Ja, wir Düsseldorfer lieben unsere Messe und die Messegäste aus aller Welt – gar keine Frage. Wenn der Düsseldorfer während einer der „schlimmen“ Messen im Stammhaus der Brauerei Schumacher an der Oststraße mit fünf Fremden an einem Tisch sitzt, die sieben verschiedene Sprachen sprechen und denen beim lecker Alt erklären kann, wie schön Düsseldorf ist, dann ist er glücklich. Aber grantelig wie der Düsseldorf dank seines bergischen Kulturerbes ist, stöhnen und klagen die Bürger dieser kleinen Großstadt dann doch jedes Mal, wenn Drupa, K, Medica, Boot oder Caravan Salon ist. In diesem Sinne stellen wir – nicht ganz ernst gemeint – die fünf schlimmsten Messen in der Stadt vor.

[1] Medica – die den Suff lieben

Medica - "TCore"-Sensor (Foto: beta-web/Stöter)

Medica – „TCore“-Sensor (Foto: beta-web/Stöter)

Die Medica nennt sich selbst die „Weltleitmesse der Medizinbranche“, könnte aber auch gut „Internationaler Lebertest“ heißen. Man sollte es nicht meinen, dass dermaßen viel und hart gesoffen wird, wenn sich Ärzte, Pharmazeuten, Therapeuten, Pfleger und andere Insassen der Medizin einmal im Jahr in Düsseldorf treffen. Wo bei harmloseren Veranstaltungen schon mal die Hausbrauereien und ein paar Altstadtlokalitäten vor Messegästen überquellen, da strömen die Medica-Massen auch in die Eckkneipen der Viertel und geben sich die Kante.

Das ist nicht schlimm, aber wenig kommunikativ. Denn wenn vier, fünf Medica-Besucher am Tisch sitzen und trinken, dann tratschen sie vor allem. Je nachdem, welche Sprache gesprochen wird, kann man sich als heimlicher Lauscher ziemlich gut in die weltweite medizinische Gerüchteküche hineinhören. Gelacht wird wenig, und zwischengeschlechtliche Kontakte scheinen bei Medizinern eher kein Messe-Hobby zu sein.

Das alles hat für Düsseldorfer Vor- und Nachteile. Bisschen blöd ist es schon, wenn man im persönlichen Stammlokal an vier Tagen im November keinen Platz mehr findet. Weil die Medica-Gäste (hier eine Fotostrecke) aber ordentlich zu Bier, Wein und Schnaps greifen wollen, reisen sie meisten nicht mit dem Auto an. Deshalb merkt man von dieser Messe im Autoverkehr wenig. Dafür nutzen sie den ÖPNV kräftig, sodass es ausgesprochen sinnlose ist, zwischen 9 und 11 mit Bus und Bahn Richtung Messegelände zu reisen. Gewinner der Medica sind aber die Taxifahrer, die mit dem Rücktransport alkoholisierter Gäste in ihre Quartiere gut ausgelastet sind.

Die nächste Medica findet vom 13. bis zum 16. November 2017 statt.

[2] Drupa – haufenweise Papiermüll

Drupa - immer noch wird Papier bedruckt (Foto: drupa)

Drupa – immer noch wird Papier bedruckt (Foto: drupa)

Als Kinder in den Sechzigerjahren haben wir diese Messe geliebt. Erstens kam man damals an gewissen Tagen mit einem Schülerausweis umsonst hinein, und zweitens gab’s auf der Drupa … tä-täää! … AUFKLEBER! Wir Düsseldorfer Pänz hatten weltweit die ersten Aufkleber. Und wir beklebten damit alles, was nicht bei drei auf dem Baum war. Später bekam man Skizzenblöcke und Schreibmaschinenpapier als Werbegeschenke. Also immer etwas Nützliches. In den Achtzigern dachten wir, dank Computer ist es bald Essig mit der Drupa. Wir irrten uns gewaltig. Denn heutzutage wird vermutlich mehr Papier bedruckt als je zuvor. Davon bestimmt mehr als 50 Prozent alle vier Jahre, wenn die weltweit größte und wichtigste Messe der Druckindustrie in Düsseldorf stattfindet.

Und, ja, diese Messe (im vergangenen Jahr vom 31. Mai bis zum 10. Juni stattfand) zieht in elf Tagen deutlich über 300.000 Besucher aus aller Welt an, die meist auch mehrere Tage bleiben. Dementsprechend voll wird’s in der Stadt. Eindrucksvoll während der Drupa ist immer wieder die schier endlose Parade der Hotelschiffe, die zwischen der Schnellenburg und dem Medienhafen ankern. 2016 waren es sage-und-schreibe 16 Schiffe, auf denen insgesamt über 2.000 Messegäste wohnten. Und zwar größtenteils in Laufweite zur Altstadt und der Rheinuferpromenade. Die Gastronomen kommen während der Drupa aus dem Händereiben gar nicht heraus, zumal die Besucher dieser Messe als spesenfreudig bekannt sind. Der Betreiber einer gewissen, nicht mehr existierenden Lokalität soll davon ganz erheblich profitiert haben.

Weil Drupa-Gäste offensichtlich eher wohlhabend sind, kommen sie mit dem Auto angereist und kariolen auch gern im eigenen Pkw durch die Stadt. Und weil sie ja nicht wissen, wo was ist und sie ganz dem Navi vertrauen, irren sie im Schritttempo über die Hauptverkehrsadern und treiben hiesige Autofahrer in den Wahnsinn. Ansonsten ist der durchschnittliche Drupa-Besucher freundlich und nett und lässt sich von Einheimischen gern ins Gespräch ziehen.

Die nächste Drupa findet erst wieder zwischen dem 23. Juni und dem 3. Juli 2020 statt.

[3] K – Im Rausch von Plaste und Elaste

K, die Kunststoffmesse (Foto: K)

K, die Kunststoffmesse (Foto: K)

Was soll denn so schlimm sein an der K, dieser weltweiten Nr. 1 unter den Messen für Plaste und Elaste? Wo sie doch nur alle drei Jahre stattfindet und man von ihr kaum etwas mitbekommt in der Stadt. Ganz so ist es nicht. Nur sind die globalen Gäste von deutlich anderem Zuschnitt als zum Beispiel die der Drupa. Das kommt daher, dass die Besucher daher kommen, wo man Kunststoff verarbeitet und meistens mittelständische Kunststoffverarbeiter sind. Ja, genau, der Anteil an freundlichen und höflichen Menschen aus China und um zu ist hoch. Und damit sind wir schon bei den schlechten Nachrichten rund um die K: Versuche nicht während dieser Messe (die 2016 vom 19. bis 26. Oktober stattfand) einen Tisch beim Lieblingschinesen zu reservieren – er wird ausgebucht sein. Zweiter Nachteil: Irgendein besonders geschäftstüchtiger Reiseveranstalter karrt während dieser (und ein paar anderen Messen) busweise Menschen aus Fernost an, um ihnen genau DEIN Lieblingsbrauhaus zu zeigen. Du wirst länger auf dein Bier warten müssen, kannst dafür aber als Folkloremodell für Hobbyfotografen Karriere machen.

K – die Kunststoffmesse findet nur alle drei Jahre statt und zieht immer über 200.000 Besucher an, bleibt aber im Stadtbild trotzdem weitgehend unsichtbar. Erfahrene Droschkenkutscher wissen zu berichten, dass der durchschnittliche K-Besucher aus dem Ausland nur einen Tag in der Stadt verbringt, weswegen Taxis am Flughafen zwischen 6 und 10 am Morgen praktisch nicht zu kriegen sind. Deshalb findet der messetypische Stau auch (fast) nur zwischen dem Airport und dem Messegelände statt. Darum und weil ein Großteil der Gäste gern unter sich bleiben, ist die K trotz ihrer Größe und Bedeutung fast unsichtbar.

Die nächste K findet zwischen dem 16. und 23. Oktober 2019 statt.

[4] ProWein – Tage der langen Nasen

ProWein: Verkosten bis der Arzt kommt (Foto: ProWein)

ProWein: Verkosten bis der Arzt kommt (Foto: ProWein)

Das Schlimme an der ProWein: Sie ist eine reine Fachmesse; da dürfen nur registrierte Profitrinker rein. Und das ist mindestens gemein. Jeder Düsseldorfer, der gern Wein trinkt (und davon gibt es Tausende!), aber weder selbst Weinbauer oder -händler ist, muss draußen bleiben. Das ist ungefähr so, als wären bei einer Fachmesse für Hundefutter keine Köter zugelassen. Man sollte es den Weinamateuren gar nicht verraten, um sie nicht noch mehr zu frustrieren, aber auf dieser Messe gibt es eine quadratkilometergroße Verkostungsstation, an der man sich so schön für umme die Birne wegsaufen könnte – man müsste ja nicht wie diese Etepetete-Säufer immer alles in den Eimer spucken…

So richtig groß ist die ProWein nicht, aber von immer noch wachsender Bedeutung, weil es diese Sorte Messe in der Weinbranche sonst kaum gibt. Kenner sagen, es gäbe nur noch eine ähnliche Veranstaltung in London, bei der man sich so über die Grenzen der Anbaugebiete über den Stand der Weine informieren und so gute Kontakte knüpfen kann. Wie gesagt: Wir Otto Normaltrinker bleiben außen vor. Dafür merken wir auch nicht viel von dieser Veranstaltung.

Wenn’s trotzdem interessiert: Am Wochenende zwischen dem 19. und 21. März ist es wieder so weit.

[5] Boot und Caravan Salon – Auflauf der Spießer

Seeleute auf der BOOT (Foto: Boot)

Seeleute auf der BOOT (Foto: Boot)

Oh ha, jetzt werden die Besucher der Boot und des Caravan Salons aber aufjaulen, dass man sie Spießer nennt. Wer will schon Spießer genannt werden? Dabei ist dieser Gattungsbegriff durchaus liebevoll gemeint. Denn natürlich sind die Millionen Menschen in Europa, die ihr Glück in einem Wohnanhänger oder an Bord einer Jolle suchen, durchweg fröhliche und liebenswerte Zeitgenossen. Und das kann man als Düsseldorfer hautnah lernen, wenn man mal eine der beiden genannten Messen besucht. Zwar ist es auf der Boot wahnsinnig voll, aber trotzdem wird man nur an den Wochenendtagen, wenn vorwiegend Nicht-Boot-Besitzer mal zum Gucken kommen, angerempelt; unter der Woche herrscht eine konzentrierte Stimmung vor, und die Kinder haben beim Surfen und an den Aquarien Spaß.

Tatsächlich muss man gerade die diesjährige BOOT vom 21. bis zum 29. Januar gerade Eltern mit Kindern sowie Lehrern mit Schülern ans Herz legen. Das Veranstalterteam hat es über die Jahre geschafft, aus einer einen Yacht-Messe eine durchweg maritime Veranstaltung gemacht, auf der sich jeder über (fast) jede Form von Wassersport informieren kann. Dass die Medien lieber über Milliarden-Yachten berichten – geschenkt. Wenn der Papa seinen Filii am Ende einen Tauchkurs im Sommer schenkt, dann ist Boot. Das geht beim Caravan Salon so einfach nicht, weil hier selbst das Zubehör oft nicht im dreistelligen Bereich zu haben ist. Aber die Atmosphäre auf dieser Veranstaltung (dieses Jahr vom 26. August bis zum 3. September) ist noch deutlich entspannter als auf der Boot.

Man bewegt sich zwischen in Ehren ergrauten Campern, die auf ihre alten Tage nun doch ein Reisemobil anschaffen wollen, und jungen Menschen jeder Art, die vom freien und wilden Leben am Busen der Natur träumen und dies im Wohnwagen ansteuern wollen. An allen Ständen ist hochgradig fachkundiges Personal verfügbar, und wer sich noch während der Messe für einen Kauf entscheidet, kann möglicherweise satte Rabatte einstreichen.

Beide Messen haben jedoch massiven Einfluss auf das Leben in der Stadt, weil die Besucher der Veranstaltungen samt und sondern mit dem eigenen Kfz anreisen und nicht die geringste Ahnung haben, wo denn der vermaledeite Messeparkplatz ist und ob’s von da bis zu den Hallen zu Fuß nicht viel zu weit ist. Weil sich Camper und Seeleute aber zu helfen wissen, sieht man auf beiden Messen erstaunlich viele Gäste, die per Fahrrad zum Eingang gelangen. Denn ein Velo haben die meisten mit an Bord.

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