Ulli Münsterberg, den F95-Freunde unter seinem Kampfnamen „Der Hildener“ kennen, ist definitiv ein Stück Fortuna-Geschichten. Und jetzt hat er seine Geschichten in einem Buch verewigt. Unter dem feinen Titel „Fortunaplatz! Endstation!“ erzählt er aber nicht nur Schoten rund um den Verein seines Herzens, sondern erzählt anschaulich – manchmal wehmütig, bisweilen zornig – davon, was in den vergangenen 50 Jahren aus dem Fußball geworden ist. Als bekennender und leidenschaftlicher Verfechter des Oldschool-Fußballs kommt er dabei immer wieder auf den englischen Fußball zurück. Kein Wunder also, dass eine ungewöhnliche Fan-Freundschaft zwischen der Fortuna und dem Ipswich Town FC (derzeit auf einem Abstiegsplatz der zweiten englischen Liga) auf seine Initiative entstanden ist; Jahr für Jahr fahren bis zu 120 Düsseldorfer im Winter auf die Insel, um ein Spiel des Partnervereins zu besuchen – und echte englische Soccer-Atmosphäre zu schnuppern.

Wer die dunkle Zeit der Fortuna ab dem Ende der Neunzigerjahre bis zum Aufstieg in die zweite Liga 2009 miterlebt hat, kennt den Ulli als wortgewaltigen, kritischen und streitbaren Geist. Wenn er im legendären Difo – dem Diskussionsforum der F95-Fans – auf die Pauke haute, hieß es immer, die Kavallerie reitet. Weil es in diesen zehn aufregenden Jahren immer wieder heftige Debatten rund um die Zukunft der glorreichen Fortuna gab und man sich nicht immer einig war, hat so mancher Mitdiskutant vom Hildener sein Fett weggekriegt. Das ändert aber nichts daran, dass Ulli Münsterberg mit seiner Vorstellung vom Fußballsport immer ein konstruktives Element der Diskussionen war und ist.

Der 1959 geborene kaufmännische Angestellte hat viel erlebt rund um den Fußball, war selbst aktiv, auch als Trainer und eine Zeitlang Stadionsprecher und Schiedsrichterbetreuer bei der Zwoten der Fortuna. Sein Buch, das man direkt beim Verlag, in jeder Buchhandlung (ISBN 978-3-9816198-6-7) und auch online bestellen kann, ist Pflichtlektüre für alle, die den Fußball lieben, besonders solche, die zum TSV Fortuna Düsseldorf 1895 halten.

Frage: Dass du viel und gern schreibst, wissen alle, die dich kennen – wie bist du aber auf die verrückte Idee gekommen, gleich ein ganzes Buch zu verfassen?
Antwort: Ich hatte über die Jahre immer mal mit dem Gedanken gespielt, ein Buch zu schreiben. Letztlich hatte ich die Idee aber immer wieder verworfen, weil es im Grunde ja zu allen Aspekten rund um den Fußball schon alle möglichen und unmöglichen Bücher und Texte gab, will sagen, was hätte ich da groß neu erfinden können.
Bücher über Klubs, Stars – Turniere und Fußballstadien. Chroniken zu unvergessenen Ereignissen, Autobiografien, selbst Romane, statistische Jahrbücher und vieles mehr gab es schon. Dazu gibt es eine ganze Reihe lesenswerter Bücher, geschrieben von Anhängern über deren Ansichten und Einstellungen rund um den Sport, die sich mit meinen Erkenntnissen decken.
Im Lauf der Jahre wurde ich aber immer mal von Freunden angesprochen, mal ein Buch zu verfassen, welches ich regelmäßig mit einem eindeutigen „ma sehn“ quittierte – mich aber immer noch nicht an die Sache ran traute.
Die Wende dann im Spätsommer 2018. Wiederum hatte mich ein Freund aus dem Fortuna Umfeld, der gute Markus R. angesprochen. Und zwar sehr konkret und mir gleich einen Verlag als Adressaten vorgeschlagen. Diesmal wurde ich tatsächlich aktiv und schickte dem Trolsen Verlag eine Leseprobe. Von da an ging es schnell. Henning Trolsen, der Verlagsinhaber – und von der Einstellung zum heutigen Fußball ähnlich gestrickt wie ich, war interessiert und wir wurden uns schnell einig. So entstand dann FORTUNAPLATZ.

F: Der gute, alte englische Fußball nimmt einigen Raum in den deinem Buch ein – hast du über den Fußball hinaus eine besondere persönliche Beziehung zu Großbritannien?
A: Ja und ebenso zu Irland, wo ich Familie habe.
Ich habe mich schon als Kind für alles Mögliche von der Insel interessiert. Begonnen hatte alles mit diesen herrlichen kleinen Spielzeugautos von Matchbox und Dinky-Toys. Dann die englischen Filme und Serien – das habe ich fast verschlungen und nicht zu vergessen, Musik aus England als Stammgast bei BFBS damals.
Nur mit der englischen Küche hatte ich es nie so. Obwohl – das muss man sagen, sie ist weitaus besser als ihr Ruf.
Nur würde ich mich in dem Zusammenhang dann doch eher für den Düsseldorfer Senfbraten entscheiden.
1974 dann mein erster Besuch in England. Oxford, und es ging gleich zum Fußball. In den alten Manor Ground mit meinen ersten Spielen gegen West Bromwich Albion, Carlisle United und Orient (Heute Leyton Orient).
Viele weitere Besuche würden folgen. Liverpool, London, Birmingham, Schottland und Wales, ebenso Irland und Nord-Irland. Belfast, Dublin, Cork um nur einige der vielen Stationen zu nennen.
Seit 2004 organisiere ich dann ja auch noch die jährlichen Weihnachts- oder Neujahrstouren nach England, die seit Januar 2006 stets in Verbindung zu Ipswich Town stehen.
Dazu hatte ich früher gut 10 Jahre lang nebenher im Irish Pub in Hilden gearbeitet. Das war die Zeit, als aus Irland viele Metzger (Boners) rüber nach Düsseldorf kamen um in den Schlachthöfen und Fleischfabriken in Derendorf, Ratingen und Hilden zu arbeiten.
Dazu gesellten sich viele Bauarbeiter aus England, Wales und Schottland. Eine tolle Zeit, aus der sich bis heute etliche Kontakte gehalten haben.

F: Du nimmst dir im Buch ja besonders die Managertypen zur Brust – glaubst du denen pauschal nicht, dass sie den Fußball lieben oder sogar den Verein, für den sie arbeiten?
A: Grade bei der Fortuna haben wir ja mit Charly Meyer und auch mit Peter Frymuth und aus meiner ganz persönlichen Sicht auch Paul Jäger gute Führungsleute gehabt. Die Art und Weise der Bestellung Kalls dann vom Aufsichtsrat zum bezahlten Vorstand bei der Fortuna hat sicher nicht nur bei mir einen ganz schlechten Beigeschmack hinterlassen.
Und damit dürfte dann die Zeit des ehrenamtlichen Vorstandes bei der Fortuna endgültig vorbei sein.
Solange aber die Fortuna ein mitgliedergeführter Verein sein will – sehe ich den Vorstandssprecher auch aus der Mitte des Vereins bestellt. Und nicht als Geschäftsreisenden in Sachen Fußball.
Ein Robert Schäfer somit also als kaufmännischen Manager JA! Als Vorstandssprecher der Fortuna NEIN!
Wobei ich mir gut vorstellen könnte, dass Robert Schäfer zum Ende einer erfolgreichen Karriere, irgendwann in der Zukunft, bei der Fortuna durchaus den Posten des Vereinsvorsitzenden übernehmen könnte. Denn bis dahin dürfte er ganz sicher auch in der Mitte des Vereins seinen Platz gefunden haben.
Wenn Du mich nach den „Managern“ beim DFB und dessen hässlicher Stieftochter DFL fragst – da fällt mir die Antwort leicht. Diese Leute lieben sich selbst. Den Fußball nicht. Ganz sicher nicht.
Sonst würde man ein Herz für die Fans haben – und niemandem zumuten, montags quer durch die Republik zu reisen und dienstags mehrfach gezwungen zu sein, Urlaub zu nehmen. Ebenso wenig würde man die Spieltage weiter und weiter auseinanderreißen, weil man die einzelnen Spiele zu verlegten Zeiten weiter gewinnbringend verscherbeln könnte.
Man würde auch ein Herz für den Amateurfußball, die Basis unseres Sportes haben und diese Vereine tatkräftig unterstützen.
Aber was willst Du von Leuten erwarten, die schon bei kleineren Orga-Aufgaben wie der Organisation einer funktionierenden Ligen – Struktur – Stichwort Regional-Liga überfordert sind.
Kurz – DFB und DFL tragen eine ganz fette Mitschuld am Niedergang des Fußballs, auch wenn das in Kreutzer und Heller scheinbar alles ganz gut daherkommt.
Aber wie sagte Berthold Brecht einst: die im Schatten sieht man nicht.
Und die im Schatten, nämlich spätestens die Klubs unterhalb der 3. Liga stellen die absolute Mehrheit im deutschen Fußballsport.
Aber bis dahin dringt der DFB längst nicht mehr vor.

F: Was geht dir am modernen Fußball wie er inzwischen auch die Bundesligen beherrscht am meisten auf den Geist?
A: Ganz klar die Kommerzialisierung des Sportes.
Dabei war ich nach meinem ersten Besuch im Stadion von Everton, dem Goodison Park in Liverpool 1989 hin und weg von deren Fan-Shop. In Supermarktgröße. Was es da alles zu kaufen gab.
Inzwischen haben diese Geister, die ich da rief, mich eingeholt. Nein, ich brauche keinen Fortuna-Toaster. Und keine Fortuna Pantoffeln.
Ich hab zu Hause nur noch einen einzigen kleinen Aufkleber. Von RB Leipzig. Den habe ich im kleinsten Zimmer unseres Hauses in die Keramik einarbeiten lassen.
Mir gefällt auch nicht, dass inzwischen mehr und mehr Menschen in erster Linie wegen „des Events“ ins Stadion gehen. Leute, die sich mit x-Bechern Cola, Popcorn und Bratwurst fünfmal pro Halbzeit durch die Reihen drängen, Leute, die sofort am nölen sind, wenn die Dinge nicht entsprechend laufen.
Oder TV-Übertragungen am laufenden Band. Wo häufig in sich selbst verliebte Figuren so vom Sport schwadronieren, als hätten sie diesen als Wissenschaft selbst erfunden.
Und schließlich die Spielervermittler. Leute, die die Marktpreise und Gehälter der Spieler in astronomische Höhen treiben und sich eine goldene Nase dran verdienen.
Das Ganze begann doch mehr oder weniger schon unlizenziert in den 80igern. Stichwort Finanzierungen und Geldanlagen.
Damals dachte der normale Bundesligaprofi beim Bauherrenmodell doch eher an die Frau seines Vermieters, statt an eine windige Investition, die ihm in einigen Fällen sein erspartes Geld raubte. Ich glaube nicht, dass es mit Installation des lizensierten Spielerberaters besser geworden ist. Seitdem werden die Spieler doch von Kindesbeinen an zur Unselbstständigkeit erzogen und mehr oder weniger unmündig gemacht.
Also erst mit falschen Versprechungen betrogen und dann später lizensiert entmündigt.

F: Fußball ist ja nicht das ganze Leben – womit beschäftigst du dich sonst noch in der Freizeit, irgendwelche Hobbys?
A: Im digitalen Zeitalter brauche ich einen analogen Gegenpart. Ich habe in zwei Räumen zwei Autorennbahnen permanent aufgebaut und besitze eine recht große Sammlung an (Modell-) Sportwagen.
Natürlich überwiegend aus den 70iger und 80iger Jahren. Steve McQueens Le Mans lebt bei mir weiter. In der Baugröße 1:32.
Darüber hinaus bin ich gerne an Rhein und Ruhr unterwegs. Während ich am Rhein besonders das Stück zwischen Koblenz und Rüdesheim mag, fasziniert mich im Ruhrgebiet die vergangene Industriekultur.
Und bei den Abstechern zu den Überbleibseln der alten Zechen und Stahlwerke zieht es mich auch immer wieder in die einst legendären Kampfbahnen der alten Oberliga-West.
Womit wir wieder beim Fußball wären.

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