Nein, kein Fortune hätte sich beschweren dürfen, wenn es nach 5 Minuten schon 1:0 für die Bochumer gestanden hätte. Zum Beispiel durch einen Elfmeter, denn so ganz hasenrein war Robin Bormuths Rettungseinsatz an der Ecke des Fünfmeterraums nichts. Oder durch den Ball den Florian Neuhaus auf oder eben hinter der Linie klärte. Natürlich auch durch den feinen Schuss aus spitzem Winkel, der knapp am langen Pfosten vorbeirauschte. Protestiert haben die Bochumer allerdings nur bei der Aktion von Neuhaus. Und dann übers Spiel verteilt immer wieder und wieder. Ja, Benjamin Cortus war wirklich kein Heimschiri, sondern entschied im Zweifel meistens für die Fortuna. Aber das war alles nicht wirklich spielentscheidend, weil nichts spielentscheidend ist bei einem Unentschieden. Und das war über alles betrachtet das gerechtest mögliche Ergebnis.

Verhungern auf der linken Außenbahn

Vielleicht war der VfL aus dem tiefen Westen das Team, das der Fortuna anfangs die meisten Schwierigkeiten bereitete. Die Blauen standen enorm hoch und liefen den jeweils Ballführenden regelmäßig und oft mit zwei Mann an. Das hielten die Bochumer immerhin bis etwa zur 35. Minute durch. In dieser ersten Phase drehte sich deshalb das gesamte Spiel um Ballbehauptung und Balleroberung. Das auch, weil das Team aus Flingern durch das Fehlen von Oliver Fink und das Banksitzen von Benito Raman einigermaßen geschwächt wirkte. Zudem fand Offensive fast ausschließlich auf rechts über Schauerte und Jean Zimmer statt, während Niko Gießelmann und Takashi Usami auf der linken Seite verhungerten und der Japaner mehr als einmal winkend um die Pille bat.

Sattelfest wie inzwischen gewohnt zeigte sich die Innenverteidigung mit Kaan Ayhan und Robin Bormuth, dieser coolen Socke, der es dem Kollegen Andre Hoffmann immer schwerer macht, in die Startelf zurückzukehren. Also kamen die VfLer ab der 10. Minute ausschließlich durch Standardsituation zu Torgelegenheiten. De facto hatte Keeper Raphael Wolf aber nicht viel zu tun in der ersten Halbzeit. Auch sein Gegenstück auf der anderen Seite musste nicht viel ackern – zwei Kopfbälle nach Flanken, genickt von Rouwen Hennings und Niko Gießelmann erreichten die Maschen nicht. Flankenläufe der Fortunen gab’s also fast nur auf rechts, durch die Mitte ging nichts, und links war Flaute.

Tüte Regelkunde fürs VfL-Publikum

Dann zog Käpt’n Adam Bodzek ein taktisches Foul und ging gemeinsam mit seinem Gegner zu Boden. Dafür bekam er von ebendiesem Bochumer den Ellenbogen ins Gesicht und vom Referee eine gelbe Karte: klare Tätlichkeit, eine rote Karte wäre fällig gewesen. Einen gelb-roten Karton erarbeitete sich dann ein anderer Blauer, aber erst ganz kurz vor Schluss der Partie. Auch wenn es eine durchaus hart geführte Begegnung war, woran vor allem der VfL seinen Anteil hatte, blieben ganz grobe Fouls zum Glück aus. Schiri Cortus zeichnete sich übrigens vor allem dadurch aus, dass er nicht jede Balleroberung abpfiff, wozu viele seiner Kollegen inzwischen leider neigen. Das Bochumer Publikum erregte sich deshalb regelmäßig und sollte mal eine Tüte Regelkunde zu sich nehmen.

Es war klar, dass Friedhelm Funkel in der Paus nachzujustieren hatte. Zumal das 4-3-3 eher als 4-3-2-1 daherkam, worin sich die Stürmer aber offensichtlich nicht sehr wohlfühlten. Tatsächlich aber waren es die Bochumer, die mit veränderter Formation und Taktik auf den Rasen im Ruhrstadion zurückkehrten. Offensichtlich konditionell angegriffen standen die Kollegen nun sehr viel tiefer und setzten dem möglichen Schwung des Spitzenreiters nun zwei eng verzahnte Viererketten in der eigenen Spielfeldhälfte entgegen. F95 entdeckte dagegen die linke Flanke – so sehr sich in Halbzeit Eins fast alles auf rechts abgespielt hatte, fanden die offensiven Spielzüge nun eher auf links.

Pyro wie bei Beamten

Blöd für die Fortuna-Fans im Stehblock, die bekanntlich nur eine eingeschränkte Sicht auf die Außenlinie auf dieser Seite haben. Dort und auf der Westtribüne, die bis zum Anschlag mit F95-Anhängern gefüllt war, tobte in der ersten der wilde Support: Aus 5.000 enthusiastischen Kehlen kamen die traditionellen Gesänge und Rufe, man klatschte und tobte und trieb die eigene Mannschaft hat. Leider hatte ein Teil der Ultra-Szene den Begriff „Anfeuern“ falsch interpretiert, denn unten am Zaun flammte in regelmäßig Abständen genau 1 Bengalo (in Worten: ein) auf wie eine Adventskerze. Bis zum sechsten Flämmchen dachte man noch: „Okay, billig ein Sechserpack geschossen“ – aber dann wurde es albern. Wenn Pyroaktion nach dem Motto „Jeder darf mal zündeln“ ablaufen oder nach beamtischem Zeitplan, verhöhnt man die Schönheit des roten Feuers und seine möglicherweise aphrodisierende Wirkung aufs Fan-Volk. Aber zu diesem uninspirierten Tun passen auch die Versuche, komplizierte neue Texte zu Schlafwagenmelodien durchsetzen zu wollen. Gut ist momentan, dass sich der Block gegen derlei Zwangsmaßnahmen wehrt und gern mal eigene Gesänge anstimmt.

Die neue Konstellation und der noch stärkere Willen der Roten (mit weißem Längsstreifen!), immer den Ball haben zu wollen, ließ die Waage der Partie in Richtung F95 ausschlagen. Aber so richtig Tempo kam ins fortunistische Spiel erst mit der Einwechslung von Benito Raman in der 60. Minute. Was sich dann auf welche Weise änderte, belegt deutlich, dass aktuell Raman und Fink die wahren Treiber sind, für Geschwindigkeit und Wirbel sorgen und diejenigen sind, die dem Gegner die größten Sorgen bereiten. Gehen musste Usami, der zwar immer besser ins Team integriert scheint, aber einfach zu wenig Gelegenheit hatte sich auszuzeichnen. Besonders stark wirkte der Auftritt von Raman auf Zimmer, der nun befreiter aufspielte, weil er mit dem jungen Belgier das Rochieren zelebriert, dass dem VfL teils schwindlig wurde.

Schöne F95-Pärchen

Ein so harmonisches Pärchen wie Zimmer und Raman stellen inzwischen auch der gestern nicht ganz so inspirierte Marcel Sobottka und sein Kumpel Neuhaus dar. Der war wieder überall und nirgends und besonders im Verbund mit Ayhan Kreativzentrale des Fortuna-Spiels. Vergessen wir aber nicht Bodzek, der im Ruhrstadion eine mehr als solide Leistung als defensiver Mittelfeldler ablieferte – und dass, nachdem er ja drei Spiele lang nicht einmal im Kader war. Das scheint überhaupt eines der Geheimnisse des aktuellen F95-Erfolgs zu sein: Dass jeder im Kader jederzeit in die Startelf geholt werden kann und dort tut, was zu tun ist.

Und dann wurde das Spiel zäh, was vor allem am Defensivverhalten der Bochumer lag und an einer gewissen Ideenlosigkeit auf Fortuna-Seite. In der 81. Minute kam Havard Nielsen für Hennings und gab sich alle Mühe. So stammte die größte Chance der zweiten Halbzeit von ihm durch einen Querpass im Bochumer Sechzehner auf Sobottka, der aus guter Schussposition die Power nicht hinters Ei bekam – möglicherweise sogar die größte Torchance der gesamten Partie. Bis zum Platzverweis für diesen VfLer entwickelten sich zwei weitere Möglichkeiten, deren Quote aber deutlich unter 100% lagen. Weil sich die Bochumer nun noch weiter zurückzogen, gingen die Jungs vom Funkel in der Nachspielzeit dann gar kein Risiko ein, hielten den Ball in den eigenen Reihen und freuten sich auf das Ende der Schicht und das Unentschieden. Übrigens: Die offizielle Statistik zum Spiel sagt etwas anderes, denn danach war die Fortuna dem VfL Bochum in allen Belangen überlegen.

Nein, eine rauschende Ballnacht wie sie die F95-Kicker ihren Fans in der laufenden Saison schon mehrere geschenkt haben, war der Tanz im Ruhrstadion gestern Abend nicht. Es fühlte sicher eher an wie eine Schicht unter Tage, wo am Ende nur zählt, dass die Kumpels die Kohle aus dem Berg geholt haben. Aber das gehört wohl auch zu einer erfolgreichen Spielzeit, die für die glorreiche Fortuna wer-weiß-wo enden kann.

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