Der Chefred meint: Nick, es ist Länderspielpause, schreib doch mal was dazu. Okay, sag ich, aber dann fang ich mit dem Weltmeister 1966 an: England! Und, ja, natürlich war der Ball drin. Außerdem hätten wir auch so gewonnen. Dass beim 4:2 schon jede Menge Supporters auf dem Rasen waren – geschenkt; manchmal graben ja Fans in so Situationen sogar Elfeterpunkte aus. Jedenfalls: Mein Dad war da im Wembley-Stadion. Also in der Nähe. Als Helfer an einem Fish’n’Chips-Stand hinter der Gegengeraden. Da war ich noch nicht mal zwei. Und er gerade mal neunzehn Jahre alt, my ol’man. Obwohl er – hat er mir kurz vor seinem Tod gestanden – kaum zehn Minuten vom Spiel gesehen hat, konnte er bei ausreichendem Pale-Pegel das komplette Spiel von der ersten bis zur einhundertneunzehnten Minute nacherzählen. Mit vollem Körpereinsatz, und Nobby Stiles war lebenslang sein Held. Obwohl der ja von F***ing Manchester United war, dem Club, mit dem uns Loiners eine tiefe Feindschaft verbindet.

Halbtags vor Kohle

Mal am Rand: Diese Rivalität geht zurück bis ins 15. Jahrhundert! Dagegen kann die Feindschaft zwischen Düsseldorf und Köln weißgottnicht anstinken. Da kommen höchstens noch die Erbfehden zwischen den mitteralterlichen Hochburgen in Italien mit. Anyway. Mein Dad musste nichtmal Fußballromantiker sein, um Stiles zu lieben – der Mann mit den fehlenden Beißern stand eben genau für den Soccer, den die Working Class verehrte. Davon hatten die Krauts auch ein paar auf dem Platz am 30. Juli 1966 – allen voran Willi Schulz, Lothar Emmerich, Horst Höttges und vielleicht noch Siggi Held. Da gab’s die Bundesliga erst drei Jahre, und die Spieler hießen „Vertragsfußballer“ oder so. Ja, das waren schon Profis, aber doch nicht so richtig.

In England war die Profi-isierung schon früher passiert; Berufskicker gab’s da schon vor dem zweiten Weltkrieg. Aber auch in der ersten Liga dort spielten jede Menge Jungs, die halbtags noch arbeiten gingen. Manche auch im Kohlebergbau. In Deutschland zierte man sich erst noch. Man wollte Fußball als Sport bewahren. Aber das ging ja gerade mal bis ungefähr bis zum Bundesliga-Skandal gut. Wie in England war ein neuer Spielertyp entstanden: der smarte Businesskicker, perfekt verkörpert von Franz Beckenbauer. Dass dem ehemaligen Kaiser Geschäft immer vor Sport gegangen ist, wissen wir ja jetzt alle. So betrachtet war die WM 1966 eigentlich die letzte richtige Fußballweltmeisterschaft. Wo es nicht um Prämien, sondern um die Ehre ging. Ist ja eigentlich bekloppt: Damals war im Fußball viel mehr Nationalstolz im Fußball, aber es gab viel weniger Nationalismus. So war’s wenigstens in England. Mag daran liegen, dass wir nur ein Teil des United Kingdom sind und manchmal gar nicht wissen, für welche Nation wir nationalistisch sein sollen.

Mehr Kohle

So ungefähr bis 1994 fühlten sich viele Spieler noch wirklich geehrt, in eine Nationalmannschaft berufen zu werden. Sie hatten ja sonst auch nichts. Im Gegenteil: Weniger Urlaub. Und wer nicht Weltmeister wurde, kriegte auch keine nennenswerte Prämie. Heute sieht das ganz anders aus: Der Status „Nationalspieler“ ist ein reiner Faktor bei der Berechnung des Spielerwertes. Kostet beispielsweise der fiktive Jeremy Proles auf dem europäischen Markt 12 Mio Euro, wird dieser Wert nach seinem ersten Einsatz im Dress der Three Lions mit dem Faktor 1,5 multipliziert. Macht 18 Mio. Darf er zu einer EM mit, geht’s weiter mit x2, bei einer WM x3 – und wird er Weltmeister, kann man den Ausgangswert mal 8 nehmen. So ist jedenfalls das Prinzip. Deshalb haben die Vereine ein großes Interesse, ihre Spieler in die Nationalmannschaften zu kriegen; deshalb gehen sie auch das Verletzungsrisiko ein.

Für einen Spieler rechnet sich das alles noch mehr – jedenfalls wenn er eine werbefähige Visage hat. Experten rechnen damit, dass sich das Honorar für einen Spieler als Werbeträger durch die Beteiligung an einer EM oder WM verfünfzigfacht. Das ist doch was.

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