Inzwischen ist es ja nicht mehr so cool, als Nicht-Hamburger den FC St.Pauli cool zu finden. Irgendwann fingen deutsche Fußballfreunde verschiedener Richtung an, sich über die „Späthippies“, „Kriegsdienstverweigerer“ und „Studenten“ lustig zu machen, die in Orten wie Ulm, Göttingen oder Bonn mit braunem Zeug gekleidet herumradelten, den Weltcupbesiegerbesieger-Button am Kragen. Das war ungefähr zur selben Zeit, als praktisch jede grenzdebile Sprechpuppe, die in ein TV-Mikro lallen durfte, von den „Kiezkickern“ und dem „Freudenhaus der Liga“ schwafelte. Eine besonders merkwürdige Beziehung aber verbindet den FCSP mit der glorreichen Fortuna aus Düsseldorf. Die hat viel mit Punk und Werbung zu tun, den in diesen beiden Branchen gibt es schon seit gut 30 Jahren jede Menge Querverbindungen und tiefe Freundschaften. Außerdem lieben viele Düsseldorfer Hamburg und freuen sich auf jedes Auswärtsspiel am Millerntor. Der Gipfel der fortunistisch-paulianischen Fanfreundschaft war jedoch am 8. April 2005 erreicht: Ein wilder, gemischter Partyhaufen von um die 100 Leuten in Braun-Weiß und Rot-Weiß soff an einem denkwürdigen Abend die Havanna Lounge in der Esprit-Arena leer.

Boris Bartels und seine Kumpanen aus Düsseldorf und Hamburg hatten die Sache organisiert. Geboten wurde ein Gesamtpaket aus gemeinsamen Besuch der Party zwischen dem FC St.Pauli und Fortuna Düsseldorf in der Regionalliga Nord. Nein, die dritte Liga gab es noch nicht, und bei F95 waren Spieler wie Marcel Djeng und Gustavo Policella am Start. Uwe Weidemann war Trainer, und Lumpi Lambertz, süße 20 Jahre alt, wurde in der 80. Minute eingewechselt. Die gemischte Bagage fand sich in den Blöcken 8 und 9 ein, um diesen „Clasicó“ gemeinsam mit nicht ganz 21.000 Zuschauern zu verfolgen. Und obwohl die Jungs vom Millerntor mit 0:3 deutlich verloren, war auch die Laune der Paulianer in der Arena ziemlich gut. Auch weil es schon während des Spiels Freibier gab – das war Teil des Pakets.

Übrigens standen auf beiden Seiten zwei spätere Fortuna-Legenden und aktuelle Mitglieder der F95-Traditionsmannschaft auf dem Rasen. Dem unvergleichlichen und unvergessenen Frank Mayer gelang sogar das dritte Tor für den deutschen Meisterschaft, während Marinko Miletic an der Seite von Robert Palikuca für den FCSP kickte. Gerade die beiden zuletzt genannten Spieler haben auch viel damit zu tun, dass zwischen der Fortuna und dem FC St.Pauli eine besondere Beziehung besteht.

Randnotiz: Die 4. TD-Sprechstunde wird am 23.01.2017 im legendären Restaurant „Ham-ham bei Josef“ an der Kurzestraße in der Altstadt stattfinden. Gastgeber wird Marinko Miletic sein, dessen Familie den Laden betreibt. Und einer der Spieler, die am 08.04.2005 aktiv dabei war, wird Ehren- und Talkgast sein. Bitte den Termin vormerken!

Stadion-DJ Opa und Ihr sehr Ergebener

Stadion-DJ Opa und Ihr sehr Ergebener

Das Festkommitee hatte zu allem Überfluss die Havanna-Lounge für die After-Kick-Party gebucht. Heute heißt die Lokalität, die sich eine Etage unterhalb des VIP-Bereichs befindet, „Starlounge„, sieht aber immer noch so aus wie anno 2005. Nachdem sich alle Teilnehmer in den schicken Räumlichkeiten eingefunden hatten, floss das Bier in Strömen. Der gereichte Imbiss wurde verzehrt, und der legendäre Jürgen Krause gab den DJ. Was die Stimmung erheblich beschleunigte. Nein, es wurde nicht um die Wette getrunken, es passierte einfach so.

Frank Mayer und Ihr sehr Ergebener mitten im Partyrausch

Frank Mayer und Ihr sehr Ergebener mitten im Partyrausch

Selbst mein Freund Carsten, der aus Essen kommt und aus ganz und gar unverständlichen Gründen Pauli-Fan ist, aber eher ein gesitteter Trinker ist, schluckte wie nichts Gutes. Das Spiel war gegen 21:20 abgepfiffen worden, und um 23:00 war zum ersten Mal das Bier in der Havanna-Lounge alle. Irgendwem gelang es, Nachschub zu organisieren. Die Arena war mittlerweile menschenleer. Im Flur vor dem Eingang zur Lounge lungerten zwei frustrierte Security-Typen herum, während es innen hoc herging. Zumal inzwischen F95-Prominent eingetroffen war. Der ewige Aleks Spengler samt Gattin eingetroffen, Frank Mayer im Schlepptau. Aus ernsthaften Gesprächen waren typisch Suffdebatten geworden, und der Zigarettenrauch hing trotz auf voller Pulle laufender Entlüftung schwer unter der Decke.

Schnell mal durchputzen

Schnell mal durchputzen

Und dann die Ansage: Alles leer, kein Bier mehr! Später rechnete jemand aus, dass jeder Gast – ob männlich, ob weiblich, ob Fortuna, ob St.Pauli – im Durchschnitt(!) 25 Bier getrunken hatte. Und trotzdem wollte so früh keiner gehen. Erst als die Putzkolonne zwischen den erheblich angeheiterten Anwesenden durchputzten, verstanden manche die Zeichen der Zeit und verließen die leergesoffene Havanna-Lounge. Carsten und ich nahmen ein Taxi, und es war das erste Mal, dass sich ein Taxi dank sich erheblich widersprechenden Anweisungen der Fahrgäste massiv verfuhr. So endete ein Fest der fortunistisch-paulianischen Freundschaft vor ungefähr elfeinhalb Jahren.

Ein Kommentar

  1. Jau, ein legendäres Ereignis, das ich – es fand ausgerechnet an meinem Geburtstag statt – nie vergessen werde. Ich sehe mich auf einem deinen Fotos im Gespräch mit dem St.-Paulianer Finn, der außerhalb des Fußballs oft in der Düsseldorfer Punk-Szene unterwegs war. Dann erkenne ich noch Markus Letzaun (von wegen Werber:-). Da die Kellnerinnen uns auch mit Bier-Tabletts auf der Tribüne bedienten, habe ich den Verdacht, dass nicht alle Biere in die Kehlen der „registrierten“ Teilnehmer geflossen sind, sondern es quasi Freibier für den halben Block gab. Erinnere mich auch an Andi und Campino.

    Boris hat später noch einen zweiten ebenso spektaulären St.-Pauli-Tag orghansieret. Der Begann am 11.11.?? mit einem Frühstück im Irish Pub am Rathausplatz während der Hoppeditz erwachte. Es war, was die organisatorische Seite betraf, ein kompletter Uerige-Tag. Lustig fand ich, dass das (englische!) Frühstücksbuffet in der „Teilnahmegebühr“ von 50 Euro enthalten war, nur Kaffee musste man separat ordern und bezahlen:-). Danach ging es mit einem Bus (Marke Deutsche Nationalmannschaft 1954) ins Stadion, Vip-Lounge (ohne Uerige) und am Abend dann das Abschlussfest im Zirkuszelt am Flinger Broich mit den Beatlesons. Glücklicherweise bin ich im Stadion einem Freund aus der Punkszene begegnet, in dessen Partykeller ich die Zeit bis zur Abendparty mit einigen Überbrückungsbieren schlaffrei durchhalten konnte. Mit Matt von Chelsea ging’s dann per Taxi zum FB. Durchgehalten haben die meisten bis um 5.00 morgens, und zu meiner Überraschung war ich trotz Unmengen (zum Glück 90 % Uerige) Bier und wenig Schlaf am nächsten Tag topfit.