Bericht · Auch im Hispi hat Weihnachten Einzug gehalten. Die als Weihnachtsfrauen verkleideten Mitarbeiterinnen besuchen die Klassenzimmer und verteilen Geschenke. Für die Erwachsenen einfache Lektüre in Form eines Kinderbuchs; wer Kinder hat, darf eine Überraschungstüte mit Malstiften und Kleinigkeiten mit nach Hause nehmen. Denn Hispi bietet nicht nur kostenlose Deutschkurse, sondern Lebenshilfe aller Art. [Lesezeit ca. 5 min]

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HispiAuf dem großen Eichentisch im Empfangsraum prangen drei geschnitzte und buntbemalte Engel; umgeben von ein paar Tannenzweige. Richtig gemütlich wirkt der Raum allerdings nicht. Die Stühle, die früher zum Verweilen und Plaudern einluden, fehlen. Es ist kalt. Denn natürlich wird gelüftet. Die Kurse beginnen zeitlich versetzt. Für jeden Schüler, der die Räumlichkeiten betritt, heißt es zunächst „Hände waschen!“ Dann erst (selbstredend mit gebührendem Abstand) darf der nummerierte Platz im Klassenzimmer eingenommen werden.

Hände waschen! und Abstand halten

Geschenke für die Hispi-Schüler (Foto: Hispi)

Geschenke für die Hispi-Schüler (Foto: Hispi)

„Klar, beim ersten Lockdown hatten auch wir geschlossen“, berichtet Karin Jungjohann, Geschäftsführerin des Hispi. „Aber das waren ja nur ein paar Wochen. Dann kam schon die neue Verordnung. Sechs Teilnehmer pro Kurs. Und wir machten wieder auf.“ Sie lächelt. „Heute arbeiten wir mit festen Anmeldungen. Maximal zehn pro Kurs. Und eigentlich ist das sogar effektiver als früher. Die Teilnehmer müssen sich verbindlich anmelden. Wir können uns besser auf sie konzentrieren.“

Die Weihnachtsgeschenke werden verpackt (Foto: Hispi)

Die Weihnachtsgeschenke werden verpackt (Foto: Hispi)

Das Kommen und Gehen im Hispi ist nicht zu übersehen. Immer wieder schellt die Türglocke. Schüler und ehrenamtliche Lehrkräfte finden sich zu den Sprachkursen ein. Dann kommen Tuya und Nika. Sie sind am Berufskolleg. Leider sind sie beim ersten Anlauf durch die Prüfung gefallen. Ein zweites Mal soll das nicht passieren. Auch Ali lernt für den zweiten Anlauf. Er will Bademeister werden. Ihre Lehrer: selbst noch Schüler, Studenten und Berufsanfänger, die ihr Wissen unentgeltlich weitergeben. Wieder klingelt es. Diesmal spontan. Achmad, selbst Schüler im Hispi, lässt seine Mutter für den Alphabetisierungskurs auf die Warteliste setzten. Ein kurzes Gespräch zwischen Tür und Angel.

Für komplexere Themen und Probleme werden Termine vereinbart

Auch kreatives Tun steht auf dem Programm (Foto: Hispi)

Auch kreatives Tun steht auf dem Programm (Foto: Hispi)

Marwa findet sich nach dem morgendlichen Sprachunterricht im Büro ein. Sie hat einen Termin. Als alleinerziehende Mutter lebte sie bis vor kurzem noch mit ihren Kindern in einer Flüchtlingsunterkunft. Jetzt hat sie eine eigene Wohnung. Die Tränen fließen. Alles nur noch online oder per Telefon. Ihre Betreuerin vom Sozialamt ist im Homeoffice und schlecht erreichbar. So blieb der Antrag auf Sozialhilfe auf der Strecke.

Karin greift zum Telefon: „Wir wollen ja nichts doppelt machen. Ich rufe mal an, wie weit die da sind. Wenn da noch nichts passiert ist, dann füllen wir den Antrag eben hier zusammen aus.“ Ihre Zuversichtlichkeit verhilft einem ersten, zaghaften Lächeln zum Durchbruch.

Homeoffice und Internet-Kommunikation: Das Leben ist komplizierter geworden

Auch Paul vereinbart grundsätzlich Termine. Er ist für rechtliche Probleme wie fehlende Aufenthaltsgenehmigung, Arbeitserlaubnis und drohende Abschiebungen zuständig. „Die Leute bringen dann all ihren Papierkram mit, und dann versuchen wir gemeinsam eine Lösung zu finden.“ Im Fall der Fälle begleitet er seine Schützlinge beim Gang zur Ausländerbehörde, stärkt ihnen bei gerichtlichen Anhörungen den Rücken oder brieft als „Profi“ die Rechtsanwälte, die eventuell nur ausnahmsweise mit Ausländerrecht zu tun haben.

Solch schöne Dinge entstehen auch im Hispi (Foto: Hispi)

Solch schöne Dinge entstehen auch im Hispi (Foto: Hispi)

„Natürlich gibt es den einen oder anderen, der es zum x-ten Mal versucht einen Dummen zu finden. Manche Kandidaten machen falsche Angaben, verschleißen den dritten oder vierten Betreuer und machen einfach nicht, was man ihnen sagt. Wenn ich das mitkriege, dann pack’ ich schon mal die Unterlagen wieder zusammen. Und zwar endgültig!“

Die meisten aber seien mehr als kooperativ und dankbar, dass ihnen unkompliziert geholfen wird. Selbst dann, wenn allen Bemühungen zum Trotz doch noch etwas schief geht. Paul erzählt von einem seiner Schützlinge, der eine dreijährige Lehre erfolgreich absolvierte. Er bestand die Prüfung, der ausbildende Betrieb wollte den Lehrling zu übernehmen. Alle Beteiligten freuten sich über eine gelungene Zusammenarbeit. Nicht so das Ausländeramt.

Ein B in der Aufenthaltsgenehmigung…

…trotz Absolvierung einer dreijährigen Lehre keine Arbeitserlaubnis. „Es ist zum Heulen. Das Ausländeramt verweigert die Arbeitserlaubnis! Der Junge hat die Duldung, er kann also nicht abgeschoben werden. Er hat erfolgreich eine Lehre abgeschlossen und jetzt bekommt er keine Arbeitsgenehmigung. Das heißt, er liegt wieder dem Steuerzahler auf der Tasche. Auf ewig und drei Tage!“

Auch wenn der Frust ihm deutlich anzumerken ist: Paul räumt ein, dass sich auf der Ausländerbehörde in der letzten Zeit viel getan habe. Die Bearbeitungszeiten hätten sich verkürzt, E-Mails würden in vertretbarem Zeitraum beantwortet werden. Trotz allem, so seine Meinung, bleibe noch so viel zu tun.

„Was kann ich für Sie tun?“ – Telefontraining im Unterricht

Deutschunterricht im Hispi - auch in Corona-Zeiten (Foto: Hispi)

Deutschunterricht im Hispi – auch in Corona-Zeiten (Foto: Hispi)

Maria ist eine der ehrenamtlichen Lehrerinnen. Bei ihr steht heute Telefontraining auf dem Stundenplan. Wie vereinbare ich einen Termin beim Arzt? Wie verhandele ich mit dem Jugendamt, wenn ich eine zu hohe Rechnung für eine (wegen Corona) nicht stattgefundene Kinderbetreuung bekomme habe? Wie bekomme ich trotz Corona und Homeoffice einen Termin im Jobcenter? Was mache ich, wenn meine Heizung kaputt ist und mein Vermieter weder auf E-Mail noch auf Anrufe reagiert. Phrasen wie „Was kann ich für Sie tun?“ und „Bitte geben Sie mir die Durchwahl.“ werden an die Tafel geschrieben; schwierige Begriffe werden buchstabiert.

„Ich spiele den Vermieter bzw. erstmal die freundliche Dame an der Zentrale. Die Kursteilnehmer rufen mich an. Driiinngg! Und schon geht’s los. Manchmal bin ich freundlich, manchmal unfreundlich, manchmal lasse ich die Anrufer einfach auflaufen.“ Sie lacht. „Das ist sehr lustig. Vor allem dann, wenn die Teilnehmer plötzlich in Wallung geraten und mühsam nach Worten suchen, weil sie unbedingt über ihre eigenen Erfahrungen mit der deutschen Bürokratie berichten wollen.“

Sie überlegt einen Moment und fügt dann hinzu: „Ja, dann bin ich wirklich stolz, stolz auf meine Schüler, auf mich, auf uns alle vom Hispi. Wir können auf ein intensives und arbeitsreiches Jahr zurückblicken, indem viel gelernt wurde und in dem viele Klippen gemeinsam umschifft wurden. Trotz Corona…“

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