[Dieser Beitrag erschien zuerst im November 2010 in unserer Vorläuferpublikation „Rainer’sche Post“] Als ich heute mit dem Hund von der Düssel kam und durch die Vlattenstraße nach Hause ging, geschah Merkwürdiges: Wo noch vor Tagen Häuser standen, erhoben sich jetzt eigenartige Nebelwände. Spaß beiseite: Seit vergangenem Donnerstag ist Google Streetview für meine geliebte Heimatstadt aktiviert, und natürlich machte ich mich auf einen langen virtuellen Spaziergang durch diese schöne kleine Großstadt. [Lesezeit ca. 3 min]

Viel Erfahrung habe ich bisher nicht mit Streetview gemacht, sodass mir nicht bewusst war, wie sich aus den Abermillionen Fotos diese Ansichten zusammensetzen. Eigentlich ist das ziemlich gespenstisch: Da sieht man Leute auf der Fahrbahn gehen, und wenn man in deren Richtung springt, sind sie plötzlich weg. Häufig gibt es irgendwelche, schwer erklärbaren Schimären. Kein Wunder, dass urbane Legenden über Gespenster durch Streetview befördert werden. Lustig sind die Pfeile, entlang derer man von einer Position zu einer anderen gebeamt wird, wenn zwischen Start- und Endpunkt eine Region liegt, die mit dem Google-Auto nicht befahren werden konnte. Aus demselben Grund fehlen übrigens auch die meisten Teile der Düsseldorfer Altstadt. Ein Bummel durch die Kurze Straße fällt also aus…

Plötzlich wird’s dunkel

Geradezu grotesk wird es, wenn man vom Burgplatz aus einen Schritt in Richtung Rhein macht: Plötzlich geht das Licht aus. Bumms. Da steht man auf einmal im Rheinufertunnel, den man auch tatsächlich auf voller Länge durchschreiten kann. Die darüber angebrachte schönste Rheinpromenade des gesamten Universums lässt sich dagegen nicht mit Streetview anschauen. Natürlich liegt das daran, dass die Fotos von Autos aus gemacht wurden, also nur dort Ansichten existieren, wo die Kisten durchkamen bzw. durch durften. Das ist umso bescheuerter als Streetview ja eigentlich für Fußgänger, ja, Flaneure gedacht ist, die anhand der Ansichten Straßen, Plätze und Gebäude kennen lernen und dann vor Ort wiedererkennen können – aber doch sicher nicht vom Auto aus!

Es ist – wenn man sich an die Ereignisse erinnert – relativ leicht herauszufinden, wann die Google-Kiste da war. So steht auf dem Burgplatz gerade das Theaterzelt für das Kulturfestival Altstadtherbst. Und zwar so wie es im September 2008 aussah. Mir scheint, die Knipserei der Suchmaschinenfuzzis hat sich in Düsseldorf über einen längeren Zeitpunkt hingezogen. Ich finde Bauten, die im April 2008 abgerissen wurden, Geschäfte, die nach Oktober 2008 geschlossen wurden und verschiedene Indizien, die darauf schließen lassen, dass es Aufnahmen ab etwa März 2008 bis Mitte 2009 gab, die dann zusammengesetzt wurden. Es wäre mal eine nette Puzzle-Arbeit nachzusehen, ob es in einer Straße oder einem Viertel größere Zeitsprünge gibt. Einen habe ich gefunden: Wenn man den Rheinturm anpeilt und am Turm hoch schaut…

Nebelwände statt Häuser

Wenn man nach verpixelten Häuser sucht, findet man relativ wenige davon. Ich bin ja der Ansicht, dass Google-Kommunikationspolitik zu 100 Prozent verantwortlich dafür ist, dass hiesige Hausbesitzer ihre Fassaden nicht zeigen wollen. In den Monaten, in denen die Streetview-Autos in der Stadt unterwegs war, wussten nur wirkliche Internet-Nerds, was es damit auf sich hatte; Otto Normalsurfer wunderte sich und war sogar teilweise ein bisschen paranoid. Natürlich hätte Google die ganze Sache im Vorfeld und während der Knipserei AKTIV kommunizieren müssen. Aber Google ist – wie dieser Dampschwätzer Jeff Jarvis – eine dumpfarrogante Ausgeburt des US-Kulturimperialismusses, die sich nicht vorstellen kann, dass die Menschen nicht überall auf der Welt so denken wie in Amiland.

So machte man und publizierte irgendwann den Starttermin für Streetview. Wieder ohne detailliert zu erklären, was es damit auf sich hat.
Ich denke, dass die Anträge auf Verpixelung hauptsächlich von Leuten kommen, die immer noch nicht wissen, was dieses Streetview ist. Sogar der Düsseldorfer OB [damals Dirk Elbers] outet sich jetzt noch als Streetview-Depp, wenn er öffentlich äußert, es wäre doch sinnvoller, wenn die Bilder von Düsseldorf nach dem Ende der U-Bahnbauerei gemacht werden, wenn die Stadt wieder schön ist. Und im selben Artikel beklagen die Rheinische-Post-Mädels Fiedler und Richters, dass die Fotos ja schon ganz doll alt sind. Dass es ungeheuer aufwändig ist, aus den Abermillionen Einzelfotos einer Stadt die Panoramen zusammenzusetzen und dann auch noch die Gesichter und Kennzeichen (so wie auch andere Details) zu verpixeln, raffen die nicht. In den USA lagen bei den ersten Streetview-Städten zwischen Aufnahme und Veröffentlichung teilweise vier Jahre. Immerhin beklagen diese unwissenden Leute nicht, dass die Bilder nicht tagesaktuell sind, also quasi live übertragen werden.

Blitz beim Scheißen

Auch wenn ich es völlig bescheuert finde, dass Hausbesitzer die Fassaden ihrer Buden verpixeln lassen, würde ich doch – in Abwandlung eines Voltaire zugeschriebenen Spruchs – sagen, dass ich für deren Recht, die Fassaden unkenntlich machen zu lassen, kämpfen würde. Wenn du durchgeknallte Jarvis-Fanboys wie dieser Jens Best andere auffordern, gezielt solche Häuser zu fotografieren und die Bilder zu publizieren, dann wäre ich im Gegenzug dafür, dieser Type einen Haufen Paparazzi auf den Hals zu hetzen, die ihm mit ihren Kameras bis aufs Klo folgen (wo ihn dann der Blitz beim Scheißen erhellen könnte…).

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