Die linksrheinischen Wiesen zwischen dem Zipfel nördlich von Heerdt und dem Yachthafen in Lörick sind ein wunderbares, stadtnahes Revier für Hundegänge, insbesondere die Oberkasseler Rheinwiesen, Standort der größten Kirmes am Rhein im Sommer. Und weil dieses Revier so stadtnah ist und man prima mit dem ÖPNV hinkommt, sind eigentlich jeden Tag zu jeder Stunde einige Köter mit ihren Haltern unterwegs. Manche führen den Fiffi nur eben unterm Deich gassi, andere drehen Runden über die gepflasterten Kirmesflächen und manche schlendern mit Waldi ganz bis an die Kante vom Vater Rhein, die je nach Wasserstand mehr oder weniger nah am anderen Ufer zu finden ist. Aber ganz gleich welche Jahreszeit und welches Wetter, wer sich hier mit der Töle rumtreibt, wird ihn vormittags dort treffen – den Krähenmann von Oberkassel.

Es soll Leute geben, denen er nicht geheuer ist, weil ihn ständig zwei Dutzend Krähen umschwirren. Dabei handelt es sich um einen überaus freundlichen, älteren Herren, mit dem man sich prima über dies und das unterhalten kann. Unter den regelmäßigen Hundegängern auf der Oberkasseler Wiese ist er bestens bekannt, und die Köter lieben ihn. Normalerweise begegnet man ihm auf dem Vordeich im Umfeld der Kniebrücke. In den Wintermonaten versorgt er die Krähen, die schon auf ihn warten und ihm folgen als seien sie zahm. Den Sommer über ist er weniger der Krähen- als der Gänsemann, denn dann ist er der Held der Kanada- und Nilgänse; letztere kommen sogar bewusst über den Rhein, um sich von ihm ein bisschen verwöhnen zu lassen. Der einsame Spaziergänger kennt sich natürlich bestens mit dem Federvieh aus, ja, er erkennt sowohl bei den Gänsen, als auch den Krähen Indviduen, über die er etwas sagen kann.

Seit unser Sloughi-Bub Clooney da ist, gehen wir auch nicht selten dort drüben unsere Runden. Also kennt unser Windhund den Mann und mag ihn sehr. Kaum jemand anderes wird so freudig angelaufen und schwanzwedelnd begrüßt. Dabei hat der Krähenvater eigentlich nie einen Imbiss für Hunde dabei. Und natürlich habe ich den Herren gefragt, wie es kommt, dass er beinahe täglich dort zu finden ist. Die Geschichte ist so einfach, dass sie einen anrühren kann. Denn der Mann hatte zeit Lebens immer selbst Hunde. Seit vielen Jahren wohnt er linksrheinisch, und mit seinem letzten Waldi pflegte er täglich auf den Oberkasseler Rheinwiesen gassizugehen. Dann starb sein Hund. Weil er den so geliebt hat, konnte er sich nicht durchringen, noch einmal einen Welpen ins Haus zu holen. Er fühlte sich auch zu alt dafür. Aber die regelmäßige Runde, die behielt er auch ohne Hund bei. Dabei ergab es sich eher zufällig, dass er den Gänsen und Krähen näher kam und mit ihnen Freundschaft schloss. Übrigens ganz unsentimental und fern jeder hysterischen Tierliebe. Er drückte es so aus: „Früher war ich ein Hundemensch. Jetzt bin ich aufs Geflügel gekommen.“

Wen du also mit oder ohne Töle drüben unter dem Kaiser-Friedrich-Ring spazierengehst und in der Ferne eine Gestalt siehst, die von schwarzen Vögeln umkreist wird, dann fürchte dich nicht. Das ist der Krähenmann von Oberkassel, ein freundlicher, älterer Herr, mit dem man sich prima über dies und das unterhalten kann.

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