Noch vor 25 Jahren hätte jeder alte Düsseldorfer einen für plemm-plemm erklärt, der gesagt hätte: Eines Tages werden die Kasematten am Unteren Rheinwerft ein Ort der Geselligkeit, des Genusses und der Freude. Denn während dieser Teil noch zum Hafen gehörte und als Umladeplatz genutzt wurde, brausten oben bis zu 55.000 Pkw täglich über die vierspurig ausgebaute B1 – ein weiteres städtebauliches Verbrechen, das aufs Konto des Stadtplaners Tamms ging. Aber 1976 beschlossen die weisesten aller Ratsmitglieder, die Düsseldorfer in Jahrzehnten hatte, den Bau des Rheinufertunnels zwischen Oberkasseler Brücke und der Völklinger Straße. Der machte es möglich, das den Bereich oberhalb des Unteren Rheinwerfts nach vielen Jahren wieder zu einer Flaniermeile zu machen. Und das Untere Rheinwerft selbst?

Bis in die Siebziger ein Teil des Hafens

Wie gesagt: Noch bis weit in die Siebzigerjahre war das Untere Rheinwerft ein mit grobem Kopfsteinpflaster belegter Streifen mit mehreren Gleisen, auf den die verbliebenen Hafenkräne und die Güterwaggons fuhren. Die Schienen zogen sich bis unter der Oberkasseler Brücke durch, sodass Lkw, die über die Rampe an der Rheinterrasse ankamen, Waren von den ankernden Binnenschiffen be- oder entladen konnten. Schön war das nicht, höchstens pittoresk. Und als die Fläche dann nicht mehr als Verlängerung des Hafens genutzt wurde, wurde es nicht besser. Denn in den Kasematten trieb sich allerlei unangenehmes Volk herum. Die Wohnungslosen, die dort nächtigten, waren noch die angenehmsten Nutzer der feuchtkalten Höhlen direkt am Rhein.

Google-Map: Kasematten Düsseldorf

Die ganze Anlage war kurz vor der Wende zum 20. Jahrhundert im Rahmen der „Rheinvorverlegung“ entstanden. Man hatte dem Rhein einen Streifen von gut 30 Metern Breite vor der alten Häuserfront abgetrotzt und mit dem Aushub verfüllt, der beim Bau zusätzlicher Hafenbecken auf der Lausward angefallen war. Der leicht romantisch angehauchte Architekt Johannes Radtke war für die Planung des gesamten Bereichs vom Zollhafen bis zur ehemaligen Golzheimer Insel (heute ist das größtenteils der Rheinpark) verantwortlich und ließ als Kernstück eine wunderbare Allee zum Flanieren anlegen, die auf Höhe des Burgplatzes vom Ausflugslokal „Düsselschlösschen“ geziert wurde. Dazu ließ er die Treppenaufgänge und Plateaus fein schmücken und entwarf auch die berühmte Pegeluhr.

Unten war dagegen schnödes Wirtschaften angesagt. Über eine Länge von fast zwei Kilometern wurden Hohlräume angelegt, die – in Anlehnung an Schutzräume in Befestigungsanlagen – Kasematten genannt wurden. Sie dienten vor allem als Lagerräume, aber manche Reederei unterhielt in diesen Gewölben auch ihr Hafenkontor. Tatsächlich ankerten die Lastkähne und auch die ersten Lastdampfer unmittelbar unterhalb der Altstadt an der langen Kaimauer. Die ehemals fünf Hafenkräne wurden zum Be- und Entladen eingesetzt. Von Norden her konnten Pferdefuhrwerk und später Lastkraftwagen anfahren, von Süden her reichten die Gleise der Eisenbahn, die mit den Schienensträngen im Hafen verbunden waren.

Das gute Gegenstück zur Rheinuferpromenade

Aber die bereits erwähnten weisen Stadtmütter und -väter hatten noch mehr drauf. Sie kamen auf die Idee, auch das Untere Werft für die Bevölkerung attraktiv zu machen. Die Gleise und das grobe Pflaster verschwanden, die Grünflächen unterhalb der Kniebrücke wurden angelegt, der Alte Hafen wiederhergestellt und … die Kasematten an Gastronomen verpachtet! Allerdings kamen die Düsseldorfer und die vielen Besucher der Stadt nicht gleich auf den Geschmack. Zumal anfangs nur die noch existierenden ausfahrbaren Schutzdächer für ein gewisses Wirtshausambiente sorgten. Zum einen wurden zu Beginn nur knapp 200 Meter gastronomisch genutzt, und außer langen Reihen baumarktüblicher Bierbänke waren Annehmlichkeiten nicht zu finden. Tatsächlich war es zunächst auch nur eine Brauerei, die am Unteren Rheinwerft vor allem ihr Altbier an die Frau und den Mann bringen wollten.

Erst im Sommer 1996 fanden sich bei schönem Wetter dort erstmals Menschenmassen ein, die bei kühlen Getränken und einfachen Snacks die Nähe zum Rhein genießen wollten. Außerdem hatte sich herumgesprochen, dass von hier aus die schönsten Sonnenuntergänge zu erleben seien. Danach ging es Schlag auf Schlag: Am Nordende siedelten sich Wirte ohne Bezug zu den Kasematten an. Die Gewölbe wurden ausgebaut und zu hochmodernen Küchen, Schank- und Vorratsräumen umgestaltet. Dann stellten die Wirte von Bierbänken auf angenehmeres Gestühl um, und schließlich fanden Besucher direkt am Strom für jeden Geschmack etwas. Heute bekommt man nicht nur Alt und Mettbrötchen, sondern Cocktails, Wein, Tagesgerichte und ganze Menüs. Großbildschirme für die Unterhaltung wurden angebracht und Heizpilze für die kühleren Abende.

Früher schäbig, heute attraktiv

Kein Wunder, dass sich die ehemals schäbigen Kasematten zu einer wahren Attraktion gewandelt haben, die ab dem Frühjahr bis weit in den Herbst Zigtausende Touristen, aber auch viele Düsseldorfer anziehen. Dicht gemacht wird außerhalb der Saison keine der gastronomischen Einrichtungen, denn man kann auch bei kühleren Temperaturen und Regen ganz schön hier sitzen und es sich gutgehen lassen. Highlights im informellen Event-Kalender der Kasematten sind vor allem die Spiele der deutschen Nationalmannschaft bei WM und EM, aber auch die großen Champions-League-Begegnungen, zu denen sich nicht selten Tausende Fans der beteiligten Mannschaften einfinden – auch wenn die nicht aus Deutschland kommen. Auch das Oktoberfest an einem Samstag Mitte September zieht die Menschen hierher. Und wer sich eine Bötchentour nach Kaiserswerth vorgenommen hat, der kann sich die Wartezeit bis zur Abfahrt wunderbar in der Gastronomie der Weissen Flotte vertreiben, denn die befindet sich direkt am Ticketschalter und dem Anleger.

[Dieser Beitrag erschien zuerst in unserem Schwester-Magazin „Rhein-Magazin Düsseldorf„]

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