Friedrichsstraße, Rethelstraße, Nordstraße, aber nicht nur da. Eigentlich überall im Düsseldorfer Stadtgebiet. Kleintransporter mit Warnblinker in der zweiten Reihe, manchmal eine ganze Fahrspur blockierend, manchmal „nur“ einen Radweg, oder sie parken, schnell mal eben, mitten auf dem Fußweg. Egal wo: immer und überall stehen sie im Weg. Wenn man dann aber nach dem ersten Ärger einen Blick auf den gestressten Fahrer erhascht, der mit drei oder vier Paketen unter dem Arm zur nächsten Lieferadresse sprintet, wird sich die Gefühlsregung des ein oder anderen vielleicht in Mitleid verkehren.

Eigentlich eine Schande! Man wird sich an den letzten Fernsehbericht über Unternehmen wie Amazon denken, die ihre Paketdienstfahrer zu Dumpinglöhnen arbeiten lassen und im Fall der Fälle die Verantwortung auf Subunternehmer und Leiharbeitsfirmen abwälzen. „Amazon sucht Paketfahrer – das Auto sollen sie mitbringen,“ titelt die Welt am 2.12.2019 und weiter „um […] möglichst viele Antworten zu bekommen, lockt Amazon in der Anzeige damit, dass ‚Bewerber einmalig 100 Euro extra kassieren‘ können…“.

Nicht geöffnete Pakete haben keine Diebstahlssicherung

„Das müsste alles nicht so sein,“ erklärt Michael te Heesen von der Firma ABC Logistik. „Manche Geschäfte in der Innenstadt bekommen zwanzig bis dreißig Lieferungen pro Tag. Jede Lieferung bedeutet eine Störung, nicht nur für den Straßenverkehr, sondern auch für den normalen Geschäftsbetrieb. Rückfragen zur Lieferung? Fehlanzeige. Dazu kommt, dass viele Fahrer wenig Deutsch sprechen. Manchmal werden die Pakete einfach im mitten im Geschäft ohne Annahmebestätigung abgestellt.“ Michael te Heesen lacht: „Wenn ich Dieb wäre, würde ich mich auf ungeöffnete Paketsendungen spezialisieren. Die piepsen nicht, wenn man die elektronische Sicherungsschranke passiert.“

Dass es tatsächlich anders ginge, beweist die Firma ABC Logistik eindrucksvoll. Sie verfügt aktuell 60.000 qm Lagerfläche in Düsseldorfer Hafen nur wenige Fahrminuten von der Innenstadt entfernt. Im Rahmen ihrer Tochterfirma Incharge wirbt sie mit Service und Qualität. Sie will ihre Kunden freischaufeln: von allem was mit deren Kerngeschäft nichts zu tun hat. „Unsere Kunden ändern ihre Lieferadresse. Wir empfangen die Waren, bündeln sie, vereinbaren feste Liefertermine, und – vielleicht das wichtigste Argument – sie haben bei uns einen festen Ansprechpartner. Unsere Mitarbeiter, die Kundenkontakt haben, sprechen ausreichend Deutsch und sind, sofern erwünscht und vereinbart, auch zur Montage oder sonstigen Hilfeleistungen einsetzbar.“

Te Heesen erzählt weiter, dass der Abruf von Ware zum Zeitpunkt der Nachfrage u.a. deswegen Vorteile bringe, weil bislang benötigte Lagerfläche in Verkaufsfläche umgewandelt werden könne. Artikel, die beispielsweise saisonbedingt aus dem Sortiment genommen werden, können zwischengelagert werden und sind jederzeit wieder abrufbar. „Natürlich wollen wir dazu beitragen, dass sich der Lieferverkehr in der Innenstadt verringert. Wir setzen mehr und mehr E-Fahrzeuge ein und haben derzeit sogar einen Probelauf für ein elektronisch betriebenes Lastenrad. Wenn alle Firmen so handeln würden…“ Die Frage, was er generell von Internethandel und Online-Marketing halte, beantwortet te Heesen differenziert. Internethandel gehöre heutzutage dazu. Und vieles sei ohne ihn unmöglich. Trotzdem sei es aus gesellschaftlicher und ökologischer Gründen dringend erforderlich, zu verhindern, dass dem Einzelhandel das Wasser abgegraben werde.

Lohndumping, keine Steuern und Lieferantenerpressung

Seine Argumente: Internethandel sei häufig unprofitabel. Selbst bei einem so bekannten Unternehmen wie Zalando ist höchst umstritten, ob sie überhaupt Gewinne erwirtschaften. Die Statistiken bestätigten dies:

Der Verlust von Zalando belief sich im dritten Quartal 2019 auf rund 13,6 Millionen Euro. [Zitat: L. Rabe, 1.11.2019 Quelle: statista.de]

Te Heesen fährt fort: „Diese Art von Unternehmen werden mit Investorengeldern gegründet und dann holen sie raus, was aus der deutschen Gesetzgebung nur rauszuholen ist. Sie betreiben Lohndumping, sie zahlen keine Steuern und sie erpressen die Lieferanten.“ Er erzählt von einem Kunden, der sich eine Firma im Handel mit Sportgeräten aufgebaut hatte. Am Anfang habe er nur ab und zu mal ein Gerät über Amazon verkauft. Der Handel wurde schwunghaft, irgendwann habe er 50 bis 60 Prozent der Geräte über Amazon abgewickelt. Dann habe Amazon, sich auf einen Passus in den AGB berufend, die Herausgabe der Liste der Zulieferer erzwungen. Sein Kunde sei heute insolvent.

Amazon erhält Negativpreis für Lohn-Dumping und fiese Verträge im Jahre 2015

Auch hier ist te Heesen bekanntermaßen mit seiner Meinung nicht allein. Schon im Jahre 2015 wird vom Digitalcourage e.V. in Bielefeld, zu deren Jurymitgliedern u.a. auch der Chaos Computer Club e.V. gehört, der Black Brother Award 2015 verliehen. Auf der Internetseite von ABC-Logistik und Incharge lese ich von Nachhaltigkeit, Umweltverträglichkeit, faire Entlohnung von Mitarbeitern und langjährige Kundenbindung.

Herr te Heesen kommentiert: „Damit sind wir in unserer Branche eine Rarität. Ja, wir wachsen und wir bauen derzeit ein neues Lager. Aber reich wird man damit leider nicht.
Unsere Kunden sind zum überwiegenden Teil Geschäftskunden, trotzdem sind 90 Prozent unserer Lieferungen Pakete, wie man sie vom Lieferservice an der Straße kennt. Der Kunde zahlt pro Paket zwei Euro. Eigentlich nicht viel, wenn man bedenkt, was ein Kunde an Service geboten wird. Leider erfolgen die meisten Auftragsvergaben aber immer noch per Ausschreibung. Der Billigste bekommt den Zuschlag. Natürlich wird später nachverhandelt … oft vor Gericht.“

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