Irgendwann fragte ich meine Nachbarn im Block 3: „Was singen die da? Irgendwas mit Alkohol und Drogen…“ Peter half mir aus: „Es heißt: So viele Jahre hat man uns betrogen, wir sind Fortuna mit Alkohol und Drogen.“ Musste ich nicht verstehen. „Ja, wie ist das denn bei der Fortuna mit Alkohol und Drogen?“ Ingo drehte sich weg und interessierte sich auf einmal für das Spiel. Holger grinste blöd, und Matthes meinte: „Alkohol? Klar. Aber Drogen…“. Na ja, ich stellte mich ja eigentlich nur blöd, denn ich kenn mich schon aus mit dem Thema beim Fußball. In meiner aktiven Zeit, die bekanntlich abrupt und unschön im Verlauf der Europameisterschaft 2004 endete, hab ich ja auch nicht nur gesoffen. Wenn wir zum Match mit einer anderen Firm verabredet waren, dann hieß es einen Tag lang: Nur Bier, keine Shots! Und so ab 1992 kannten wir uns auch mit Pillen und Pulvern aus, die einen unschlagbar machen.

Öppes beteiligte sich nicht am Gespräch. Der hatte schon in der ersten Halbzeit dreimal den Gang zum weit entfernten Glühweinstand gemacht und diese übelriechende Brühe mit in den Block gebracht. Ein gewisser Robert, den ich noch nicht kannte, hing schon vor dem Anpfiff leicht schräg in seiner Sitzschale. Ob es ihm gutgeht, fragte Peter. Robert roch so wie die Becher, aus denen Öppes schlürfte und sagte so etwas wie: „Einachsmaat“. Und plötzlich sah ich überall im Umkreis alle Leute irgendwas saufen. Die meisten tranken Pils oder Alt, einigen diesen ekligen Glühwein, aber nicht wenige hatten Flachmänner oder Miniflaschen dabei, die sie systematisch leertranken.

Bier gehört zum Fußball

„Bier gehört zum Fußball. Genau wie Bratwurst“, meinte Peter. Aber der ist, Wirt, der muss das sagen. Bei uns in Leeds gab es kein Bier und keine Bratwurst im Stadion. War verboten. Also Bier. Deswegen trafen wir uns meistens zwei, drei Stunden vor dem Spiel in unserem Pub und tranken so viel wie nötig. Zum Glück lag der Old Peacock nur einen Steinwurf weg vom Stadion an der Elland Road. Für deutsche Fußballfans scheint es aber normal zu sein, sich während des Spiels zu besaufen. Ja, manchmal hab ich den Eindruck, viele kommen nur deswegen ins Stadion, um sich zu besaufen. Ich mein, wer in einer Halbzeit drei- oder viermal rausgeht um Nachschub zu holen, kriegt ja vom Spiel nicht so viel mit.

Ich hakte nach: „Aber die singen doch von Drogen.“ Ingo, der jüngste in der Runde, mischte sich plötzlich ein: „Was meinst du, was hier in der Arena alles konsumiert wird.“ Gut, den würzigen Duft eines fröhlichen Reefers hab ich im Stadion auch schon oft gerochen. Aber dieses Hippie-Zeug zählt für mich nicht zu den Drogen. „Geh doch mal aufs Klo“, sagte Ingo noch, „also in so eine Kabine. Und guck dir mal den Klodeckel an.“ Das interessierte Matthes, der vom Thema offensichtlich keine Ahnung hatte. „Bis letztes Jahr hab ich ja noch auf der Süd gestanden, Block 40,“ erzählte Ingo, „Da findest du auf den Klodeckeln überall Pulverspuren.“ Matthes war empört: „Ist das so? Nehmen die da Heroin oder sowas ein? Im Stadion?“ Peter grinste leise: „Wenn überhaupt, dann Kokain. Oder synthetische Drogen. Alles was man schnupfen kann.“ Matthes regte sich jetzt richtig auf: „Weiß der Verein das? Wird dagegen was unternommen?“

Mittel zum Zweck

Das fragte ich mich auch, war mir aber sicher, dass sich veräterrische Spuren nicht nur hinter der Stehtribüne finden. Würde mich wundern, wenn’s im VIP-Bereich anders aussieht. Angeblich nehmen ja in Düsseldorf gut 15 Prozent der Leute zwischen 20 und 50 regelmäßig Drogen wie Kokain, Meth und Speed. Wieso sollten gerade diese 15 Prozent nicht zum Fußball gehen? Und dort nehmen, was sie sonst auch nehmen um sich wohlzufühlen? Wo ist da der Skandal?

Es war ja sowieso der Abend der komischen Gesänge. Noch vor dem Anpfiff sangen die Nürnberger davon, dass sie in die Altstadt gehen würden. Ja, dachte ich mir, warum nicht? Ingo fand das nicht so lustig. „Da ist eine Rechnung offen. Deshalb haben die Ultras ja öffentlich erklärt, sie würden die Altstadt gegen die Nürnberger verteidigen.“ – „Welche Rechnung?“ fragte ich. „Na ja,“ erklärte Ingo, „im Sommer vor zwei Jahren hat Fortuna im Pokal in Würzburg gespielt. In der Nacht davor sind Fortuna-Fans und irgendwelche Nürnberger aneinandergeraten. Die Club-Fans haben unsere angegriffen und das damit begründet, dass das Kneipenviertel in Würzburg eben FCN-Hoheitsgebiet ist. Jetzt also die Retourkutsche. Und Werauchimmer hat bestimmt, dass es heute für die Nürnberg-Fans Shuttle-Busse in die Altstadt gibt. Da ist Randale vorprogrammiert.“ Das verstand ich gut. Und stellte mir vor, die Cops hätten einen Trupp Hull- oder Sheffield-Arschgeigen aus unserem Stadion in den nächstgelegenen Pub eskortiert, damit die nach dem Spiel ordentlich feiern können. Wow, das wäre aber ein schöner Tumult geworden…

Jetzt verstand ich auch das mit dem Alkohol und den Drogen. Wenn wir rund um ein Spiel ein Match mit gegnerischen Pissern hatten, haben wir uns oft auch chemisch darauf vorbereitet. Gibt Pillen, die lassen dich den Schmerz nicht spüren. Andere machen dich total aggressiv. Und so weiter… Und am Ende gewinnt immer das Testosteron und das Adrenalin. Ist so und wird sich auch nicht ändern.

[Foto: Matthias Neugebauer per Instagram]

Ein Kommentar

  1. Schade , dein Bericht hätte länger sein können weil finde ich spannend… wenn ich zur Fortuna gehe ist schon jeder Kaffee zu viel. Die Atmosphäre elektrisiert mich schon so stark….