Pokalspiele sind die Könige der Phrasendreschmaschine. Nur rund um diese Ausscheidungsspiele trauen sich Sportkommentatoren, aber auch Fans auf Facebook und in den Foren derart viele Plattitüden abzusondern, von denen der Spruch vom Pokal, der eigene Gesetze habe, noch der harmloseste ist. Das Binsenwort des gestrigen Abends lautet „Augenhöhe“. Wer es in Bezug auf die Partie zwischen der glorreichen Fortuna und diesem BMG anwandte, wollte damit sagen, dass ein großer Unterschied in den fürs Fußballspiel wesentlichen Belangen zwischen den Teams nicht zu erkennen waren. Ach was? möchte man rufen: Immerhin trat der souverän führende Spitzenreiter der zweiten Liga auf eine Mannschaft, die im Mittelfeld der ersten Liga rumkrebst. Über die Ligengrenzen betrachtet trennen die beiden Clubs nur zwölf Plätze. Wer also über „Augenhöhe“ fabuliert, macht diese wunderbare Fortuna-Mannschaft der Saison 17/18 kleiner als sie ist.

Denn – ohne tiefergehende Analyse behauptet – diese F95-Truppe war bis zum 0:1 die überlegene Mannschaft. Genau EINE Torchance erspielten sich die Ostholländer in der ersten Halbzeit, F95-Tormann Raphael Wolf hatte praktisch nichts zu tun. Kam der Erstligist mal in die Offensive, lief die Sache schematisch, also wenig kreativ und fruchtlos ab. Die Männer in Weiß nahmen die BMG-Defensive dagegen ein ums andere Mal durch ultraschnelles Flügelspiel auseinander. Und natürlich hätte das Foul an Jean Zimmer im Gladbach-Strafraum in der 36. Minute einen Strafstoß nach sich ziehen müssen! Wobei: Der von erfahrenen F95-Fans gefürchtete (Osnabrück! Osnabrück! Osnabrück!) Schiri Gräfe pfoff über die gesamte Spielzeit betrachtet ganz ordentlich und brachte seinen einzigen großen Fehler vermutlich in dieser Situation. Wäre, wäre, Fahrradkette… Niemand bringt es was, ein Fußballspiel im Konjunktiv zu besprechen. Schließlich zählt tatsächlich nur das Ergebnis. Und das lag zur Pause bei 0:0.

Zuvor hatte man als Anhänger der wundervollen Fortuna Gelegenheit zu erleben, wie sich eine bis auf den letzten Platz ausverkaufte Arena anfühlt. Was seit dem legendären „Soft-Opening“ am 10.09.2004 bei F95-Spielen insgesamt elfmal der Fall war. Organisatorisch lief das so-lala ab, wobei manches Gedrängel eher durch unerfahrene Besucher ausgelöst wurden, also sogenannte „Eventies“, die mit den Abläufen bei einem Fußballspiel nicht so vertraut sind. Leider ließen die sich auch vom Support der Ultras nur wenig animieren, wobei die oft in den üblichen Fahrstuhl-Rhythmus abbogen, sodass die wirklich heißen Anfeuerungen woanders auf der Süd angestoßen wurden. So laut die BMG-Anhänger, so peinlich deren uninspirierte, öde Pyro-Fackelei.

Ja, es war eine unglückliche Niederlage. Besonders weil es nur dieses eine Tor für die Gladbacher gab, das ausgesprochen unglücklich zustande kam. Der Schuss dieses BMGler war eher unpräzise und aufs Geratewohl abgefeuert, wurde aber von Andre Hoffmanns Wade dermaßen blöd abgefälscht, dass Keeper Wolf null Chance hatte, das Ei noch von den Maschen fernzuhalten. Weitere Chancen für BMG? Die Strichliste zeigt für die erste Halbzeit eine Markierung, für die zweite sind es drei. Was bedeutet: Die ohne Kaan Ayhan angetretene Viererkette hatte den Gegner immer im Griff. Beeindruckend einmal wieder die Souveränität des jungen Robin Bormuth. Gab es Schüsse auf Wolfs Tor, die nicht – wie in gefühlten 80 Prozent der Fälle – weit drüber oder vorbei gingen, blockten die F95-Spieler diese bevor der Keeper eingreifen musste. Fehler gab es auf Seiten der Fortuna wenige; nur drei oder dreieinhalb hatten ernsthaften Einfluss aufs Geschehen, und zwei davon gingen aufs Konto Übereifer.

Spieler des Tages war sicher der von Gladbach ausgeliehene Florian Neuhaus, der nicht nur einen, sondern mehrere Sahnepässe spielte und für den Gegner praktisch nicht zu stoppen war. Aber auch Käpt’n Oliver Fink zeigte erneut, wie ein professioneller Fußballspieler mit maximalem Einsatz und starkem Willen eine Partie beeinflussen kann. Das gilt auch und ebenfalls wieder für Rouwen Hennings, der allerdings nicht eine einzige Torchance hatte. Eine nicht so schöne Folge der mehr oder weniger durch die Sperren erzwungenen Aufstellung war, dass die pfeilschnellen Jean Zimmer und Benito Raman nicht auf derselben Seite spielten. Wobei überhaupt Ramans Rolle als hängende Spitze seine Qualitäten nicht wirklich ausnutzt. Das alles ist Jammern auf hohem Niveau, denn auch mit dem 4-4-1-1 funktionierte das Team hervorragend.

Die Gründe für diese traurige Niederlage liegen also woanders und sind in der Phase ab etwa der 70. Minute zu suchen. BMG hatte auf ein sehr tiefstehendes 4-5-1 umgestellt und setzte diese Defensivtaktik absolut perfekt um. Räume gab es kaum noch, die Schnittstellen zwischen den Spielern in den Ketten waren schmal, und der Fortuna fiel wenig ein. Daran änderten auch die Einwechslungen von Takashi Usamai (68.) und Emir Kujovic (80.) wenig. Allerdings wurde Marcel Sobottka in dieser Phase aktiver, und Niko Gießelmann mutierte immer mehr zum Außenstürmer. Und genau der gute Gießelmann war es, dem ein Elfer geschenkt wurde, den er leider selbst schießen wollte (und nicht Fink wie zu erwarten war). In der 73. Minute setzte er die Pille an den linken Pfosten und hatte auch noch das Pech, dass der Ball nicht zu ihm zurücksprang. Vergessen wir Julian Schauerte nicht, der als rechter Außenverteidiger eine disziplinierte Partie bot und seinen Anteil an der großartigen Defensivleistung der von Trainer Friedhelm Funkel betreuten Mannschaft hatte.

Nein, es war kein großartiges, verzauberndes Fußballspiel, es fühlte sich eher an wie eine ganz normale Ligabegegnung. Aber es war ein großes Spiel zweier Erzrivalen, die momentan in zwei verschiedenen Ligen spielen – nicht mehr und nicht weniger. Dass es einen für die Fortuna und ihre Freunde, Fans und Anhänger trauriges Ende fand, hatte keinen besonderen Grund, hing nicht an besonders dramatischen Momenten, sondern war und ist einfach so. Vielleicht ist es das, was der Begriff „Augenhöhe“ eigentlich besagen will.

8 Kommentare

  1. Ja, natürlich war der oft zitierte Klassenunterschied nicht zu sehen.
    Wie auch bei den beiden anderen Partien zwischen Erst- und Zweitligisten gestern abend hätte es auch ein ganz normales Ligaspiel sein können.

    Die Fortuna hatte in der ersten Halbzeit die größere von insgesamt wenig großen Chancen und hat in der Tat häufiger schnell nach vorne gespielt. Etwas, was der Borussia nicht erst seit Beginn dieser Saison abgeht.

    Jean Zimmer hat es jedenfalls genutzt, dass nur noch ein echter Linksverteidiger im Borussen-Kader steht und der daher dauernd spielen darf. Wendit ist derziet nicht nur gedanklich, sondern auch körperlich lahm.
    Wenn das Dahinsinken von Zimmer in der 36. Minute allerdings ein Elfmeter hätte sein sollen, muss das Beinstellen gegen Raffael ganz kurz vor dem Halbzeitpfiff ebenfalls ein Elfer sein.
    Was Gräfe da allerdings gesehen oder nicht gesehen hat, ist mir ohnehin unklar. So, wie Wolf den Ball gelegt hat, habe ich auf einen späten (und falschen..) Abseitspfiff getippt.

    Auch in der zweiten Halbzeit konnte man keinen wirklichen Unterschied sehen. Borussia schien mir einfach nur etwas kontrollierter zu sein in allen Aktionen. Allenfalls Cuisance (27), der nach einer Stunde gedanklich und körperlich platt war, hat durch leichte Ballverluste die Ordnung gestört.
    Was mir aber spätestens nach 75 Minuten so richtig auf den Geist ging: Die arrogante Lässigkeit, mit der gute Kontermöglichkeiten gegen nun offenere Fortunen vertändelt wurden. Man bekam den Eindruck, dass die Borussia überhaupt kein Tor mehr schießen wollte. Für mich nicht nachvollziehbar, aber in dieser Saison kein Einzelfall.
    So blieb es beim glücklichen 0-1, auch weil der fast schon geschenkte Elfer nicht rein ging.

    Schade für die Fortuna, dass es sich bei den besten Spielern um Leihspieler handelt.
    Raman fiel mir zwar nicht so auf gestern, aber Zimmer und vor allem Neuhaus zeigten sich gut.
    Wir können uns dann nächste Saison auf ihn freuen. Wobei das fast schon zum Problem wird.
    Denn die beiden 6er, die gestern gespielt haben, sind auch noch sehr jung. Fast schon ein Überangebot.

    Wenn die Fortuna so weiter spielt wie bisher, dürften sie tatsächlich um die Plätze 1 bis 3 mitspielen.
    Von mir aus gerne. Das Rheinstadion liegt für mich räumlich tatsächlich noch näher als der Nordpark.

  2. Naja, schlecht gespielt und trotzdem gewonnen macht dann wohl doch den Unterschied aus. Ich würde das gar nicht an der Klasse festmachen – die Fortuna ist aus exakt diesem Grund Tabellenführer in ihrer Liga.
    Was mir gar nicht gefallen hat war die Körpersprache unserer Jungs. Es fehlte die sonst so souverän vorgetragene Selbstverständlichkeit, da war mir viel zu viel Respekt im Spiel. Gladbach hatte offenbar auch sehr gründlich das Spiel der Fortuna studiert, die schnellen Konter speziell über Raman verpufften überwiegend wirkungslos. Das war zwar wenig glanzvoll, aber zumindest effektiv. Was auch für die sehr defensive Spielweise nach dem Tor gilt. Kann man sich drüber ärgern, sieht auch nicht schön aus, wenn Gladbach das etwas lustlos-routiniert runterspielt, hat aber funktioniert.

  3. Kleine Anmerkung: die Arena war bei mehr als drei Fortunaspielen ausverkauft, z.B. im Pokal 2011 gegen Dortmund, 2009 beim Aufstieg in die 2. Liga gegen Bremen II, beim letzten Spiel der Zweitligasaison 2011/12 gegen Duisburg und dann in der Relegation gegen Hertha. In der Bundsliga 2012/13 zumindest gegen Bayern und Schalke und sogar nochmal in der Zweitligasaison 2013/14 gegen Köln. Es mögen sogar noch mehr Spiele sein, aber mehr als drei sind es allemal.

    • Rainer Bartel am

      Absolut korrekt! Das korrigiere ich gern. Hab inzwischen die Spieltage ab 2005 ausgewertet und komme nun (Pokal und Relegation inklusive) auf 4 ausverkaufte Partien in der Erstligasaison (Gladbach, Dortmund, Schalke, Bayern), wobei gegen Gladbach wegen der DFB-Sanktionen nur 30.000 in der Arena waren, 3 ausverkaufte Partien in Zweiligaspielzeiten (Bremen II, Duisburg und Köln) sowie 1 mal in der Relegation und mit gestern 3 mal im Pokal (HSV, Dortmund, Gladbach) – summasummarum also 11 ausverkaufte Begegnungen in der Arena. Danke für den Hinweis – wird im Text korrigiert.

      • Bist Du sicher, dass das Pokalspiel gegen den HSV ausverkauft war? Bei kicker.de, fussballdaten.de und dfb.de werden 35.400 bzw. 35.600 Zuschauern genannt.

  4. Das Pokalspiel gegen den HSV war bei weitem nicht ausverkauft. Laut Kicker waren dort 35.400 Zuschauer.
    Dafür werfe ich noch das Spiel gegen Duusburg in der 1. Saison nach dem Zweitligaaufstieg in den Ring. Dort waren zwar nur 48.250 Zuschauer. Aber ich meine, mehr konnten zu zu diesem Spiel nicht hereingelassen werden. Da ja erst zur darauffolgenden Saison der baulich abgetrennte Gästeblock, so wie er heute existiert, errichtet wurde, bekamen Gäste in der Zeit davor immer die komplette Nordtribüne. Da diese auch nicht wirklich baulich getrennt von den Geraden war, mussten dazwischen reichlich Pufferbklcke freibleiben. Bei besagtem Spiel haben die Zebras nach meiner Erinnerung ihr Kontingent mit ca. 10.000 Karten für die Nordtribüne voll ausgeschöpft und der Heimbereich war ebenfalls ausverkauft.