Irgendetwas in der Beziehung zwischen Clooney und mir hat sich in letzter Zeit verändert. Zum Guten, natürlich. Selbstverständlich fiel da nichts plötzlich vom Himmel, aber mit fällt es erst seit ein paar Tagen auf. Nein, es ist auch nicht dass der Sloughi-Kerl inzwischen „besser hört“, genauer: dass er seit einiger Zeit jederzeit auch über ziemlich große Entfernungen abrufbar ist und in der Stadt sehr diszipliniert an Fuß geht. Er achtet mehr auf mich. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Die Geschichte von Mensch und Hund, dass ist inzwischen wissenschaftlich hinlänglich belegt, ist eine Geschichte des gegenseitigen Aufeinanderzugehens. Es war nicht nur der Canis, der sich dem Steinzeitmenschen angepasst hat und so domestiziert wurde, auch der Mensch hat sich dem Hund angepasst – nicht zuletzt was seine Jagdmethoden angeht. Und was im Großen Ganzen funktioniert hat, das geht anscheinend auch im Kleinen. Denn auch ich habe mein Verhalten dem Langbein gegenüber nach und nach und ganz unwillkürlich verändert. Ich würde das so ausdrücken: Mein Vertrauen in Clooney ist sehr gewachsen.

Und dieses Grundvertrauen bringt mehr Ruhe und Gelassenheit. Mehr Ruhe und Gelassenheit ergibt mehr Klarheit in der Führung. So ist die Angst, der Windhund könne einfach abhauen, irgendwo die Autobahn erreichen und unter die Räder kommen, weg. Auch die Furcht, stundenlang (wie es ja vorgekommen ist) hinter dem Köter herzurennen, damit der sich anleinen lässt, was soviel Zeit kostet, dass sich Probleme im Job ergeben ist weitestgehend verschwunden. Spaziergänge im Freigelände sind die reinste Entspannung – auch wenn Clooney auf den Neusser Rheinwiesen mal eben einen Kilometer im Flugtempo überwindet, um irgendeine andere Töle abzuchecken. Ich weiß, dass er zurückkehrt. Das hat auch damit zu tun, dass ich inzwischen besser verstehe, wie der tickt. Die theoretische Einsicht, dass Windhunde Sichtjäger sind und sich deshalb auch über große Distanzen optisch orientieren, ist das eine, die praktische Umsetzung ins Verhalten des Halters eine andere. Mittlerweile folge ich ihm mit den Augen und achte darauf, ob er sein Ziel erreicht hat und nach neuen Strecken Ausschau hält. Dreht er sich beispielsweise in meine Richtung, hebe ich einfach den rechten Arm über den Kopf.

Daran erkennt er mich und kommt – nach einer mehr oder weniger langen Bedenkpause – zu mir zurück gedüst. Habe ich rechtzeitig geschaltet, springt er am Ende nach meiner Hand, in der ich ein Leckerchen halte. In etwa sechs von zehn Fällen schnappt er sich den Brocken getrockneter Rinderlunge im Flug. Natürlich lobe ich ihn überschwänglich – und nehme war, dass er das sehr angenehm findet. Wie sich ja das, was gewöhnlich so vermenschlichend als „Gefühle“ des Hundes betrachtet wird, überwiegend Zustände zwischen „Ist mir total angenehm“ und „Ist mir supermegaunangenehm“ sind. Gelobt werden ist angenehm, am Halsband geruckt werden ist unangenehm. Und wie jedes Lebewesen runter bis zur Amöbe versucht der Hund das Angenehme zu bekommen und zu erhalten und das Unangenehme zu vermeiden. Hier liegt der Schlüssel zur Konditionierung. In Situationen, die ihm vorwiegend angenehm sind, wird sich der Hund – Clooney tut das jedenfalls – vorbildlich verhalten, weil er nicht möchte, dass die Sache ins Unangenehme dreht.

Das zeigte sich am vergangenen Montag als ich Clooney mit zur Demonstration gegen die Dügida-Nazis mitnahm. Auf der Graf-Adolf-Straße war ein kleines türkisches Fest angesagt, die Straße gesperrt. Zunächst umrundete ich mit dem Windhund die verschiedenen Polizesperren, um mir ein Bild zu machen. Noch nie bin ich von so vielen Cops freundlich angelächelt worden! Hunde sind Sympathieträger, soviel steht fest. Dann trafen wir Freunde, und Clooney begrüßte die ausgelassen und mit großer Freude, was wiederum den umstehenden Demonstranten Spaß machte. Dem Sloughi-Bub, der ja ohnehin ein sehr urbaner Hund ist, gefiel’s da gut unter lauter netten Menschen und fern vom Autoverkehr. Verrückt aber, dass er sich beim Herumgehen und auch am Platz der Demo äußerst diszipliniert verhielt, geradezu demonstrativ brav. Hach, da war ich auf dem Rückweg aber sowas von stolz auf meinen vierbeinigen Kumpanen!

Klar, viele Verhaltensweisen, die mir auf den Keks gingen, war seiner Jugend geschuldet. Inzwischen ist er deutlich ruhiger geworden, springt nicht mehr auf jeden anderen Hund zu, sondern selektiert genau zwischen „interessant“ und „uninteressant“. Auf der Freifläche ist er zudem sehr viel vorsichtiger geworden, nähert sich den Kollegen also nur auf eine Distanz, die es ihm erlaubt, den anderen einzuschätzen. Nicht selten stellt er dann fest: „zu gefährlich“ und kommt zurück. So heute auf den Neusser Rheinwiesen, wo ein Typ mit seinem Dobermann ging; einem armen Vie mit kuperten Ohren und kupiertem Schwanz und extremst aggresiven Verhalten. Zum Glück war er an der kurzen Leine, und der Halter (der hoffentlich nicht das Arschloch war, dass den armen Köter so versaut hat) hatte ihn gut im Griff. Eigentlich wäre der Dobermann genau Clooneys Kragenweite in Sachen Rennen, Toben, Spielen gewesen – aber dessen krankes Verhalten hat ihn so abgeschreckt, dass er sich dem anderen ne auf mehr als etwa fünf Meter näherte und den auch nicht ankläffte oder sonst irgendwelche Signale sandte. Er beobachtete den bösen Hund nur und entschied nach drei, vier Minuten, dass er bei mir sicherer sei. Perfekt gelöst. Wie er auch zunehmend älteren Rüden und Hündinnen den Respekt zollt, der ohnen zusteht. Die werden nicht mehr wild angespielt, sondern er wartet mit dem Beschnüffeln sogar, bis die Gegenseite entsprechend signalisiert und selbst erstmal an ihm geschnüffelt hat.

Zusammengenommen bedeutet der aktuelle Stand in unserer Hund-Mensch-Beziehung, dass sich die Mühe, der Frust und die Arbeit mit Clooney im Hundeverein in den vergangenen achtzehn Monaten gelohnt haben. Das treibt mir bisweilen Tränchen der Rührung ins Auge. Und dann kann ich nicht anders, als den dürren Kerl herzunehmen und mal so richtig durchzuknuddeln – was er ganz offensichtlich angenehm findet.

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