[Vorsicht! Langes Lesestück fast ohne Bilder] Irgendwann war das Eisstadion mit seinen Laufzeiten nicht mehr der primäre Treffpunkt für Pubertierende auf der Suche nach dem anderen Geschlecht. In unserem Viertel hatten sich zudem Grüppchen gebildet, die regelmäßig andere Lokalitäten aufsuchten. Mangels Jugendzentren und bedingt durch die Geschlechtertrennung in kirchlichen Jugendtreffs war das bei uns zum Beispiel die Pommes-Bude auf der Liebigstraße. „Treffen wir uns beim Chinesen?“ hieß es, denn An, der Wirt kam aus dem asiatischen Raum. Ab etwa 1969 verlor ich auch das Interesse an der DEG (und übrigens auch der Fortuna) und ging nur noch sehr unregelmäßig hin. [Lesezeit ca. 4 min]

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Das Eisstadion hatte 1969 ein Dach bekommen, nun konnte bei jedem Wetter ohne ständige Unterbrechungen, in denen das „Eis gemacht“ werden musste, gespielt werden. Allerdings konnten die Fans nun ihrer Freude durch Treffer der wunderschönen DEG nicht durch das Abfeuern von Raketen Ausdruck verleihen. Durch mein Desinteresse ist mir eine der wichtigsten Phasen der DEG, ja, des deutschen Eishockeys und sogar der Fankultur bei Mannschaftssportarten fast entgangen. Viele Gesänge, die man heute noch beim Fußball hört, wurden im Eisstadion an der Brehmstraße zum ersten Mal gesungen, viele Schlachtrufe und Rituale, die sich im Hockey und Fußball durchgesetzt haben, wurden hier erfunden.

Die kreativsten Fans der Welt

Brutstätte für diese kulturellen Äußerungen waren die entstehenden Fanclubs und -gruppen. Ab etwa 1972 fing es an, dass sich Trüppchen, deren Insassen immer zur DEG gingen, immer im selben Bereich der Stehtribüne trafen, die nach und nach zu so etwas wie einem Stammesterritorium wurde. Ungefähr ab 1975, 1976 riss auch die Unsitte ein, diese Gebiete nicht nur durch Bemalungen oder Aufkleber auf den Wellenbrechern zu markieren, sondern regelrecht durch Flatterband abzusperren. Das funktionierte, indem jeweils ein Mitglied so früh wie irgend möglich im Eisstadion auflief und die Markierung übernahm.

Überhaupt kann man sich aus heutiger Sicht und den herrschenden Bestimmungen gar nicht mehr vorstellen, wie locker es beim Einlass und auf den Rängen zuging. Besonders am Eingang nördlich der Haupttribüne, der Liefereinfahrt, war es oft so, dass man dem Ordner nur einen Gruß zurief, um reinzukommen, denn man kannte sich natürlich, eine Eintrittskarte war nicht nötig. Später trieb das üble Blüten. Bei einem Playoff-Spiel gegen Rosenheim in den Achtzigerjahren, daran erinnere ich mich, war das Stadion mehr als überfüllt. Wir hatten Plätze auf der Nordtribüne, und es war so eng, dass man nur mit Mühe die Hände wieder hochbekam, wenn man beispielsweise Zigaretten aus der Hosentasche gekramt hatte. Die Bereiche zwischen den Tribünen und der Bande waren pickepackevoll, und selbst im Bereich vor der Kreutzer-Bude und der Außeneisfläche standen die Menschen dicht an dicht. Das lag nicht daran, dass man so viele Tickets verkauft hatten, sondern dass die Ordner die Leute gegen Übergabe eines Geldscheins – üblich waren 20 DM – einfach hineinließen.

Speisen und Getränke selbst mitgebracht

Natürlich konnte man ohne Weiteres Speisen und Getränke mitbringen. Zu einer Fangruppe, bei der ich in den Siebzigern gelegentlich zu Gast war, gab es die Omma, eine ältere Dame, natürlich im rot-gelb geringelten Selbststrickpullover, die praktisch fürs Catering zuständig war und jedes Mal Tupperdosen voller Frikadellen und Kartoffelsalat mitbrachte. Sich selbst mit Dosenbier auszustatten, war normal, aber manche Fantruppen kriegten es sogar hin, Zehnerfässchen auf die Tribüne zu schaffen und zu leeren. Das alles sorgte für eine familiäre, entspannte Atmosphäre, die auch die wenigen Fans der jeweiligen Gastmannschaften umstandslos einbezogen wurden.

Wann genau die berühmtesten Rituale in diesen bunten Siebzigern ins Eisstadion einzogen, weiß ich nicht mehr. Weil aber das berühmte Altbierlied („Ja, sind wir im Wald hier…“) erst 1978 aufgenommen wurde, dürfte es nicht dazugehört haben. Dafür aber der Schneewalzer. Bei beiden Liedern geht das Ritual so, dass der Stadionsprecher irgendwann mittendrin den Ton der Schallplatte abdreht und die Fans den Song a capella zu Ende singen. Weltberühmt und global kopiert: Das Begrüßen der Mannschaft mit Tausenden von brennenden Wunderkerzen.

Für jeden ein eigenes Lied

Die Kreativität der Düsseldorfer Anhänger war in jenen Jahren gigantisch. Für praktisch jeden halbwegs bekannten Spieler eines Gegners gab es einen eigenen Schmähspruch oder gar einen speziellen Gesang. Die eigenen Stars wurden zwischendurch per Sprechchor aufgefordert, mal zu winken, was sie auch taten. Dutzende Schlager und Gassenhauer wurde auf die Namen beliebter DEG-Spieler umgedichtet. Das alles ganz ohne „Tod und Hass dem XYZ“ und ohne Boshaftigkeit. In alle den Jahren, in denen ich mehr oder weniger regelmäßig die DEG-Spiele besuchte, habe ich nur in einer Saison handfeste Auseinandersetzungen unter den Anhängern erlebt – damals rückte die Frankfurter Eintracht an, zu deren Fans irgendwelche Nazis zählten, die es krachen lassen wollten.

Meine intensivste DEG-Zeit begann ungefähr 1988 als mein Sohn begann bei den Bambini zu spielen. Und das ist eine besondere Geschichte, die es ein andermal zu erzählen gilt.

[Hier geht’s zum ersten Teil. Fortsetzung folgt]

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