Der ehemalige Güterbahnhof in Bilk mit dem merkwürdigen Platz zwischen Elisabeth- und Friedrichstraße war über viele Jahre ein wunderbar angeranztes Biotop für merkwürdige Läden und angesagte Gastronomien. Und dem 2008 verstorbenen Oberbürgermeister Joachim Erwin ein Dorn im Auge. Denn der hatte es nicht so mit Biotopen, sondern stand mehr auf ordentliche Klötzchenarchitektur. Und wollte deshalb anstelle des Wildwuches eine kantige Shoppingmall, die er auch bekam. Heute präsentiert sich das Gelände ordentlich und modern und mit U-Bahnhaltstelle, aber trotzdem wollten die Nachkommen nicht, dass der Platz seinen Namen trägt. Im Vorfeld des Baus gab es jede Menge Widerstand und heftige politische Konflikte. Vor allem weil negative Auswirkungen auf den umgebenden Einzelhandel befürchtet wurden. Die Angst hat sich nicht bewahrheitet, aber schön oder nett ist das Ding auch nicht. 2008 haben wir auf „Rainer’sche Post“ unsere erste Eindrücke von der Mall, die erst „Bilker Arkaden“, dann „Düsseldorf Bilk Arkaden“ bzw. Arcaden genannt und jetzt kraft großem Schild an der Front „Düsseldorf Arcaden“ heißt, wiedergegeben:

Laut Wiktionary ist Arkadien in der antiken Dichtersprache das Land der Seligkeit und des Glücks. Rein geografisch ist Arkadia eine griechische Präfektur auf dem Peleponnes. Warum in Zeus Namen die Planer der Shoppingmall am Bilker Bahnhof den hässlichen Schuhkarton „Arcaden“ (nur echt mit dem bescheuerten „C“) nennen mussten, wollte ihr ergebener Berichterstatter herausfinden. Dazu musste der heutige Dienstag herhalten – ein regnerischer Tag in den hiesigen Herbstferien. Der erste Eindruck ist wenig paradiesisch: Hinter einer grauen Pflasterfläche ragt ein weißlicher Quader auf, der am unteren Rand mit bunter Leuchtreklame beklebt ist. Wer nicht zu den geübten Konsumisten zählt, auf den wirkt das wenig einladend.

Nicht so auf die umherschweifenden Massen, die mit Kind, Kegel, Oma und Opa das langgestreckte Innere bevölkern. Ja, es ist richtig voll eine Woche nach der Eröffnung. Auffällige viele Kinderwagen werden geschoben, und eine Menge pickliger Pubertätsbomben bahnt sich breitbeinig den Weg zum Mediamarkt. Denn der ist Hauptanziehungspunkt in den Bilker Arkaden. Rein mathematisch gesehen verdünnt sich die Menge relativ zur Entfernung vom Paradies der Unterhaltungselektronik. Da können selbst die Klamotten-Dealer H&M und C&A nicht gegen anstinken. Und dass obwohl sich das Angebot im Mediamarkt nicht von dem in den anderen Mediamärkten oder bei Saturn unterscheidet.

Es kommt zu komödiantischen Dialogen. Eine Familie im preiswerten KiK-Outfit diskutiert im Rahmen seines Sprachschatzes vor den DVD-Festplatten-Rekordern. „Iss zu teuer,“ sacht Mutti aus dem Kragen ihres lilafarbenen Allwetterzeltes heraus. „Nee, wieso denn,“ bellt Papa, „mach ich doch auf Kredit.“ Schessica macht derweil am Flach-TV rum. Ein Zweistimmiges Lass-das folgt, und der Kauf wird besiegelt. Am Kreditbüro steht man Schlange, denn das ist ja das eigentliche Geschäftsmodell von Läden dieser Gattung: Leuten, die es sich nicht leisten können, Zeuch auf Pump zu verticken, das sie sich nicht leisten können. Hier werden also die Fälle für Peter Zwegat generiert.

Das Angebot

Auch sonst findet sich im Konsum-Arkadien derselbe Müll, den es überall gibt – nur höher konzentriert. Die Spitze der Standardboutiquen bildet Esprit, Angebote wie das des berüchtigten Textil-Diskonts („6 Damenslips für 1,29“) fehlen. Außer dem ALDI, der hier zu Lasten der Filiale am Fürstenplatz eröffnet wurde (und ziemlich leer war…) gibt es einen Kaiser’s. Im asiatischen Manikürestudio sind alle Sessel besetzt, nur der Shop für künstliche Nägel gähnt.

Am Westende stinkt’s nach Essen, denn im Untergeschoss klumpen sich hier die Imbisse. Beim Döner-Mann stehen sie Schlange, selbst beim Stäbchen-Asiaten ist es richtig voll. Das gilt auch für die verschiedenen Cafés – alle gut besucht.

Aber irgendwas stimmt nicht an diesem Bau. Nach einer guten halben Stunde muss ich raus, an die frisch, fromm, feuchte Luft. Ich habe Kopfschmerzen, und mir brennen die Augen. Vor der Tür treffe ich auf eine ältere Dame, die dasselbe zu beklagen hat. Auch andere Besucher haben sich schon entsprechend geäußert. Eine Ursache dürfte der Baustaub sein, der noch in der Luft liegt und sich teilweise auf den echthölzernen Handläufe der Geländer abgesetzt hat. Auch die Lichtregie scheint daneben gegangen zu sein: Es ist zu hell und vor allem zu gleichmäßig hell. Die simplen Leuchtkörper in den Gängen blenden regelrecht. Hinzu kommt, dass die Klimaanlage das Innere zu stark aufwärmt und für eine extrem trockene Luft sorgt. Das ist sehr unangenehm.

Die Menschen

Nun war ich ja im Auftrag vor Ort, also begann ich, die Menschen zu befragen. Die Standardfrage lautete: „Stellen Sie sich so das Paradies vor?“ Gut, nur ein älterer Herr in Freizeitjoppe ist zur Antwort bereit und sagt: „Nein.“ Die anderen sehen mich bestürzt an und gehen weiter. Ich stelle um auf: „Wie stellen Sie sich das Paradies vor?“ und ernte vier Aussagen. Ein klassischer Mittagspausenmann im Anzug meint: „Da muss man nicht arbeiten, hähähä.“ Dann treffe ich auf eine etwas überschminkte Mittvierzigerin mit Übergewicht: „Sonne, Strand, Palmen…“ So sieht sie auch aus. Der Jüngling mit deutlichem Migrantenhintergrund gibt zu Protokoll: „Ey, nur rumliegen, Weiber, weissu…“ Natürlich grölt ein Berufsschüler im Kreise seiner Kumpels nur „Freibier!“ als Antwort.

Ich besinne mich und gehe dazu über, die Anwesenden nach ihrer Meinung zu den Arcaden zu befragen. Dazu etwas ins Mikro zu sagen, ist fast jeder bereit. Fassen wir es so zusammen: Gut 90 Prozent gefällt der Schuhkarton. Kritik gibt’s nur im Detail. Nachgefragt, ob man denn in Zukunft nun immer hier shoppen werde, kam Überraschendes: Kaum ein Viertel der Befragten bejaht dies. Ein Gang durch die Tiefgarage muss als Indiz für diese geringe Rückfallquote herhalten. Gefühlte 30 Prozent der Kennzeichen lauten auf NE für Neuss, weitere 30 Prozent sind mit ME (Kreis Mettmann – alles um Düsseldorf herum von Baumberg über Hilden bis fast Velbert) beschriftet. Rund 20 Prozent der Autos kommen von weiter her, vorwiegend aus Krefeld, Solingen, Wuppertal, aber auch Köln und Leverkusen sind vertreten. Die D-Nummernschilder machen kaum 10 Prozent aus. Der Rest ist dann buntgemischt.

Die Zukunft
Für uns Menschen im Viertel – genauer gesagt aus Bilk, Unterbilk und Friedrichstadt – haben die Arcaden nichts zu bieten, was wir nicht bei lokalen Händlern oder „in der Stadt“ (also Schadowstraße, Altstadt etc.) kriegen könnten. Für Leute vom Fürstenplatz ist es ja zur Kö nicht weiter als zum Bilker Bahnhof. Wer das breite Angebot beim täglichen Einkauf schätzt, der ist eh besser beim Real,- gegenüber aufgehoben; da gibt es eine gut sortierte Lebensmittelpalette. Wegen C&A und H&M kann man auch mal zur Schadowstraße gehen oder fahren. Bleibt der Mediamarkt, der aber mit dem Medimax am unteren Ende der Kö und Saturn im Sevens konkurriert.

Keine Chance gegen den klassischen Stern-Verlag an der Friedrichstraße wird die Thalia-Filiale in den Arcaden haben, das ist heute schon zu sehen. Zu lieblos das Sortiment, zu wenig buchhändlerisch die Atmosphäre.

Wie die Umfrage schon zeigt, hält sich die Attraktivität der Shoppingmall am Bilker Bahnhof für Auswärtige in engen Grenzen, was auch an der schlechten Parksituation liegt. Die Tiefgarage hat nur 800 Plätze (war heute fast voll) und ist teuer; Parkmöglichkeiten im Umfeld sind Mangelware. So sind die Arcaden im Prinzip für die Leute außerhalb des Viertels interessant, die entlang der S-Bahnstrecke zwischen Wuppertal und Mönchengladbach wohnen und den Bürgern, die per Bus und Straßenbahn gut zum Bilker Bahnhof kommen.

Für die, die immer schon oder schon sehr lange im Umfeld wohnen, werden die Arcaden wohl eher kein Shopping-Paradies werden.

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