Machen wir uns nichts vor: TSV Fortuna Düsseldorf 1895 ist DIE deutsche Pokalmannschaft! Man denke nur an die Siege im DFB-Pokal in den Jahren 1979 und 1980. Und nach wie vor hält F95 den Rekord. Aber, Moment mal… In den letzten Jahren sah es überhaupt nicht mehr danach aus, als könne die launische Diva in diesem Wettbewerb etwas reißen. Zwar kam 2011 erst nach einem manipulierten Elferknallen gegen Dortmund das aus, und ein Jahr später kam es erst im Achtelfinale zum Aus gegen Offenbach, aber ansonsten reichte es nur zum Überstehen der 1. Hauptrunde. Wenn die rotweiße Truppe aber so weiterspielt wie gestern in Bielefeld, dann hat der DFB-Pokal 2017/18 einen neuen Gesetzgeber.

Natürlich ist es schwer bis unmöglich als Anhänger der glorreichen Fortuna nach einer solchen Partie sachlich wertvolle Analysen zu verstreuen. Aber es muss halt sein. Halten wir diesen Teil aber kurz und knapp. Drei Dinge lassen sich in der Rubrik Fazit festhalten: 1. Diese Mannschaft WOLLTE gewinnen, jederzeit. 2. Diese Mannschaft hat ein spielerisches POTENZIAL wie schon lange keine F95-Mannschaft. 3. Diese Mannschaft KANN sich auch über 120 Minuten konzentrieren. Und als vierte Gesamtaussage steht fest: Funkel und Hermann trauen sich was. Denn wer als Kenner der fortunistischen Materie die Startaufstellung erblickte, kam aus der Verblüffung kaum raus. Da hatten die Trainer Emir Kujovic statt Rouwen Hennings in die Sturmspitze gestellt. Da fand sich der junge Anderson Lucquoi auf links im offensiven Mittelfeld. Und da durfte der erst in der Vorwoche verpflichtete Jean Zimmer gleich von Anfang an auf rechts ran.

Verstärkende Neuzugänge

Und spätestens dieser Herr Zimmer bestätigte Fazit Nummer Fünf: Alle Neuzugänge verstärken das Team. Anfangs wurde der oft und gern freistehende Leihspieler aus Stuttgart leider gern mal übersehen, aber wenn er das Ei dann übernahm, kam Dampf in die Sache. Seine Flanken aus dem Halbfeld sehen klasse aus, und dribbeln kann er auch noch. Wie jetzt, auch Neuzugang Kujovic soll eine Verstärkung sein? Klares Ja. Auch wenn der Schwede gestern zwei tolle Chancen versiebte: Einen solch robusten Mittelstürmer der alten Schule hatte die Fortuna lange nicht in ihren Reihen, und das mit dem Hüttenmachen, das kriegt er auch noch hin. Neuzugang Niko Gießelmann hat sich nach gerade mal drei Pflichtspielen fast unverzichtbar gemacht – vor allem wegen seiner erstaunlich geringen Fehlerquote. Wobei genau der gute Gießelmann in der 12. Minute ohne große Not den Ball wegdreschen wollte, dabei einen Bielefelder traf, der einen schnellen Angriff einleitete, der wiederum beinahe um Führungstreffer geführt hätte.

Da hätte die glorreiche Fortuna aber schon führen können. In der 2. Spielminute schlug Lucoqui einen scharfen Pass fast von der Grundlinie nach innen. Ihlas Bebou kam angeflogen und verfehlte die Pille nur um Mikrometer. Und damit sind wir beim Stichwort Bebou. Ganz abgesehen von der unseligen Meckerei weiter Teile der F95-Fanschaft, die ihm Vereinstreue absprechen und auch sonst übel nachreden: Der superschnelle Dribbler könnte zum Problem werden. Es sei denn, das Trainergespann räumt ihm die absolute Narrenfreiheit ein und nimmt hin, dass er in – wie gestern – in einem Spiel sage-und-schreibe ACHT glasklare Möglichkeiten nicht verhüttet. Es sei denn, sie stellen ihm einen Freifahrtschein für seine ganz spezifische Spielweise aus, die in gefühlten fünfzig Prozent der Fälle dazu führt, dass er am Gegner hängenbleibt oder sich selbst ausspielt. Aber ausreden müssen sie ihm auf jeden Fall, zu schnell zu fallen; das spricht sich bei den Schiris rum, und dann kriegt er eben keine leichten Freistöße mehr. Fazit 6 also: Entweder man lässt Bebou machen oder man nimmt ihn aus dem Spiel – dazwischen gibt es nichts.

Zwei Unauffällige

Tatsächlich gab es auf rotweißer Seite auch zwei unauffällige Kandidaten, ausgerechnet im zentralen Mittelfeld. Leider war es (wieder einmal) der gute Marcel Sobottka, der über alles gerechnet die höchste Fehlpassquote zeigte und etliche unnötige Ballverluste produzierte. Das kann man seinem Kompagnon Florian Neuhaus nicht nachsagen, der auch wesentlich variabler auftrat. Apropos: Ein Erfolgsfaktor der Saison (dies als Fazit Nr. 7) wird die Variabilität der Systeme sein. Funkel und Hermann haben jetzt endlich die Spieler im Kader, mit denen sie jederzeit zwischen dem ollen 4-3-2-1, dem bodenständigen 4-4-2 und dem schicken 3-5-2 umschalten können – auch während der Partie. Meist bedarf es dazu nur einer Auswechslung, und -schwupps- steht der Gegner vor einem Rätsel. Der F95-Kicker, der diese schnelle Veränderung übrigens in seinem persönlichen Spielansatz am schnellsten und klarste umsetzt, ist übrigens unser aller Olli Fink. Der gestern – neben Keeper Michael Rensing – als einziger von der Achse der Alten übriggeblieben ist, weil Adam Bodzek von der Bank aus zuschauen musste. Wie viele Loblieder wurden diesem mittelalten Fink schon gesungen? Immer noch zu wenige. Mit seinen 35 Jahren war er der offensive Wirbelsturm, der an jedem Ende der Alm zu finden war und von allen Offensivkickern immer der erste am Gegner war, wenn in die Defensive umgeschaltet werden musste. Und seine Direktabnahme zum 3:1 in der 120. Minute war einfach Zucker.

Wie so oft war es Tormann Rensing, der dem Team den Hintern gerettet hat. Auch wenn seine spektakulären Taten im allgemeinen Wirbel beinahe untergingen, hatte er am Ende ein gutes Dutzend Parade auf dem Zettel. Womit wir beim achten Fazit sind: Rensing ist eine Lebensversicherung. Da wird es für Raphael Wolf, den Keeper Zwo, sehr, sehr, sehr schwer zum Zuge zu kommen so lange sein Vorgesetzter gesund und munter ist. Die einige Frage, die bleibt: Wie lange macht der das noch, der Rensing? Nun, es gab und gibt Weltklassetorhüter, die auch mit jenseits der 40 noch weltklasse hielten…

Der echte Mittelstürmer

Reden wir außerdem über Rouwen Hennings, der erst in der 62. mit dickem Hals für Kujovic kam. Den unbändigen Willen, mindestens eine Hütte zu machen, konnte man bis in den Fanblock riechen. Tatsächlich verlor sich der Goalgetter dieses Mal auch nicht in seinen üblichen Wühlereien, sondern spielte einen klaren Mittestürmer. Und diese Konsequenz wurde belohnt, denn seine beiden Tore kamen wie richtig echte Mittelstürmertore zustande. Wobei man sagen muss, dass bei den Buden 1 und 2 wirklich unglaubliche Bielefelder Fehler zu den Chancen führten. Besonders die Aktion vor dem Führungstreffer hatte etwas von einem Slapstick. In Sachen Hennings lautet die Kernaussage 9: Spielt er einen echten Mittelstürmer, wird er wieder zum Dauertorschützen.

Haben wir schon über die zentrale Defensive gesprochen? Die heißt ja bekanntlich Kaan Ayhan plus Andre Hoffmann, und die ist sicher. Gut, es gab ein halbes Dutzend Situationen, in den die Bielefelder dieses Duo mit Kurzpassspiel am Sechzehner aushebelte, aber dann war aber auch immer ein fortunistisches Bein oder ein fortunistischer Körper im Weg, der die Sache entschärfte. Auffällig aber, wie gut die beiden Verteidiger jetzt schon kooperieren. Übrigens: Die rot-gelbe Karte gegen Ayhan wegen Spielverzögerung war absolut nicht gerechtfertigt! Dem eigenen Torhüter einen Freistoß zu überlassen, wurde vermutlich noch nie auf diese Weise bestraft. Überhaupt war Referee Osmers nicht immer Herr der Lage, und in der größten Hitze des Kampfes hätte nicht viel gefehlt, und es hätte mehr als das bisschen Rudelbildung gegeben. Dabei war die Partie trotz aller Pokalaufregung durchaus fair – bis auf zwei Momente, in denen die Bielefelder Verletzungen von Fortunaspielern auf abstoßende Weise ausnutzten.

Mangelnde Fairness

Leider führte eine davon um zwischenzeitlichen Führungstreffer. Während Ayhan draußen behandelt wurde, kam Zimmer – vermutlich ohne Fremdeinwirkung – im eigenen Strafraum zu Fall und blieb liegen. Über ihn hinweg kam die Flanke, die der Bielefelder dann per Kopf aus kurzer Distanz verwandelte. Man kann auch sagen: Die Heimmannschaft war nicht zu mehr in der Lage, als gegen nur acht Düsseldorfer Feldspieler ein Tor zu erzielen. Dass diese Mannschaft derzeit an der Tabellenspitze rumlungert, kann verwundern, denn eigentlich ist deren Offensivspiel leicht auszurechnen und deshalb in Summe nicht sehr gefährlich.

Zusammen mit Hennings kam Davor Lovren aufs Feld – und wurde zur Wunderwaffe, die einen nicht kleinen Anteil am Sieg in der Verlängerung hatte. Dieser junge Kicker ist hochbegabt, und wenn er sich in das Team einfügen kann, wird er eine sehr, sehr große Bedeutung für Fortuna bekommen. Was seine spezifischen Qualitäten ausmacht, lässt sich an der knappen Stunde Spielzeit, die er gestern auf dem Rasen der Alm verbrachte, gar nicht präzise festmachen. Es sind seine Ballbehandlung, seine Übersicht und sein unerwartetes robustes Zugehen auf den Gegner. In der Verlängerung kamen dann noch Julian Schauerte für den ausgepumpten Zimmer und ganz spät der gute Robin Bormuth für Lovren.

Völlig verdienter Sieg

Über alles gerechnet kann das zehnte Fazit nur lauten: Dieser Sieg in diesem aufregenden, spannenden und packenden Pokalkampf war völlig verdient. Und hätte Bielefeld nicht die Führung in einer wirklich merkwürdigen Situation erzielt, wäre es nie zu einer Verlängerung gekommen. So aber freuten sich die gut 3.000 Anhänger der Fortuna in der trüben Ecke des unschönen Bielefelder Stadions an ihrer Mannschaft und dem Ergebnis. Apropos: Die Stimmung war von Anfang an Weltklasse – nicht nur die üblichen Verdächtigen trieben den Support voran, auch die Fortunen auf den etwas teureren Plätzen legten sich erheblich ins Zeugt, um die Mannschaft anzufeuern. Schön auch der minutenlange Wechselgesang nach der Pause, bei dem sich Düsseldorfer und Bielefelder schön laut das obligatorische „Scheiß DFB!“ quer über den Platz zuriefen.

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