So richtig lässt sich nicht erklären, ob die Realität des Profifußballs den Simulationen angepasst hat oder umgekehrt. Jedenfalls ist das, was meist „Transferpolitik“ genannt wird, in den vergangenen Jahren so wichtig geworden wie nie zuvor. Dabei hat sich der einzelne Kicker zur Aktie entwickelt. Ein Verein (oder Business-Konstrukt) verpflichtet einen Spieler nicht immer vordringlich aus sportlichen Gründen, sondern quasi als Zertifikat, als Optionsschein in der Hoffnung auf Wertzuwachs. Das hat viel mit Spekulation zu tun, wobei die sportliche Leistung, die sich im Einsatz in den Partien zeigt, den Wert der Aktie steigert oder mindert. Der Grund für dieses merkwürdige Treiben liegt auf der Hand: Soccer ist inzwischen ganz eindeutig Business, der Sport Nebensache.

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Riesenkader voller Optionsscheine

So geht es in den großen Ligen bei den reichen Teams schon lange nicht mehr um die Identifikation, sondern ums Spektakel. Alles wird darauf ausgerichtet, immer mehr Menschen weltweit vor die Glotze zu locken, um sich diese Spektakel anzuschauen, dafür zu zahlen oder sich mit Reklame bombardieren zu lassen. So lassen sich die Einnahmen aus der TV-Verwertung – und nebenbei auch aus dem Merchandising steigern. Weil das Soccer Entertainment Business aber zunehmend zum Spielplatz für Investoren geworden ist, steht am Ende der starke Wille zur Profitsteigerung. Wie im wirklichen Leben streben Investoren Wachstum an, also ein ständiges Plus bei den Einnahmen, am liebsten bei gleichzeitigem Senken der kosten. Die größten Profite, das wissen wir spätestens seit Gordon Gekko und dem Wolf of Wallstreet, lassen sich durch Spekulation erzielen. Im Fußball heißt das: Beim Kaufen und Verkaufen von Spielern.

Wie das alles demnächst nicht nur in den Major Leagues des europäischen Soccer abgehen wird, führt die englische Premier League beispielhaft vor. Auch wenn, den Ligaregeln entsprechend, in einem Kader maximal 30(?) Kicker stecken dürfen, besitzen Franchises wie Liverpool, Manchester City, Manchester United, Chelsea und Arsenal die Rechte an deutlich mehr Spielern – alle Akteure mit Profi(vor)verträgen zusammengenommen sind es bei ManCity um die 80 Fußballer. Auch wenn inzwischen alle Erstligisten mit Zweitvertretungen in einer eigenen Liga antreten, haben die genannten „Clubs“ jeweils um die 20, 30 Balltreter über. Wie bei Flugobst werden die durch Liegenlassen auch nicht besser, also streben die Soccer-Companies an, die Überzähligen irgendwohin zu verleihen, wo sie das erwerben, was man „Spielpraxis“ nennt.

Marktwerte manipulieren

Dies aber in erster Linie nicht – wie wir Laien meinen – um sie irgendwann, wenn sie reif sind, zurückzuholen, sondern um zu verhindern, dass ihr Marktwert sinkt. Das steht ohnehin immer im Vordergrund: Die erreichbaren Transfersummen müssen steigen. Womit wir beim guten Zack Steffen sind, dem Torhüter der US-Auswahl, der ja bekanntlich Manchester City gehört und aktuell für ein Jahr an unsere Fortuna ausgeliehen ist. Momentan ist Ederson (Marktwert: 70 Mio) Keeper No. 1 bei City, die beiden anderen sind deutlich über 30 und 1 bzw. 1,5 Mio wert. Deren Verträge enden beide zum Ende der laufenden Saison. Zack, demnächst 25 Jahre alt, ist laut der entsprechenden Online-Dienste 10 Mio wert. Aus sportlicher Sicht wäre die Entscheidung klar: City schickt die beiden Oldies in Rente und holt Steffen als No. 2 für die Saison 20/21 zurück. Aber, bei den englischen Soccer-Enterprises denkt man anders, dort lautet die Frage: Können wir den Marktwert von Zack Steffen steigern und, wenn ja, wie? Wenn man weiß, dass im Hintergrund bei ManCity gleich drei junge vielversprechende Tormänner im Alter von 20 Jahren und jünger lauern, sieht die Sache schon anders aus. Zurückholen würde wenig Sinn machen, weil Steffen als Bankdrücker hinter Ederson seinen Wert nicht steigern würde. Eine Hoffnung, nein, besser: Eine Wette der City-Businessmen ist die darauf, dass der Marktwert von Zack Steffen durch seine Auftritte als No. 1 im F95-Tor steigert. Geht die Wette auf, kann man ihn mit Profit nach Italien, Spanien oder an einen Bundesliga-Verein verscherbeln. Und könnte zwei junge Keeper aus eigenem Stall als zweiten und dritten Ballfänger etablieren.

Wie gesagt: Mit Sport hat das wenig bis nichts zu tun. Aber, nur die reichen Firmen im Fußballgeschäft – auch dies eine Analogie zur Finanzwelt – können sich solches Glücksspiel leisten. Arme Schlucker wie unsere launische Diva müssen anders an die Sache herangehen, wollen sie ernsthafte Überschüsse aus dem Transfer von Spielern erzielen. Die Fortuna muss tatsächlich auf eigene oder in sehr jungen Jahren zugekaufte Kicker setzen, diese sportlich entwickeln, um sie dann möglichst teuer zu verkaufen. Was aber, wenn das nicht klappt – wie im Fall von Davor Lovren, der soeben an einen kroatischen Erstligisten verliehen wurde? Zwei Möglichkeiten: Besteht Hoffnung auf sportlichen Fortschritt und Wertzuwachs wie bei Lovren (oder auch Iyoha und Gül), macht man es wie die Großen, verleiht die Spieler, damit sie für die Fußballwelt sichtbar bleiben. Hat ein solcher Balltreter a) seinen sportlichen Zenit überschritten oder b) ist eine positive Entwicklung unwahrscheinlich, versucht man ihn zu verkaufen, um ein paar Euros zu machen, oder lässt ihn ablösefrei ziehen, um Platz im Kader zu schmieden. Nicht vergessen: So wird gedacht, wenn man Spieler als Geldanlage betrachtet und der sportliche Aspekt eine Nebenrolle spielt.

Die Fälle Lovren und Bormuth

Was zur Personalie Robin Bormuth bringt. Der kam mit 18 Jahren aus der Darmstädter Jugend und ist ein solider Verteidiger, kein Ballzauberer, kein kreativer Kopf, einfach einer, der genau das tut, was ein Verteidiger tun soll. Nebenbei sorgt er beim Training und in der Kabine für Stimmung. Und weil er seine bisherige Profikarriere durchweg bei F95 absolviert hat, ist er bei den Fans beliebt und eigentlich aus dem Kader nicht wegzudenken. 24 ist der gute Robin nun, und weil er für seinen Geschmack (und den vieler Fans) viel zu selten eingesetzt wird, trägt er sich mit Abwanderungsgedanken. Zur kommenden Saison könnte der Bube, dem ein Marktwert von 1,5 Mio attestiert wurde, ablösefrei wechseln. Sehen wir wieder von der sportlichen und auch der sozialhydraulischen Seite einmal ab und konzentrieren wir uns aufs Geschäft. Einen nicht vollkommen leistungsfreien Spieler ohne Ablöse abgeben zu müssen, ist immer blöd, denn da entgeht dem Verein Geld. Ihn aber auf Teufel komm spielen zu lassen, damit er einen neuen Vertrag unterschreibt, wird mit einiger Sicherheit keinen Wertzuwachs bringen – es sei denn, der Kerl schlägt plötzlich und überraschend ein wie eine Bombe (was bei einem Mittelfeldler oder Stürmer vorkommen kann, bei einem Verteidiger eher nicht).

Bedeutet: Mehr als 1,5 Mio wird man für Bormuth nicht kriegen, und je älter er wird, desto weniger wird er wert sein. Man könnte nun (immer in der reinen Geschäftslogik gedacht) einen neuen – wie heißt es so schön? – leistungsbezogenen Vertrag mit ihm abschließen und ihn dann an einen Zweitligaverein mit Kaufoption verleihen. Vermutlich würde bei ungefähr zwei Dritteln aller Clubs in Liga 2 zum Stammspieler, wäre glücklich und zufrieden und könnte der Fortuna nach einem Jahr sogar noch ein paar Kröten einbringen.

Da schließt sich der Kreis: Spieler sind die Optionsscheine der Fußballfirmen. Wie im Spekulationsgeschäft gibt es Call- und Put-Optionen, man kann von der Short- oder der Long-Position aus agieren und mit mehr oder weniger Risiko investieren. Immer mit dem Ziel und in der Hoffnung Profite zu erzielen. Hat alles mit Fußball nichts zu tun.

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