ort, an dem ich vor 31 Jahren mein erstes Hosen Konzert gesehen hatte. Es sollte in die ehemalige Philipshalle zum mittlerweile 75 jährigen Godfather of Punk, zu Iggy Pop gehen. [Lesezeit ca. 4 min]

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Ich hatte mir vorab bedauerlicherweise keine Karte besorgt und alle Kumpels, die ich zum Mitkommen begeistern wollte, sagten mir ab. Weil die Eintrittskarten bei Ebay-Kleinanzeigen zum Normalpreis gehandelt wurden, war ich optimistisch, noch etwas auf dem hiesigen Schwarzmarkt ergattern zu können. Da dieser Preis aber selbst in der günstigsten Kategorie kaum noch erhältlich war und nördlich von 50 Euro lag, hob ich vom leeren Konto sehr unpunkige 100 Euro ab

Das Ticket für den kleinen Preis (Foto: F. Broszat für TD)

Das Ticket für den kleinen Preis (Foto: F. Broszat für TD)

Wie gefühlt seit Anbeginn der Zeit standen in Oberbilk hinter dem S-Bahn Tunnel auch schon die ersten Herren, die mit einer Karte wedelten. Da die professionelle Ticket-Mafia heute das bessere Geschäft an der Arena in Stockum witterte, stand ich tatsächlich vor drei verschiedenen normalen Herren, bei denen tatsächlich jeweils jemand abgesprungen war. Sie unterboten sich in ihrem Verkaufswettbewerb gegenseitig mit den Preisen, dass ein Christian Lindner vor Freude einen Samenerguss bekommen hätte. Am Ende drückte ich dann 40 Euro für ein 80-Euro-Ticket ab und ärgerte mich, dass ich nicht noch weiter nach unten gehandelt hatte.

Zu meiner Überraschung war ich nicht der Publikumsjüngste. Ich sah zwar hauptsächlich die Generation von vor dem Pillenknick, traf aber auch etliche jüngere Semester, die mit diesem Konzertbesuch wohl ihre Bucket-List abzuarbeiten gedachten. Im Gegensatz zu früher war die Mitsubishi-Electric-Halle heute komplett bestuhlt und auf jedem Eintrittskärtchen für diese Punkveranstaltung stand sogar eine Block- und Sitznummer. Nun denn, dachte ich mir, dann wollen wir mal…

Es wurde dunkel, und da eine Vorband nicht vorgesehen war, legte der ehemalige Stooges-Frontman gleich persönlich los. Während des ersten Songs fragte ich mich noch, ob er sein Markenzeichen (den nackten Oberkörper) erst zur Zugabe oder doch schon vorher präsentieren würde. Aber bevor ich die Frage zu Ende gedacht hatte, flog sein Oberteil auch schon weg, und er performte so, wie wir ihn aus einer Million Videos und von unzähligen Bildern her kennen.

Iggy Pop, immer auf Tuchfühlung mit den Fans (Foto: F. Broszat für TD)

Iggy Pop, immer auf Tuchfühlung mit den Fans (Foto: F. Broszat für TD)

Bereits jetzt stand der Saal auf den Stühlen und die Blocktrennung war de facto aufgehoben. Iggy riss jeden mit, und als er bereits beim dritten Song die Aufforderung aussprach “Come up on here!” folgten gut 50 Fans dem Aufruf und tanzten mit ihm auf der Bühne, verließen sie aber nach Ende des Songs wieder anstandslos, teilweise sogar mit Selfie von sich und der Musiklegende.

Hit für Hit wurde rausgehauen, die Masse johlte, tanzte und geriet in Ekstase. Der lässigste Sänger, den ich jemals live gesehen habe, war stets authentisch cool. Seine Darbietung war nie gepost, sondern immer echt. Die hübschen Damen in den ersten Reihen wurden in Rockstar-Manier angeflirtet “Hey Baaaaaby…” und wenn er mal auf den Boden rotzte, so geschah dies, weil er mal rotzen musste und nicht etwa, um auf Bildern rebellisch auszusehen. Seine Mikros zerschmetterte er nicht publikumswirksam auf dem Boden, sondern er warf sie nach einem Song einfach unachtsam weg wie eine Zigarettenkippe. Er klatschte bei den Fans nicht ab, sondern er schüttelte deren Hände.

Zahlen per Kreditkarte am Merch-Stand (Foto: F. Broszat für TD)

Zahlen per Kreditkarte am Merch-Stand (Foto: F. Broszat für TD)

Iggy sprach zwar “You can do, whatever you want, I don´t mind”, es müsste aber besser heißen “I don´t give a fuck”. Dieser Mann trägt seinen Namen “Godfather of Punk” vollkommen zurecht, und jeder der Anwesenden verließ die Location begeistert und teilweise mit offenem Mund. Dieser Rausch hatte zur Folge, dass auch mir die Preise am Merch-Stand urplötzlich gar nicht mehr so hoch vorkamen, wie sie eigentlich waren. Ich kaufte mir das Tour-Longsleeve für 45 Euro und konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, als die Leute links und rechts von mir ihren neuen Iggy-Pop-Sonnenbrillen, Fischerhüte & Co. mit der Kreditkarte bezahlen konnten und dies auch taten.

Draußen angekommen, stellte man fest, dass es noch gar nicht dunkel war, sondern der Himmel die Farbe trug, die er nun mal an schönen Sommerabenden trägt. So störte es dann auch niemanden mehr (oder es merkte einfach keiner), dass der Büdchenmann seine Bierpreise während des Konzerts verdoppelt hatte.

Ich bin glücklich und beseelt, dass ich nochmal wahren Rock’n’Roll erleben durfte. Genau so soll es doch auch sein.

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