Viele Nicht- und Neudüsseldorfer unterliegen dem Irrtum, Düsseldorf sei Teil des Rheinlands. Tatsächlich gehört die schönste Stadt am Rhein historisch betrachtet zum Bergischen Land, war sie doch über Jahrhunderte Residenz der bergischen Fürsten. Insofern sind kulinarische Überschneidungen mit dem Domdorf im Süden eher zufälliger Natur. Das betrifft vor allem das, was der Kölner „Flönz“ nennt. Dieses Wort gibt es in der Düsseldorfer Mundart nicht! Wer also – sammerma – im Schumacher an der Oststraße eine Portion Flönz bestellt, muss sich nicht wundern, wenn er nichts serviert bekommt. Hierzulande heißt die würzige Wurst mit den schmackhaften Speckbrocken „Blohtwosch“. Aber sonst kommt es in Sachen „Lebensmittel“ schon zu Überschneidungen…

[1] Düsseldorfer Altbier

Der Chefred trinkt Uerige am Rondell

Der Chefred trinkt Uerige am Rondell

Dazu später mehr. Denn zunächst einmal ist festzuhalten, dass das ächte Düsseldorfer Brauhaus die Heimat aller dieser Spezialitäten ist, die man als Düsseldorfer regelmäßig zu sich nehmen sollte. Ob Schumacher, Füchschen oder Uerige – überall bekommt man zunächst einmal das vor Ort nach eigenen Rezepten gebraute Altbier. Die ganze Geschichte rund um dieses wunderbare, dunkelbraune, würzige und leckere Bier haben wir in unserem Beitrag „Ja, sind wir im Wald hier… Und welches ist dein Düsseldorfer Lieblings-Alt?“ niedergeschrieben. Neben den „Großen Drei“ gibt es drei weitere Hausbrauereien – vor allem das Brauhaus zum Schlüssel, aber auch das Kürzer in der Altstadt und das Gulasch Alt aus Oberkassel. Zu erwähnen sind zudem die industriell gebrauten Altbiere von Frankenheim und Schlösser, die es ebenfalls überall in der Stadt vom Fass gibt. Nicht aus Düsseldorf, aber sehr beliebt und auch lecker sind das Bolten Alt, das ehemals weltberühmte Hannen Alt und natürlich Diebels – beide vom linken Niederrhein. Altbiere, die woanders gebraut werden wie das ehemals in Krefeld verortete Rhenania lassen wir einfach mal außen vor.

[2] Blohtwosch

Himmel un Ähd mit Blohtwosch

Himmel un Ähd mit Blohtwosch

Allein schon an der anderen Schreibweise und der deutlich unterschiedlichen Aussprache dieses Wortes lässt sich ermessen, wie wenig Köln und Düsseldorf eigentlich gemeinsam haben. Und trotzdem: Auch in den Brauhäusern in der Stadt mit dem Bahnhofskapellchen ohne Uhr, wo man Reagenzgläsern voller urinfarbiger Flüssigkeit ausschenkt, wird das angeboten, was man deutschlandweit als Blutwurst kennt. Tatsächlich unterscheiden sich Blohtwosch und Flönz in der Machart nur wenig voneinander. Während die kölsche Blutwurst außer Salz keine Gewürze enthält, findet man im hiesigen Pendant schon noch andere Aromaten – zum Beispiel einen Hauch Majoran. Das hängt natürlich davon ab, bei welchem Traditionsmetzger der Stadt man seine Blohtwosch bezieht. Denn eines ist klar: Woanders als bei Schlösser, Grefges, Schmalzried, Inhoven, Ludwig und und und kauft man sie nicht. Selbstgemacht beim Schlachter des Vertrauens muss sie schon sein. Außerdem ist Blohtwosch an Röggelschen met Mostert der passende Snack zum Alt im Brauhaus.

[3] Röggelchen

Das Röggelchen (Foto: Bäckerei Küster)

Das Röggelchen (Foto: Bäckerei Küster)

Wer gelegentlich abends in einem der Brauhäuser vorbeischaut, wird nicht selten Vertreter unserer Freunde aus Japan und China vor gewaltigen Haxen und Eisbeinen sitzen und mit diesen kämpfen sehen. Anscheinend gelten die gebratenen und gekochten Beine vom Schwein in Tokio und Shanghai als typisch fürs Düsseldorfer Brauhaus. Dabei sind sie das gar nicht. Erst in den Siebzigerjahren begannen die Restaurantleiter damit, diese mächtigen Dinger zu servieren. Zuvor gab es in einer Hausbrauerei vor allem das, was heute noch „Bierhappen“ genannt wird – also „Brötchen“ mit was drauf. Wobei es in Düsseldorf (wieder leider ähnlich wie in Köln) meist keine Brötchen sind, sondern Röggelchen. Dabei handelt es sich um zwei aneinander klebende runde Stücke mit einem Roggenmehlanteil jenseits der 30 Prozent. Die Kruste ist knackig, das Innere aromatisch. Der klassische Bierhappen besteht aus halbierten Röggelchen mit „Holländer“ (Junger oder mitterlalter Gouda in Scheiben), Leberwurst, Blohtwosch oder Schweinemett. Ja, man kann sagen, dass der Metthappen der ultimative Snack zum Alt ist. Dabei erstaunt, wie viel Mett auf so ein kleines Ding passt und vor allem, wie viele Zwiebeln sich auf dem Fleisch halten können. Gewürzt wird bei Tisch mit viel Salz und noch mehr Pfeffer. (Foto: Bäckerei Küster)

[4] ABB-Mostert

ABB-Mostert im Blauzeug-Töpfchen

ABB-Mostert im Blauzeug-Töpfchen

Sofern es sich nicht um einen Metthappen handelt, wird solch ein belegtes Röggelchen mit viel Senf verziert. Und wer sich eine ganze Portion Blohtwosch bestellt, der kriegt dazu nicht nur Röggelchen, Zwiebelringe und Gewürzgurke auf den Tisch, sondern ohne Nachfrage ein Blauzeug-Pöttchen mit dem ächten ABB-Mostert der seligen Witwe Bergrath. Endlich etwas, was es Köln nicht gibt: Mostert! Denn die Herstellung von dem, was außerhalb unserer wundervollen Stadt schnöde „Senf“ heißt, hat hier eine lange und spezielle Tradition. Gerade ABB hat Düsseldorf in Europa zu Weltruhm verholfen, denn die typischen grauen Steinguttöpfchen mit der blauen Beschriftung – man nennt sie „Blauzeug“ – gab es ab dem achtzehnten Jahrhundert vielerorts zu kaufen. So findet man ein ABB-Pöttchen sogar auf einem Gemälde von Vincent van Gogh. Leider meinen viele Nicht-Düsseldorfer, der ultrascharfe Löwensenf sei typisch für die Stadt. Das ist falsch: Düsseldorferisch ist der durchaus scharfe, aber beinahe fruchtige ABB-Mostert mit der typischen braunen, nicht gelben Färbung. Übrigens: Auch die in den Brauhäusern solo angebotene „Bergische Bratwurst“ wird in der Regel von einem Röggelchen und viel ABB-Mostert begleitet.

[5] Düsseldorfer Senfrostbraten

Düsseldorfer Senfrostbraten (Bild: Südbayerische Fleischwaren)

Düsseldorfer Senfrostbraten (Bild: Südbayerische Fleischwaren)

Das einzige Rezept, das ausdrücklich als Düsseldorferisch gekennzeichnet wird, ist der Senfrostbraten – und der ist eine Mogelpackung. Eigentlich handelt es sich um ein dickes Rumpsteak, das im Ofen mit einer herrlichen Zwiebel-Mostert-Kruste überbacken wird. Gibt es in Düsseldorfer Gastwirtschaften überall und oft zu gesalzenen Preisen. Wo das Steak beispielsweise 16,50 Euro kostet, werden für den Düsseldorfer Senfrostbraten gern 19,00 Euro aufgerufen. Dabei kommt auf das Fleisch nur eine Mixtur aus gedünsteten Zwiebel, Mostert und Paniermehl. Das kann man leicht zuhause nachkochen – wenn man ABB-Mostert verwendet! Tatsächlich passt scharfer Senf nach Dijon-Art nicht so gut, bestenfalls tut es auch der Löwensenf Medium. Außerdem verwendet man besser eine fein gewürfelte Gemüsezwiebel als ihre scharfen Verwandten. Mit dem Paniermehl steuert man die Konsistenz. Nach dem das Steak von beiden Seiten je nach Dicke und gewünschtem Gargrad jeweils zwei bis fünf Minuten gebraten wurde, trägt man die Masse richtig dick auf und lässt sie unter dem Grill bei 220° gratinieren. (Foto: Südbayerische Fleischwaren)

[6] Pillekuchen

Pillekuchen (Foto: Spargelhof Lövenich)

Pillekuchen (Foto: Spargelhof Lövenich)

Diese extrem deftige Form des Kartoffelkuchens ist in Westfalen, im Bergischen Land und am linken Niederrhein weit verbreitet, weshalb man ihn im Kölner Raum eher selten findet. In den bekannten Brauhäusern steht er nicht immer auf der Karte. Und wenn, dann gelegentlich auch in einer vegetarischen Variante. Denn eigentlich gehört geräucherter Speck in den Pillekuchen, der zudem Zwiebeln und Eier enthält. Die Zubereitung ähnelt der von Rievkoche (Reibekuchen, Kartoffelpuffern) insofern, als festkochende Kartoffeln roh und grob geraspelt werden. Auch die Zwiebeln werden so behandelt, während der Speck in feine Streifen zersägt wird. Man rechnet mit drei Eier, drei Zwiebeln und 150 Gramm Speck auf ein Kilo Kartoffeln. Alles wird innig vermischt und mit Salz und Pfeffer gewürzt. Dann gibt man so viel davon in eine Pfanne mit neutralem Öl, dass ein gut daumendicker Fladen entsteht. Die Temperatur darf nicht so hoch sein, dass der Pillekuchen verbrennt, der immerhin pro Seite gut und gerne 15 Minuten braucht. Beim Garen sollte unbedingt ein Deckel aufgelegt sein. Ganz klassisch wird solch ein dramatisch sättigender Pillekuchen mit einem dicken Klecks Rübenkraut in der Mitte serviert. Und damit ist die Verbindung ins Rheinland hergestellt, denn zwischen Emmerich und Lövenich beherrscht die Zuckerrübe die Felder der Gegend.

[7] Killepitsch

Hier gibt's den berühmten Killepitsch

Hier gibt’s den berühmten Killepitsch

Beinahe – ja, nur um Haaresbreite nicht – wäre der ächte Düsseldorfer Killepitsch ein Modedrink in New York geworden. Stattdessen haben die hippen und coolen Leute dort begonnen Jägermeister zu trinken. Macht nichts, bleibt mehr vom köstlich-klebrigen Saft für uns. Wie es zum Namen dieses Kräuterlikörs mit immerhin 42 Umdrehungen kam, haben wir vor einiger Zeit einmal unter der Überschrift „Noch ene pitschen…“ beschrieben. Tatsächlich ist der Killepitsch eine Arznei, eine süße dazu. Wenn man sich ordentlich Blohtwosch, Mettbrötchen und Pillekuchen zum Bier reingehauen hat und der Magen das nicht lustig findet, dann räumt ein eiskalter Killepitsch ordentlich auf. Allerdings sollte man auf echte Killepitsch-Gelage verzichten, denn ein mit diesem Engelszeug erzeugter Vollrausch zieht sehr ungemütliche Katerstunden nach sich. Und wer wissen will, wie und wo der Likör mit dem lustigen Namen hergestellt wird, behalte TD im Auge – wir werden demnächst berichten.

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