Rein statistisch betrachtet, so eine Studie, die Ihr Ergebener nicht persönlich gefälscht hat, hat jeder achte Social-Media-Nutzer dort schon mal gepöbelt. Je nach der Filterblase, in der man schwimmt, dürfte der Anteil deutlich höher liegen, vor allem, wenn sich in dieser Blase viele Fußballfans aufhalten. Nun ist es kein neues Phänomen, dass sich die Anhänger eines Vereins über die Spieler, vor allem den Trainer, aber auch die Funktionäre aufregen. Früher (als alles ein bisschen später war) fand das Beschimpfen vorwiegend im Stadion statt und natürlich in den Kneipen und sonstigen Treffpunkten der Fans. Das Blöde heutzutage ist, dass die Hasstiraden quasi aktenkundig sind und nicht verschwinden, wenn solch ein Hater endlich seine Fresse hält. Momentan erleben wir bei der geliebten Fortuna wieder eine hohe Welle kritischer Anmerkungen, die das Maß der im Fußball üblichen Pöbelei überschreiten.

Aus einer Position des ganz normalen menschlichen Anstands heraus ist das schwer erträglich. Aber, die Ursachen für das Hassgerede haben sich anscheinend nicht geändert. Die Masse der pöbelnden Wutfans lässt sich in drei Kategorien einteilen. Die Reihenfolge stellt keine Wertung dar.

Der Besserwisser

Dieser Typus Hater bezieht seine Legitimation aus dem Glauben, er sei mindestens so kompetent wie Trainer, Sportdirektoren, Scouts und sonstige Funktionäre. Meist begründet er das (wenn er es denn begründet) damit, dass er schon lange dabei ist, also schon „viel(e/s) hat kommen und gehen gesehen“ hat. Den Besserwisser zeichnet aber aus, dass er in seinem Wissen über den Fußball irgendwann stehengeblieben ist und das Spiel immer noch auf eine Weise begreift, die ungefähr seit der WM 1990 (oder spätestens der im eigenen Land…) veraltet ist. Er kennt keinen der von ihm kritisierten Leute persönlich, brüstet sich aber damit zum Beispiel mal Klaus Allofs die Hand gedrückt zu haben.

Überhaupt keine Ahnung hat der Besserwisser davon, wie ein Fußballverein in diesen Zeiten funktioniert, und am wenigsten weiß er über die Besonderheiten des TSV Fortuna Düsseldorf e.V. Bescheid. Natürlich ist er entweder nicht Mitglied oder hat als Mitglied noch nie an einer Jahreshauptversammlung teilgenommen. Trotzdem glaubt er, den Vorständen und Aufsichtsräten Noten erteilen zu können. Aber: Nicht jeder Besserwisser ist auch ein Wutfan – dazu wird er erst, wenn er genau eine verantwortliche Person zum großen Schuldigen erkoren hat; der gegenüber wird er dann im Netz gnadenlos, findet (meist nicht sehr witzige) Spitznamen, die sein Opfer verächtlich machen sollen und wird nicht müde, diesen Menschen auf übelste Weise (die oft mit Fußball nichts zu tun hat) zu beschimpfen.

Der Neidhammel

Diese Sorte arbeitet sich vor allem, wenn nicht gar einzig an den Einkünften von Spielern, Trainern und Funktionären ab. Jeder, der mehr verdient als er, wird vom Neidhammel mit Häme und Hass überzogen. Vorstände, Direktoren und Aufsichtsräte werden gern als aus der „Teppichetage“ kommend etikettiert. So wird eine Ihr-da-oben-Position erzeugt, für die gilt, dass deren Insassen „völlig abgehoben“ sind und vor allem nur an Kohle interessiert. Spieler werden dann gern als Millionarios verunglimpft, wobei der Neidhammel in aller Regel nicht den geringsten Schimmer davon hat, wer genau wie viel verdient. Er weiß nur, dass es mehr ist, als er selbst in seinem Job bekommt. Getrieben ist er also vor allem durch Neid.

Besonders schlimm ist diese Spezies, wenn ihre Vertreter selbst irgendwann mal im Leben Fußball gespielt haben. Dann sind sie tierisch neidisch darauf, dass irgendwelche Hanseln „aus ihrem Hobby einen Beruf gemacht haben“, was ihnen verwehrt war. Natürlich ist diesen Typen nicht im Geringsten bewusst, dass ein Profikicker heutzutage schon ab seinem elften, zwölften oder dreizehnten Lebensjahr auf Vieles verzichten muss, was Jungs in dem Alter Spaß macht, und eben nicht nach dem Kick auf Asche mal eben einen saufen gehen können wie sie selbst es früher getan haben.

Der Fremdenfeind

Vorab: Nicht jeder der hier gemeinten Fremdenfeinde ist ein Rassist, aber alle Rassisten hier und woanders sind Arschlöcher. Komischerweise ist die Verbreitung von Fremdenfeinden unter den Wutfans der Fortuna besonders groß. Meist nennt sich der Fremdenfeind selbst „ächter Düsseldorfer“ und gern auch „Lokalpatriot“. Sein Verständnis vom Fußball der Fortuna ist massiv romantisch geprägt; er hängt immer noch der Vorstellung an, eigentlich dürften nur Bio-Düsseldorfer das Hemdchen mit dem F95 vorne drauf tragen, und alle Funktionäre müssten natürlich hiesige Leitfiguren sein. Während der handelsübliche Romantiker die Tatsache betrauert, dass das alles vorüber ist, löst es beim Fremdenfeind massive Aggressionen gegen alles Nicht-Düsseldorferische aus.

Und weil in vielen Fremdenfeinden handfeste Rassisten stecken, richtet sich ihre Wut besonders gegen Angehörige diverser ethnischer Gruppen. Gern angegriffen werden Jungs mit afrikanischen Wurzeln, denn wie der Afrikaner an sich so ist, weiß der Fremdenfeind genau. Oder der Jugoslawe, der Grieche, der US-Boy, vor allem auch der Araber – über jeden kann der Fremdenfeind ganz genau sagen, warum er nicht zur Fortuna passt. Asiaten, vor allem Japaner, kommen vergleichsweise gut weg, schließlich ist Japan ja der Freund des Düsseldorfers. Intensiv abgelehnt werden Trainer und Funktionäre aus biodeutscher Zucht, wenn sie komisch sprechen (sächsisch, bayerisch, saarländisch etc.) und/oder irgendwie komisch aussehen, ungewöhnliche Frisuren haben oder eigenartige Klamotten tragen. Besonders beliebtes Ziel unter Spielern und Trainern sind sogenannten „Handelsreisende“, auf die Fremdenfeinde und Neidhammel gleichermaßen wild einschlagen, vor allem, wenn sie auch noch mit einer Ausländerin verheiratet sind.

Die Intensität in der Anonymität

Verrückterweise hat der hasserfüllte Wutfan wenig Scheu, sich unter seinem Klar- bzw. einem wohlbekannten Spitzennamen in den sozialen Medien auszukotzen. Die Skala der Beleidigungen beginnt bei der beliebten, beinahe harmlosen „Graupe“, geht über das rigorose „Der kann nix“ bis zum unbegründeten Wunsch „der soll sich verpissen.“ So werden in erster Linie (und auch von Fans, die ansonsten eher friedlich sind) Spieler angegangen, denen man mangelnde Identifikation unterstellt, also eigentlich allen, die von sich aus die Fortuna verlassen, um zu einem anderen Verein zu wechseln. Hier kommt wieder der aggressive Romantiker ins Spiel, der gern tönt, dieser oder jener solle doch mal verdammt stolz sein, das F95 über dem Herzen tragen zu dürfen. Dazu wird noch ein bisschen Ehre-und-Heimat-Geblubber gemischt, und fertig ist ein Fußballerbild, dass es in der Realität seit dem Bosman-Urteil nicht mehr gibt.

Je anonymer der Hater sich fühlt, desto bösartiger und unanständiger wird er. Einen Schuss Sexismus wird gern hinzugefügt, also z.B. Aussagen, die sich auf den Lebenswandel der jeweiligen Partnerin beziehen. Die Spitze der Verächtlichmachung ist dann der homophobe Ausfall, in dem ein Kerl im Team als „Schwuchtel“ beschimpft wird oder wenigstens als „Mimmi“, weil er sich so wenig mit der Fortuna identifiziert, dass er bei Schmerzen aufschreit. Wer nicht den harten Kerl raushängt, taugt diesen Wutfans schonmal gleich gar nichts. Wie sich beispielsweise ein Zwanzigjähriger, der kaum Kindheit und keine Jugend gehabt hat, weil irgendwer seine eigene Erfolglosigkeit dadurch kompensieren will, dass sein Sohn (Enkel, Neffe etc.) als Profi zum Star wird, fühlt, wenn er mit Neid, Rassismus und/oder Sexismus überzogen wird, interessiert den Hater nicht. Besonders der Neidhammel argumentiert gern so, dass die Graupe ja genug Schmerzensgeld bezieht, da müsse er das abkönnen.

Wie diese Sorte Typen, die sich selbst „Fans“ nennen immer eine windige Rechtfertigung für ihr mieses Treiben bei der Hand haben. Wenn gar nichts mehr geht, hauen sie den blöden Spruch raus, beim Fußball gehe es eben ein bisschen rauer zu. Nimmt sich dann ein Profi mal raus, in den Block zu hopsen, um sich ein Arschloch zu greifen, das seiner Frau lautstark eine Fehlgeburt wünscht, dann ist die Empörung bei den Hatern groß. Denn im Austeilen sind sie Hooligans, im Einstecken eher Schwuchteln und Mimmis.

9 Kommentare

  1. Er hat es schon wieder getan. Unser Verein heißt so nicht …. 🙂

    • Rainer Bartel am

      Sie haben ja sooo Recht: Düsseldorfer Turn- und Sportverein Fortuna 1895 e.V. muss es heißen (wobei „TSV Fortuna Düsseldorf“ eine gängige Kurzform ist…).

      • Herr Bartel, überdenken Sie bitte, ob Sie in Ihrem grundsätzlichen völlig richtigen Artikel im letzten Satz das Wort „Schwuchtel“ benutzen möchten. Ich erkenne, dass Sie dabei eine Verbindung zu dem vorletzten Absatz herstellen wollen, hielte es aber für besser, Sie hätten dies nur über „Mimmi“ getan.

        • Rainer Bartel am

          Vielen Dank für den Hinweis. Sie haben ja erkannt, weshalb Ihr Ergebener dieses miese Wort benutzt hat. Weil es eben auf den Text vorher weist, würden wir es so lassen.

  2. Sehr treffend der Artikel! So ist es leider. Diese hirnlosen Kommentare einiger „Fans“ gehen mir auch mächtig auf den Wecker.

  3. Rainer Bartel am

    Er wird demnächst die „offensichtliche Unfähigkeit“ gewisser Keyboard-Warriors, die unter bekloppten Pseudonymen posten, zum Gegenstand machen.

  4. René H. am

    Ich kann es auch nicht mehr lesen oder hören. Jeder der Fortuna-Fan ist, sollte sich doch bewusst sein, dass wir eben nicht immer gewinnen, und wir nicht immer die tollsten Spieler holen können. Dabei sollte man stolz drauf sein, dass wir einer der wenigen Mitglieder-geführten Verein sind. Wäre das nicht so, würden wir bestimmt öfter gewinnen und auch mal die tollsten Spieler holen. Aber wenn diese Entscheidung fallen würde und wir uns großen Sponsoren öffnen würden, wäre das Geschrei noch viel größer als jetzt.
    Gebt unserer Mannschaft und dem Team drumherum doch bitte etwas Zeit und freut Euch, dass Ihr Fans von so einem tollen Verein seid.
    Und vor Allem: Lasst das Rumgeschreie in den sozialen Medien. Ich kann es nicht mehr hören!

    P.s. Sonst geht halt nach Leipzig 😛

  5. Danke für diesen treffenden Artikel. Einige davon sind auch im 95er-Forum unterwegs. Eine Minderheit, aber extrem laut und pöbelnd. Kann man nur noch meiden, die Freizeit ist dafür zu wertvoll.

    Schade, dass einem solche Menschen (die wohl auf diesem Weg ihr Ego pflegen müssen) diese modernen Möglichkeiten, sich mal schnell über den Fußball und besonders die Fortuna auszutauschen, so vermiesen müssen.