[Der folgende Beitrag erschien zuerst am 18.08.2012 auf dem Vorgänger-Blog „Rainer’sche Post“ und löste eine intensive Debatte aus. Fünf Jahre später hat sich die Gentrifizierung am Fürstenplatz einigermaßen eingerüttelt. Die Immer-schon-da-Wohnenden und die Neu-hinzu-Gezogenen haben sich arrangiert. Mit den zwei, drei typischen Gentry-Gastronomien können auch alte Fürstenplätzler ganz gut leben.]
Sieht doch nett aus: Da hat ein pfiffiges Kerlchen einen ollen Bulli zur rollenden Kaffeebar umgebaut und schaut jeden Samstag am Wochenmarkt auf dem Fürstenplatz vorbei. Noch nicht sehr lange. Aber seitdem man vor, während oder nach dem hippen Shoppen beim echten Landwirt Poot heiße Modegetränke schlürfen kann, finden sich etwa ab 10 Uhr am Morgen Leute dort ein, die es hier noch vor ein, zwei Jahren nicht gegeben hat: die Neuschnösel des Quartiers. Heute hat das pfiffige Kerlchen erstmals eine Bierbankgarnitur aufgebaut, jetzt können die wohlhabenden Neubürger am Rande der Midlifecrisis im Sitzen schlürfen und smalltalken. So nett das aussieht und so harmlos sich das anhört: Die Existenz des mobilen Barista ist nicht mehr und nicht weniger als eines der vielen Symptome für die Gentrifizierung des Viertels. Die Kundschaft des Wagens zeigt sich geradezu prototypisch für das nicht mehr ganz junge, beruflich erfolgreiche Volk, das gerade mit der Fortpflanzung begonnen hat. Also ist immer mindestens eine Jungmutter dabei, die ihren Spross im 1000-Euro-Buggy vor sich her schiebt.

So viel Kinderwagen war lang nicht mehr in Friedrichstadt, dem ungeliebten Quartier, das von der Corneliusstraße – vom Volk gern „Giftmeile“ genannt – durchschnitten und von der zum Rasen einladenden Oberbilker Allee begrenzt wird. Noch vor vier, fünf Jahren fanden Studenten und Berufsanfänger in den Nebenstraße (Kepler-, Philipp-Reis-, Hildebrandt-, Kirchfeld- und Halskestraße erschwinglichen Wohnraum in alten, unsanierten Häusern mit dem Charme der frühen Nachkriegsjahre. An der Kreuzung Philipp-Reis-Straße/Pionierstraße mit der Oberbilker Allee fand sich das „Bermuda-Dreieck“ – ein Kneipenviertelchen mit echt-griechischem Schnellimbiss („Pfeffermühle“), Eckkneipe („Lokal“), Immerschonkneipe („Domizil“), Fischrestaurant („Istakoz“), Nudelimbiss, Pizzeria („Vulcano“) und Kult-Café („Café Knülle“). Im lange aufgelassenen Frisörsalon hatte sich mit „Damen & Herren“ ein Künstlerselbsthilfeverein eingenistet, und in den Hinterhöfen der Hildebrandtstraße gab es einige Kreativ-WGs. Auch rund um den Fürstenplatz war die Gastronomie eher bodenständig, ob im Antoniushof, bei Moni oder im Schlösser – die Ureinwohner hatten eine feine Auswahl an Stammkneipen.

Die Vorhut der Besserverdiener

Aber wie wir alle wissen, sind Künstler, Studenten und Kreative die Vorhut der Besserverdiener. Bevor die ins Quartier diffundiert waren, galten die Blocks südlich des Fürstenplatzes als eher schmuddelig und unattraktiv. Nur in den den schönen Häusern auf der Remscheider Straße wohnten schon vor zwanzig Jahren stadtbekannte Musiker, wohlhabende Werber und diverse Architekten und Innenarchitekten. Ansonsten war der Ausländeranteil erfreulich hoch, und die Quote der Düsseldorfer die dort (wie der Verfasser dieses Beitrags) geboren und/oder aufgewachsen sind, überdurchschnittlich hoch. Im Zuge der Ausplünderung der Stadt durch die Immobilienhaie jeder Couleur und den damit drastisch gestiegenen Mieten und Kaufpreisen wurde in einer ersten Welle vor rund zehn Jahren schon ein nicht kleiner Teil der Altbevölkerung verdrängt. Da die Mieten aber immer noch günstiger waren als in den In-Vierteln (Düsseltal, Pempelfort etc.), zogen eben die Kreativen her.

Und jetzt also die Gentry. Es begann mit unscheinbaren Zetteln an Laternen. Man kennt das: Da preist sich ein ruhiges, solventes Lehrerehepaar an und sucht eine hübsche Wohnung. Die angegebene Höchstmiete liegt deutlich über dem eigentlichen Niveau, und die Vermieter lecken sich gierig die Lippen. Jeder Mieterwechsel brachte in der Folge teils erhebliche Mietsteigerungen pro Objekt. Waren es zuerst die Lehrer, die Uni-Angestellten und Beamten, suchten nun zunehmend junge Eltern möglichst riesige Wohnungen mit möglichst riesigen Balkonen. Typisch eine 140-qm-Bude mit sechs Zimmern auf der Antoniusstraße, die zuvor von einer fünfköpfigen WG genutzt wurde und nun – natürlich nach Luxussanierung – für den doppelten Preis an ein Paar um die vierzig mit Baby vermietet wurde.

Das erste Schnösel-Café

Genau diese Sorte Neubürger war und ist es, die das absolute Schnösel-Café im Viertel so erfolgreich gemacht hat. Das Ding heißt nach Art der Hipster „Apartment“ und residiert in den ehemaligen Räumen der Boutique „Ela“, die um 1990 herum zum ersten Mal Glamour an den einst so proletarischen Platz gebracht hatte. Man sitzt drinnen auf Normalmöbeln, die Karte ist klein und ziemlich cool, und jederzeit hockt jemand drinnen oder draußen und patscht auf seinem iPad rum. Ohne Notebook braucht man gar nicht erst hinzugehen. Auch das Publikum dieses Cafés hat sich verändert: Immer mehr Mütter finden sich vormittags ein, um mit einer Hand am Buggy rüttelnd Kaffee zu trinken und zu schwätzen.

Das Verrückte an der aktuellen Situation ist, dass sich genau in diesem Jahr 2012 Vor- und Nachteile der Gentrifizierung die Waage halten. Die gastronomische Vielfalt, das Nebeneinander von Schnösel-Shops und Gemüsetürken, Büdchen und REWE machen die Gegend bunt und interessant. Natürlich wird die Waage in Richtung Gentry ausschlagen. Am Fürstenwall wird das nächste Haus luxussaniert. In leerstehende Läden ziehen Immobilienmakler ein, und wie lange sich Damen & Herren und Pfeffermühle noch werden halten können, ist ungewiss.
Vielleicht geht’s aber so ab wie in Flingern-Nord in den neunziger Jahren. Da verdrängten Modeschöpfer, Künstler und dann auch Kreative in wenigen Jahren die angestammte Bevölkerung vollständig. Die Mieten verdreifachten sich, und jede vierte Mietwohnung wurde zur Eigentumswohnung. Nun hat das Viertel rund um Flur-, Birken-, Acker- und Dorotheenstraße schon einen gewissen Charme, aber so richtig schnieke wird’s nie. Also verdünnisierte sich die Gentry nach und nach, sodass am Ende ein halbwegs erträglicher Schwebezustand blieb.

Freiräume statt Getrifizierung

Vor Jahren hatte sich in Düsseldorf eine Bewgung gegen die Gentrifizierung gegründet, die sich „Freiräume“ nannte und besonders die Interessen der Geringverdiener und der prekär Lebenden im Blick hatte. Zig Aktionen und Gespräche mit der Stadt brachten das Problem ins öffentliche Bewusstsein. Legendär die Tanzdemo vom vergangenen Jahr, die gleichzeitig Höhe- und Schlusspunkt der Bewegung darstellte – ausgelöst durch die Bekenntnisse der herrschenden Politiker zur ungehemmten Ausbeutung der Stadt durch die Immobilienschweine sowie zunehmende Repressalien gegen die Initiative beschloss man nicht weniger als in den Untergrund zu gehen. Was dabei entstehen kann, lässt sich an den Aktionen der Hamburger Vereinigung „Es regnet Kaviar“ ablesen. Kann also passieren, dass es demnächst am Café-Bulli auf dem Wochenmarkt Latte Macchiato regnet…

Nachtrag

Der Bulli-Barista hat nicht lange durchgehalten. Er blieb nur bis Weihnachten 2012. Aber es gibt Le Cabu noch. Der mokkabraune Bulli hat sich etabliert und ist regelmäßig auf Trödelmärkten und diversen Themenmessen zu finden. Und um es klarzustellen: Die explizite und implizite Kritik in diesem Artikel richtet sich nicht gegen den Betreiber der ambulanten Kaffeebud – der hat sich offensichtlich mit dem Ding seinen Traum von der Selbstständigkeit erfüllt, sich seinen Markt gesucht und seines Bestes versucht. Dagegen ist wenig einzuwenden. Viel einzuwenden ist allerdings gegen die Folgen der Profitgier der Immobilienhaie. Komischerweise ist aber die scharfe Gentrifizierung des Viertels mit dem Bezug der teuren Eigentumswohnungen im neuen Luxushaus am Platz ein wenig abgeebbt. Das mag sich ändern, wenn die Bebauung des Innenhofes zwischen Platz und Corneliusstraße sowie Fürstenplatz vollendet ist, denn die dort entstehenden Häuschen sind genau das, was die sich fortpflanzenden Besserverdiener suchen…

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