Am 1. November 1994, also vor ziemlich genau 25 Jahren, wählte der Rat der Stadt Marlies Smeets zur Oberbürgermeisterin. Die hatte da schon 25 Jahre Arbeit in der sozialdemokratischen Fraktion im Stadtrat hinter sich. Vorher musste sie sich im Krankenhaus-Ausschuss bewähren, denn dass eine Frau in der SPD etwas zu sagen haben sollte, war vor 1969 noch nicht vorgesehen. Dabei kam „uns Marlies“ aus dem, was man damals das „Reich der roten Sonne“ nannte – der Rheinischen Bahngesellschaft (Rheinbahn), die fest in sozialdemokratischer Hand war und in der das Parteibuch ein wichtiges Hilfsmittel fürs Vorankommen war. Überhaupt war Düsseldorf fest in CDU- und SPD-Klüngel aufgeteilt: im Brauchtum genauso wie im Sport und natürlich in der Wirtschaft.

LESEBETEILIGUNG: 12,88 EURO FÜR TD
Ihnen gefällt, was The Düsseldorfer über unsere schöne Stadt schreibt? Und vielleicht auch die Artikel zu anderen Themen? Sie möchten unsere Arbeit unterstützen? Nichts leichter als das! Kaufen Sie eine Lesebeteiligung in unserem Shop – zum Beispiel in Form der Düsseldorf-Lesebeteiligung in Höhe von 12,88 Euro – und zeigen Sie damit, dass The Düsseldorfer Ihnen etwas wert ist.

Insofern spielten die Ergebnisse der Kommunalwahlen bis 1979 bei den Weichenstellungen der lokalen Politik eine eher untergeordnete Rolle. Was auch daran lag, dass die beiden großen Parteien in jenen Jahren aufgrund ihrer jeweiligen Ausrichtung viel weniger weit auseinanderlagen als woanders. Kein Wunder, dass die spezifisch düsseldorferische Konstellation nach der Wahl des SPD-Kandidaten Klaus Bungert zum Oberbürgermeister im Jahr 1974 bald den Beinamen „Fraktion Düsseldorf“ erhielt, denn fast alle wichtigen Entscheidungen trafen die beiden großen Fraktionen zusammen mit den wenigen FDP-Ratsmitgliedern im Konsens.

OB-Wahl per Losentscheid

Höhepunkt dieser einzigartigen Situation war dann die Oberbürgermeisterwahl nach der Kommunalwahl 1984, bei der die Grünen über zehn Prozent der Stimmen sammelten und durch ihren Einzug in den Stadtrat die festgefügten Strukturen einigermaßen ins Wanken brachten. Jedenfalls ergab sich bei der Wahl des OB zwischen Klaus Bungert und seinem CDU-Gegenkandidaten Josef Kürten ein unauflösbares Patt. Das führte dazu, dass der OB-Posten per Losentscheid an Bungert ging. In diesem Jahr wurde Marlies Smeets nach 15 Jahren Ochsentour Vorsitzende der SPD-Fraktion.

Die 1936 geborene Frau stammte aus eher armen Verhältnissen und musste nach der mittleren Reife von der Schule abgehen. Politisch geprägt war sie durch den Vater, einen gerade in den Notzeiten nach Kriegsende ehrenamtlich stark engagierten Gewerkschafter. 1954 bewarb sie sich um eine Ausbildung zur Industriekauffrau bei der Rheinbahn, wurde angenommen und damit die erste Frau in der Verwaltung des Verkehrsunternehmens überhaupt. Da alle Posten im Stadtrat ehrenamtlich angelegt waren, blieb „uns Marlies“ der Rheinbahn bis zur Rente treu.

Fest mit der Rheinbahn verbunden

Als die SPD bei der Kommunalwahl 1994 auf 41,5 und die Grünen auf 12,7 Prozent der Stimmen gekommen waren, war das Ende der „Fraktion Düsseldorf“ besiegelt. Eine rot-grüne Koalition bot sich an und entstand. Und weil Marlies Smeets als Spitzenkandidatin ins Rennen gegangen war, wurde sie am 1. November 1994 mit den Stimmen beider Fraktionen zur ersten Frau gewählt, die in Düsseldorf die Position einer Oberbürgermeisterin einnahm. Aber sie konnte das Amt nur fünf Jahre ausüben. Bei der Kommunalwahl 1999 – knapp ein Jahr nachdem es zu einer rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder gekommen war – erreichte die CDU fast 50 Prozent der Stimmen, die SPD fiel auf rund 35, die Grünen auf nur noch 7,1 Prozent zurück.

Die Kommunalreform hatte aber dazu geführt, dass jeweils ein hauptamtlicher Oberbürgermeister das bisher ehrenamtliche und politische Amt und die Funktionen des ehemaligen Oberstadtdirektors als Chef der Stadtverwaltung auf sich vereinte. Um diesen Posten bewarb sich die damals in der Stadt überaus beliebte Marlies Smeets und musste gegen Joachim Erwin von der CDU antreten. Im ersten Wahlgang lag Erwin deutlich vor der Sozialdemokratin, wobei Smeets gut 23.000 Stimmen mehr erhielt als ihre Partei bei der Stadtratswahl. Viele ehemalige SPD-Wähler waren den Sozialdemokraten aus Unzufriedenheit mit Rotgrün im Bund von der Fahne gegangen.

Stichwahl knapp verloren

Weil aber fast alle Grünwähler in der Stichwahl für Marlies Smeets stimmten, fiel das Ergebnis denkbar knapp aus. Joachim Erwin kam auf 50,8 Prozent und holte nur rund 2.300 Stimmen mehr als seine Kontrahentin. So wurde der umtriebige, aber nicht mal in seiner eigenen Partei sonderlich beliebte Erwin zum ersten hauptamtlichen OB der Stadt – und kündigte alle noch verbliebenen Rest des Prinzips „Fraktion Düsseldorf“ schnell und radikal auf. Wo Marlies Smeets in der Sache hart, aber im Umgang jederzeit fair agiert hatte, setzte ihr Nachfolger auf Polarisierung und Konfrontation.

Trotzdem sah sich die Frau, die sich durch die kommunale Männerwelt gekämpft hatte, in der Pflicht und blieb bis zur ihrem Ausscheiden aus Altersgründen im Jahr 2004 Mitglied im Rat der Stadt, dem sie so insgesamt 35 Jahre lang angehört hatte. Nach diesem politischen Marathon und dem Ende ihrer Berufstätigkeit ordnete sie ihr Privatleben, blieb aber der Stadt und ihrem Engagement bis heute treu. Völlig zurecht ernannte man sie noch im Jahr 2004 zur Ehren-Oberbürgermeisterin. Bekannt bleibt sie vor allem für ihren unermüdlichen Einsatz für soziale Themen. Die Entscheidung, das alte Rheinstadion abzureißen und durch eine moderne Arena zu ersetzen, wurde von ihr initiiert. Bei Amtsantritt war Düsseldorf hoch verschuldet, die Einwohnerzahl war im Schrumpfen begriffen, und viele Unternehmen der alten Industrien hatten ihren Betrieb eingestellt oder waren abgewandert.

Sparkurs eingeleitet

Die hohen Verbindlichkeiten waren direkte Folge der tiefgreifenden und enorm teuren Bauprojekte, mit denen die „Fraktion Düsseldorf“ schon ab Ende der Siebzigerjahre versucht hatten, Düsseldorf zu modernisieren – vom Rheinturm über den neuen Landtag und den Medienhafen bis zum Rheinufertunnel. Im Verbund mit ihren wichtigsten Beratern (der damalige Stadtdirektor Christoph Blume und Finanzdezernent Herbert Vogt) leitete sie einen rigiden Sparkurs ein, der die schlimmsten Folgen der Verschuldung dämpfte und ihrem Nachfolger die Chance bot sich nach dem Verkauf des städtischen Tafelsilbers die „Entschuldung“ der Stadt als Verdienst ans Revers zu heften.

Überhaupt: Kaum ein anderer Kommunalpolitiker musste so unter Joachim Erwin leiden wie Marlies Smeets, der sie durchgehend nicht ernstnahm und einige Male in aller Öffentlichkeit düpierte. Mag sein, dass es dieser Umgang des machtbewussten Neu-OBs war, der ihren Entschluss leichtmachte, sich aus der Lokalpolitik ganz zurückzuziehen. Viele Düsseldorferinnen und Düsseldorfer trauern der Oberbürgermeisterin Marlies Smeets nach, und wenn sie öffentlich auftritt, schlägt ihr bis heute die Sympathie der Bürgerinnen und Bürger entgegen.

Kommentare sind gesperrt.