Inspiriert zu diesem Thema hat mich eine junge, mir sehr sympathische Frau, der ich unter einem Gingko-Baum begegnete. Es war in einer lauschigen Sommernacht. Sie und ihre Freunde nutzten gerade das Angebot eines Schnellrestaurants hier um die Ecke. Nun hat man an der Kirchfeldstraße zwischen Fürstenplatz und Corneliusstraße vor einiger Zeit Gingkos als Straßenbegleitgrün gepflanzt. Sie hatte ein Blatt gepflückt und erzählte, wie sehr dieses ungewöhnliche Ding sie fasziniert. Und da fiel mir die Legende vom Düsseldorfer Gingko-Baum ein, den angeblich schon Goethe bewundert hat. Bis vor wenigen Jahren war dieser Gingko noch zu besichtigen; er stand im Innenhof der Schrobsdorff’schen Buchhandlung an der Kö. Es war dies einer der ältesten und schönsten Buchläden der Stadt, aber 2004 musste man schließen. Übernommen wurde er nach einigen Umbauten von der Mayer’schen.

Sehr viel zu lesen gibt es nicht mehr an der Kö, seit vor ein paar Monaten die Schrobsdorff’sche Buchhandlung zugemacht hat. Nach 132 Jahren. Die Schrobsdorff’sche Buchhandlung war das älteste Geschäft an der Kö. In seinem Innenhof wächst der Ginkgobaum, unter dem einst Goethe gesessen haben soll, so dass die Schrobsdorffer vor lauter Respekt ihren Laden um den Baum herumgebaut haben. [Quelle: Tagesspiegel vom 02.08.2004]

So schildert der Tagesspiegel die Legende vom Goethe-Gingko anlässlich des 200-jährigen Jubiläums der Königsallee. Historisch korrekt ist, dass Goethe des öfteren in Düsseldorf war. Allerdings war er schon längere Zeit verstorben, als die Schrobsdorff’sche im Jahr 1872 eröffnet wurde. Also muss an der Stelle, an der bis 2007 dieser legendäre Gingko stand, etwas gewesen sein, was zum Ruhen einlud. Tatsächlich entstand die Kö, die ursprünglich einfach „Allee außerhalb der Stadt“ hieß, östlich des Grabens, den man nach dem Schleifen der ehemaligen Festungsanlagen eingerichtet hatte. Der Gingko muss also in der äußersten nordöstliche Ecke dieser Grünanlage gestanden haben, und es ist durchaus vorstellbar, dass Wolfgang dort gehockt hat.

Zumal es mit zu seinem Stammquartier, dem Haus der Familie Jacobi (heute an dieser Stelle: der Malkasten) am Rande des Örtchens Pempelfort, zu Fuß nicht weit war. Schließlich musste er nur die Reitallee runtergehen, dann nach Süden abbiegen und den Zipfel Hofgarten durchschreiten, der dort lag, wo heute aus dem Jan-Wellem-Platz der Kö-Bogen geworden ist. Sein Gastgeber Friedrich Heinrich Jacobi, dem er freundschaftlich verbunden war, beherbergte ihn mehrfach. Diese Erlebnisse verarbeitete Jacobi dann u.a. in seinem „philosophischen“ Roman „Woldemar„. Zum Haus der Jacobis zählte der heute noch existierende prächtige Park, durch den der Riesenschriftsteller vermutlich bisweilen wandelte.

Ein Gingko-Blatt...

Ein Gingko-Blatt…

So weit die Fakten. Ob Goethe nun tatsächlich an einem Gingko in der Grünanlage der Allee ruhte oder ob es im Garten des F.H.Jacobi vielleicht Gingkos gab, ist unbekannt. Bekannt ist aber, dass Johann Wolfgang Von diesem Gewächs ein ungewöhnliches Gedicht widmete, das er „Gingo biloba“ nannte – der Rechtschreibfehler ist Absicht. Die erste Version des Poems ging so:

Dieses Baums Blatt, der von Osten
Meinem Garten anvertraut,
Giebt geheimen Sinn zu kosten,
Wie’s den Wissenden erbaut,

Ist es Ein lebendig Wesen,
Das sich in sich selbst getrennt?
Sind es zwei, die sich erlesen,
Daß man sie als Eines kennt?

Solche Frage zu erwidern,
Fand ich wohl den rechten Sinn,
Fühlst du nicht an meinen Liedern,
Daß ich Eins und doppelt bin?

 

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