Es war ein kalter, nebliger Tag im Januar 1994. Ich stand auf Höhe des Burgplatzes an der alten Mauer, die vom unteren Rheinwerft aufragte und blicke in die Altstadt. Mir standen die Tränen in den Augen, und es waren Tränen der Freude: Endlich war die schönste Stadt am Rhein wieder mit ihrem Fluss verbunden. Keine vierspurige Bundesstraße 1, immer überfüllt mit lärmendem und stinkendem Autoverkehr, trennte nun Düsseldorf und den gute, alten Rhein. Ich konnte einfach rübergehen, ohne an einer von nur drei Ampelübergängen zwischen Oberkasseler und Kniebrücke endlos auf Grün warten zu müssen. Und doch hatte ich an jenem Tag noch keine Ahnung, wie sich die Eröffnung des Rheinufertunnels am 15. Dezember 1993 auf die Stadt auswirken würde. Aber schon lange bevor dann Rheinuferpromenade, Burgplatz, Rheintreppe, alter Hafen, unteres Rheinwerft samt Kasematten und Apollowiese ihre heutige Gestalt angenommen hatten, spürte ich Dankbarkeit gegenüber den Mitgliedern des Stadtrates, die den Mut hatten, diesen Tunnel bauen zu lassen.

Durchgangsstraße statt Promenade

Stadtplan: Das Rheinufer vor der Altstadt um 1909

Stadtplan: Das Rheinufer vor der Altstadt um 1909

Erst im Jahr 1900 bekam Düsseldorf überhaupt so etwas wie eine Rheinpromenade. Man hatte zwischen dem Holzhafen – auf dem zugeschütteten Becken steht heute der Landtag – und dem Südende der Golzheimer Insel das Ufer vorverlegt und das untere Rheinwerft angelegt, um mehr Anlegestellen für Frachtschiffe zu schaffen und so den Hafenbetrieb zu erweitern. Oben war zwischen dem Burgplatz und dem Horionplatz eine mit Platanen bestandene Promenade entstanden, die von den Düsseldorfern gern zum Flanieren genutzt wurde. Die parallel verlaufende Straße war an noch keine Durchgangsstraße. Erst nach dem zweiten Weltkrieg wurde sie – im Rahmen des Konzepts der „autogerechten Stadt“ des Friedrich Tamms – zum Teil der Bundesstraße 1 und damit zu einer Hauptverkehrsader. Immer mehr Autoverkehr führte zu einer Verbreiterung auf vier Fahrspuren, nicht zuletzt ausgelöst durch die Anbindung an den Südring und den Straßenzug vom Nordfriedhof zum Mörsenbroicher Ei.

Damit war die ursprüngliche Uferpromenade Geschichte; nur ein schmaler Fußweg führte entlang der Mauer zwischen den der ehemaligen Promenade und dem tiefer gelegenen unteren Rheinwerft. Anfang der Achtzigerjahre waren die Zustände westlich der Altstadt schier unerträglich, und die Menschen, die am Mannesmannufer wohnten, litten unter Lärm, Abgasen und Gestank. Wo heute der freigelegte alte Hafen existiert, gab es eine große Asphaltfläche als Parkplatz, auch der Burgplatz diente vorwiegend als Abstellplatz für Pkw und Taxistand. Also beschlossen die klugen Frauen und Männer im Stadtrat – allerdings erst im Dezember 1989 – die Tieferlegung der B1 in einen Tunnel, der auf Höhe der Oberkasseler Brücke beginnen und auf Höhe der Gladbacher Straße enden sollte. Knapp 450 Millionen DM hatte man veranschlagt, am Ende kostete der Tunnel mit allen zugehörigen Baumaßnahmen rund 550 Millionen DM. Dafür aber wurde das komplizierte Bauwerk termingerecht fertig. Am 15. März 1990 begannen die Arbeiten, am 15. Dezember 1993 wurde der Tunnel eröffnet.

Röhren verlaufen übereinander

Kompliziert ist der Rheinufertunnel, weil die zur Verfügung stehende Breite zwischen den bestehenden Häusern – unter anderem dem Behrensbau und dem Mannesmann-Hochhaus – und den unterirdischen Befestigungen des unteren Rheinwerfts zu gering für parallel verlaufende Röhren war. Deshalb verlaufen die beiden Tunnelröhren – je eine in Nord-Süd-Richtung und umgekehrt – meistenteils übereinander. Dazwischen liegen Versorgungsröhren, und die beiden Arme der Düssel queren das Ganze ebenfalls in Röhren. Auf Höhe der Lippestraße taucht die B1 kurz wieder auf, um dann durch eine Unterführung unter der Gladbacher Straße bis zur Völklinger Straße zu verlaufen, wo sie dann wieder vollständig an die Oberfläche kommt. Die Komplexität wird dadurch noch größer, dass es mehrere Ein- und Ausfahrten und sogar die Zufahrt zu einem unterirdischen Parkhaus gibt. Während der Bauarbeiten verlief die B1 über eine provisorische, vierstreifige Straße auf dem unteren Rheinwerft, die auf Höhe der Tonhalle begann und bis zum heutigen Apolloplatz führte; wegen der engen Zufahrten gab es in der Bauzeit regelmäßig heftige Staus an beiden Enden.

Google-Map: Das Rheinufer vor der Altstadt heute

Google-Map: Das Rheinufer vor der Altstadt heute

Es dauerte ein Dreivierteljahr, die provisorische Straße zurückzubauen und die Baustelle auf ganzer Länge abzuräumen. Erst dann begannen die Arbeiten an der Rheinuferpromenade und dem unteren Rheinwerft. Dass es auf der Promenade eine Platanenallee geben sollte, war gesetzt, weitere Details entstammen dem Konzept des Architekten Niklaus Fritschi und seiner Kollegen – u.a. das Pflaster mit dem grau-blauen Wellenmuster. Eröffnet wurde die Promenade im Sommer 1995 mit einem Fest, an dem geschätzt eine Million Besucher teilnahmen. Ein Jahr später begann auch die gastronomische Nutzung des Bereichs, der heute einfach nur „Kasematten“ heißt. Und damit war der Zustand erreicht, den heute alle Düsseldorfer und Hunderttausende Besucher aus aller Welt genießen. Entstanden ist mit dem Rheinufertunnel, der Promenade und dem unteren Rheinwerft aber auch eine ganz neue Skyline, die besonders schön vom anderen Ufer aus sichtbar wird.

[Alle Fotos – außer dem Titelbild – stammen aus Veröffentlichungen der Landeshauptstadt Düsseldorf.]

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